Sooft die Verwandten aus Neuengland im Advent, wie soll ich sagen, hereinschneiten, um auf dem Alten Kontinent ihren vorweihnachtlichen Konsumrausch einen extra Kick zu geben, musste ich mich in Krippen auf dem Christkindlmarkt von Würzburg, von Nürnberg, von München, von Rothenburg ob der Tauber, von Salzburg, von Heidelberg oder sonstwo neben dem Esel ablichten lassen. Dafür sorgten meine älteren Cousins, die es unfassbar witzig fanden, mich neben dem jackass stehen zu sehen, während sie Zuckerwatte aßen.
Ohne Barbie und Elfen
Die figurenreichen Szenerien in Kirchenräumen, auf öffentlichen Plätzen oder unter den Weihnachtsbäumen faszinierten mich daher immer besonders, wenn ihnen ein performatives Element zugedacht worden ist. Nichts gegen die neapolitanischen Krippen mit ihrem aufwendigen Puppen oder die modelleisenbahnartigen Krippenmechaniken. Thomas Edison hätte sicher eine unfassbare Freude an den filigranen Bewegungen von über 133 aus 1400 Figuren der elektrischen Megakrippe im böhmischen Jindřichův Hradec. Auch Mattel hatte sich im Jahr 1992 für Barbie Naples komplett von den Händlern aus der berühmtesten Krippengasse Kampaniens, der Via San Gregorio Armeno, inspirieren lassen.
Das Krippenspiel als Gegenstück zum Passionsspiel, finde ich, ist in einer Epoche, die das Kinder- und Jugendtheater neu entdeckt, ein absolut vernachlässigtes Sujet.
Ich bevorzuge für meinen Teil das Schauspiel. Schon wollige Schafe, Zicklein oder ein Rind, die verschreckt, von Kindern mit Lebkuchen gefüttert, in einem engen Krippengehege den Glühwein- und Bratwurstständen den luminosen spirit geben, lassen mein Herz schneller schlagen. Aber das Krippenspiel als Gegenstück zum Passionsspiel, finde ich, ist in einer Epoche, die das Kinder- und Jugendtheater neu entdeckt, ein absolut vernachlässigtes Sujet.
Grottenchristkind
Daher möchte ich allen Weihnachtsdramaturgen wärmstens die "Lebende Weihnachtskrippe in der Höhle von Postojna" empfehlen. Die slowenische Karstlandschaft mit ihren tausenden Höhlen, Dolinen, Grotten, unterirdischen Seen und Flüssen scheint mir für dieses Wunderspiel, das zur Krippe gehört, eine prädestinierte Kulisse zu sein. So findet in der gewaltigen Unterwelt von Postojna am Weihnachtstag für eine Woche alljährlich ein Schauspiel statt, das nicht nur aufgrund des Gesangs, der Musik und des Settings von bezaubernder Schönheit ist, sondern auch wegen der Detailverliebtheit der Inszenierungen.
Seit fast 35 Jahren zelebriert in diesem subterranen Felsentheater die slowenische Höhlenkommission ein Schauspiel, das sich über fünf Kilometer durch das Labyrinth schlängelt und achtzehn Weihnachtsszenen in Gestalt von 100 Schauspielerinnen und Schauspielern – plus Tiere – dem schaulustigen Publikum darbietet. Ähnlich wie das slowenische Theater in der Hafenstadt Triest (gegr. 1907) wird hier eine ortsspezifische Gegebenheit ernst genommen – dort ist es die Vielsprachigkeit, hier ist es die Location – und so ein Schauspiel geschaffen, das die Bühnenkunst in einen transzendenten Möglichkeitsraum rückt – eine Art christliches Höhlengleichnis.