Mut in der KriseWenn der Reli-Lehrer ein Bischof ist

Ein Bischof als Lehrer – das gibt es seit diesem Schuljahr in Augsburg. So viel Kontakt zur Basis ist selten. Ein Beispiel, das Schule machen sollte.

Alina Oehler
© Carsten Schütz

Ich habe einmal ein paar Semester "auf Lehramt" studiert. Nicht aus Überzeugung, sondern weil das eine gute Zusatzoption zu sein schien. Die Medienbranche galt auch vor zehn Jahren als unsicher. Und irgendwie fühlte sich der Plan B schon sinnvoll an: jungen Menschen vom Glauben zu berichten, sich ihren Fragen zu stellen, mit ihnen gemeinsam auf der Suche nach guten Antworten zu sein. So hatte ich mir das zumindest vorgestellt.

Die Realität traf mich hart im Schulpraxissemester. Alle Lehramtsstudenten mussten hier für einige Wochen an einer Schule hospitieren und auch selbst erste Stunden unterrichten. Mit meiner romantischen Vorstellung war es dann schnell vorbei. Ich hatte mir eine Brennpunktschule ausgesucht, die verschiedenste Schularten vereinte. Vom beruflichen Gymnasium bis zum BVJ – also dem "Berufsvorbereitungsjahr" für die, die keinen Ausbildungsplatz (mehr) haben, aber noch der Schulpflicht unterliegen. Besonders diese Klasse war natürlich sehr motiviert etwas über das Kirchenjahr zu erfahren. Ich lernte in der Zeit einiges über street credibility, aber auch, dass Lehrer sein überhaupt nicht das bequeme Sicherheitsding ist, wie ich mir das vorgestellt hatte. Stattdessen bekam ich nach verschiedenen Krisen im Klassenzimmer (weinende Schülerinnen, sich prügelnde Schüler, verschiedene Respektlosigkeiten) eher das Gefühl, dass ich in diesem Job ohne Zusatzqualifikationen in Sozialpädagogik und Psychologie aufgeschmissen wäre. Mein Studium habe ich dann verändert, seitdem verteidige ich Lehrer immer, wenn sie als faul beschimpft werden.

Mit immer heterogeneren Klassen hat sich die Situation in den letzten Jahren bestimmt noch weiter zugespitzt. Für den Religionsunterricht kommt die Glaubens- und Kirchenkrise hinzu, die seine Relevanz immer stärker infrage stellt.

"Geruch der Schafe"

In dieser Gemengelage überraschte folgende Meldung: Ein deutscher Bischof unterrichtet seit diesem Schuljahr wieder Religion an einer Realschule. Wenn Journalisten oft Dinge zu bemängeln haben, darf man auch mal sagen: Das ist richtig toll. Der Bischof ist Weihbischof Florian Wörner, im Bistum Augsburg ist er für die Schulabteilung zuständig. Dass er wieder unterrichtet, begründet er auch damit, um "qualifizierter entscheiden und mitreden zu können". Ich finde das groß. Die Mehrheit der Bischöfe dürfte weniger Kontakt mit der Basis haben, und manchmal habe ich den Eindruck: Sie wollen das auch nicht. Wie schade, war da nicht mal was mit dem "Geruch der Schafe"?

Dabei sind die Schäfchen in der Schule oft längst nicht mehr Teil der Herde. Für viele Kinder ist der Religionsunterricht nach Erstkommunion und Firmung der letzte Kontakt mit der Kirche. Angesichts der desaströsen Aussichten und Austrittszahlen ist es eigentlich auch ein wenig überraschend, was für eine prominente Stellung der konfessionelle Religionsunterricht überhaupt noch hat. Kein anderes Schulfach ist wie er im Grundgesetz verankert (GG Art. 7,3). Darin liegt eine Chance.

Wenn ich das Lehramtsstudium auch verworfen habe, an eine Sache kann ich mich noch gut erinnern: die Hattie-Studie. Sie hatte damals für viel Furore gesorgt. Der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie hatte untersucht, welche Faktoren entscheiden, ob Schüler und Schülerinnen erfolgreich sind. Herausforderndes Fazit: "Kleine Klassen bringen nichts, offener Unterricht auch nicht. Entscheidend ist: Der Lehrer, die Lehrerin" – so fasste es damals die ZEIT zusammen.

Hat man nicht von den Lehrern am meisten profitiert, die für ihr Fach brannten und als Persönlichkeiten überzeugten?

Kann das nicht jeder aus seiner eigenen Schulzeit ein wenig bestätigen? Hat man nicht von den Lehrern am meisten profitiert, die für ihr Fach brannten und als Persönlichkeiten überzeugten? Erlebt man im Religionsunterricht eine Lehrkraft, die lebt, was sie glaubt, und die ausstrahlt, dass sie das glücklich macht, kann das prägende Momente ermöglichen. Wenn Wörner sagt: "Mir ist es wichtig, dass ich als Lehrerpersönlichkeit da bin, dass wir in Begegnung miteinander kommen und auf diese Weise Christus bezeugt wird" – dann hat er davon etwas verstanden. Ob die Ausbildung von Religionslehrerinnen und -lehrern überall in diesem Geist geschieht, ist eine andere Frage.

Dass ein Bischof sich in diesem schwierigen Feld mitten ins Gemenge stellt, um Zeugnis zu geben, ja sich selbst zum Betroffenen seines Zuständigkeitsbereichs macht – das ist nicht selbstverständlich. Und deshalb bemerkenswert.

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