Der "geschlossene Garten" ist ein populäres Emblem der Marienmystik. Er ist Teil der Welt, abgeschlossen, abgegrenzt, aber in ihr.

Ich treffe zufällig Father Peter aus Worcester, Massachusetts, im südöstlichen Slowenien. Er gehört seit den frühen Neunzigerjahren zu den Mönchen der Kartause Pleterje. Es kommt selten vor, dass er mit externen Personen spricht, denn sein Orden lebt in zurückgezogener Kontemplation. Ursprünglich hatte ihn Medjugorje in diesen Winkel der Welt geführt und er ist einfach geblieben.

Die gesamte Klosteranlage ist umfangen von einer kilometerlangen Mauer aus Bruchsteinen, die durchgängig mit einer satteldachartigen Haube aus Holzschindeln bedeckt ist. Sie markiert gegenüber der einerseits bewaldeten und andererseits agrarwirtschaftlich verwerteten Landschaft eine gänzlich andere Logik der Raumnutzung, nämlich der spirituellen.

Hier wachsen vielgestaltige Pflanzen, zu jeder Father Peter eine Geschichte zu erzählen hat, als sei die Benamung der Dinge seit den Tagen in Eden bis jetzt nicht beendet. Einige Rosen im Garten beispielsweise setzte bei der zweiten Gründung der Karthause im Jahr 1992 niemand weniger als die Gartenenthusiastin Rachel Lambert Mellon, auch Bunny genannt, die während der Kennedy-Administration den Rose Garden im Weißen Haus mitgestaltete (ihr Großvater war Gründer der Firma Gillette.)

Es war der frühe Nachmittag von Heiligabend. Father Peter und mir fiel natürlich nichts Besseres ein, als am Portal der alten gotischen Kirche des Klosters ein hawaiianisches Weihnachtslied der Andrew Sisters, Mele Kalikimaka, anzustimmen – wohl zur Verwunderung einiger Menschen, die umherstanden. Danach spazierten wir etwas auf dem Areal, bis es Zeit für ihn war, die neunte Stunde zu observieren.

Paul-Henri Campbell mit einem Mönch der Kartause Pleterje
Tamara Štajner

Gerne gebe ich zu, dass diese Anekdote sentimental eingefärbt ist, doch sie lässt mich gelegentlich über die zivilisatorische Bedeutung eines hortus conclusus für die spirituelle Imagination nachdenken. Anders als der Garten Eden ist der "geschlossene Garten" kein Ort der ersten Schöpfung, kein primäres Ursprungsland und kein retroutopischer Sehnsuchtsort. Der hortus conclusus unterscheidet sich auch von der naiven Wildnis, darin man etwa den Wüstling Tristan entdeckte (locus amoenus); unterschieden ist er auch von der antiken Insel der Seligen, wo Lethe den taumenlden Heroen ihren Nektar darreicht.

Anders als diese infantilen Andersorte der Verantwortungslosigkeit, Unschuld, Ursprünglichkeit und Unversehrtheit – man könnte sie mit Michel Foucault auch Heterotopien nennen – ist der hortus conclusus ein Symbol für die Bereitschaft, sich abzusondern, zu konzentrieren, sich mit einer erlernten Technik und Methode darum zu sorgen, dass das gedeihen möge, was in der Marienmystik oft im Bild der dornenlosen Rose oder der Lilie erscheint.

Sicher, die Klausur stellt nur einen Weg dar, die spirituellen Gaben wahrzunehmen, die dem Leben Antrieb, Zuversicht und Dynamik schenken; es braucht auch die Konfrontation mit der Welt, das Risiko, sich in der Ununterschiedenheit der Dinge zu verlieren.

Der hortus conclusus stellt daher nicht das Sinnbild einer Abweisung und Einmauerung dar, ist kein mystisches Bollwerk, sondern zeugt von der Einsicht, dass – so sehr die Pforte offensteht – der Klostergarten ein Ort ist, in dem die Freiheit des Geschaffenen, zu wachsen, zelebriert wird. Diese spezifische Adoration selbst erwuchs und erwächst aus einer besonderen Pflege, Sorge und Hingabe: Sie wird deshalb besonders wertvoll, weil sie die Erfahrung der Schöpfung in ihrer Heiligkeit und ihrer Kultiviertheit intensiviert und vertieft.

Sicher, die Klausur stellt nur einen Weg dar, die spirituellen Gaben wahrzunehmen, die dem Leben Antrieb, Zuversicht und Dynamik schenken; es braucht auch die Konfrontation mit der Welt, das Risiko, sich in der Ununterschiedenheit der Dinge zu verlieren. Es ist daher logisch, dass die Malereien aus dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit, in denen Szenen der Welt dargestellt sind, häufig den hortus conclusus nur anzitieren, indem eine Ecke einer Gartenmauer oder eine Pforte auf dem Bild gemalt ist. Er ist Teil der Welt, abgeschlossen, abgegrenzt, aber in ihr. Der Fluchtpunkt des geschlossenen Gartens erschließt, öffnet, macht frei für eine intensive Wahrnehmung dessen, was das Panorama der Schöpfung ausmacht.

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