Heuer fallen Valentinstag und Aschermittwoch auf denselben Tag. Date Night mit Tamara und tätige Buße zugleich: Das wird ein kleiner Tod.
Aber im Ernst: Ich möchte etwas über den Aschermittwoch nachdenken. Wie soll das gehen? Eine traumatisierende und selbst tieftraumatisierte Institution, die oft dabei versagt, adäquat auf Kritik an ihr zu reagieren, diese Institution, also die katholische Kirche: Sie will Menschen zur Umkehr und Buße aufrufen.
Ich stelle mir den Protagonisten aus Miguel de Unamunos Erzählung "San Manuel Bueno, Märtyrer" vor. Es ist der Dorfpfarrer Don Manuel, der seit langer Zeit in der spanischen Provinz wirkt. Ich stelle mir vor, wie Don Manuel sehr früh aufsteht, das Frühstück auslässt und am Aschermittwoch in der Sakristei das ovale Fässchen mit der Asche hervorholt. Don Manuel muss lange in dem Kirschholzkasten herumtasten und sich auf den Zehenspitzen recken, damit er die Dinge erreicht, die er sucht. Das Fässchen mit der Asche steht hinter einem Weihwasserkessel aus angelaufenem Messing, in dem das am Griff etwas rostige Aspergill blechern klimpert. Endlich hat er alles vor sich. Die Asche muss er noch weihen, aber das erledigt er gleich während der Messe. Aus einem breiten Schubkasten nimmt er jetzt sein Obergewand, die violette Kasel, und stülpt sie sich über. Dabei bemerkte er eine vertrocknete Fliege, die mit dem Rücken auf dem Safe mit den Messgeräten liegt. Der Frühgottesdienst beginnt. Heute überspringt Don Manuel den Bußritus und beginnt unumwunden mit dem Sammelgebet. Es sind sieben Menschen aus dem Dorf gekommen. Die Asche, die er weihen will, ist sehr fein und aus der Einäscherung von den ausgedorrten Palmzweigen, die die Gemeinde im Vorjahr an Palmsonntag verwendet hatte, gewonnen. Fast hätte er das Weihegebet vergessen, aber dann bemerkt er das Fässchen und den Kessel mit dem Sprengel wieder auf dem Altar stehen. Nun kippt er die Asche aus dem Fässchen in ein tellerartiges Gefäß. Er besprengt sie mit Weihwasser und spricht vor der winzigen Gemeinde die alten Worte aus der Genesis: "Bedenke, Mensch, dass Du Staub bist und wieder zu Staub zurückkehren wirst." Einen Augenblick lang ist Don Manuel seltsam ergriffen, doch da steht schon die erste Dame aus der Gemeinde ungeduldig an der hölzernen Brüstung der Altarschranke. Don Manuel geht sieben Stufen hinab vom Altar, mit einem Tellerchen voll Asche. Sein Daumen ist vom Winter noch trocken und die Haut rissig. Er presst den Finger in die weiche Asche, schaut der Dame ins Gesicht, dass sie kurz lächelt und streicht ihr schließlich mit dem schwarzen Daumen die beiden Balken des Kreuzes auf die Stirn. Dabei wiederholt er das Wort aus dem Fünfrollenbuch, das im Ritus zur Formel geworden ist: "Bedenke, Mensch, dass Du Staub bist und wieder zu Staub zurückkehren wirst." Bei der nächsten Person wiederholt er das Prozedere: "Memento homo, quia pulveris es, et in pulverem reverteris." Und noch mal und noch mal bis die ganze Gemeinde aus der spanischen Provinz ein Kreuz auf der Stirn trägt. Nicht nur während der Frühmesse wird es dieses Aschekreuz spenden. Auch während des Tages suchen ihn Menschen aus dem Dorf auf: "Acuérdate de que eres polvo y al polvo volverás." Manchmal verspricht er sich, aber die Leute fasten trotzdem.
Ich persönlich weiß nicht, ob eine Kirche, die so viele Verbrechen und Sünden begangen hat, zur Umkehr auffordern darf. Ich möchte aber etwas über diese Formel sagen: "Bedenke, Mensch, dass Du Staub bist und wieder zu Staub zurückkehren wirst." Weil ich einen angeborenen Herzfehler habe, bin ich ziemlich oft nach Operationen aus den Narkosen auf der Intensivstation aufgewacht. Die Schmerzen sind furchtbar, aber furchtbarer ist der Anblick der geliebten Menschen, die um mich herum sind und in erschütternder Sorge sind. Jedes Mal bricht es mir das Herz gleich noch einmal. Und da ist es: Umkehr ist der Augenblick, indem du einsiehst, dir gewiss wird, dass andere deinetwegen leiden. Jedes Mal nehme ich mir dann in dieser Situation vor, ich werde besser und bewusster leben. Ich werde dafür sorgen, dass zwischen mir und diesen Menschen Heiterkeit, Sorglosigkeit und Liebe ist, dass ich nicht der Grund ihrer Schmerzen bin. Aber nach einer erschreckend kurzer Zeit, vergesse ich all meine Vorsätze und rauche eine Shisha oder ernähre mich schlecht, verpasse meine Arzttermine, bin ich grantig oder gemein usf.
Es ist gut, periodisch daran erinnert zu werden, dass man irgendwann einmal fort sein wird. Umso wertvoller erscheint mir angesichts dieser Einsicht, dass ich nicht allein auf der Welt bin und in Beziehungen mit anderen Menschen lebe.
Kurzum: Der Aschermittwoch, mit dem die vierzigtätige Buß- und Fastenzeit beginnt, ist ein wiederkehrendes Ritual, eine Erinnerung und Einschärfung – auch eine Relativierung unserer eigenen Ansprüche und aufgeblasenen Selbstbildnisse. Oder zumindest ihre Infragestellung. Es ist gut, periodisch daran erinnert zu werden, dass man irgendwann einmal fort sein wird. Umso wertvoller erscheint mir angesichts dieser Einsicht, dass ich nicht allein auf der Welt bin und in Beziehungen mit anderen Menschen und Gott lebe.
Da heuer am 14. Februar 2024 Aschermittwoch und Valentinstag zusammenfallen, werden in vielen Diözesen der Ascheritus mit der Ausgabe von Rosen für alle Liebende konkurrieren. Zumindest für diesen Aschermittwoch wünsche ich mir als Bilanz des Tages, dass mehr Menschen Hand in Hand mit Rosen als in Asche gehen.