Das Smartphone: nicht selten das Erste, was Menschen nach dem Aufwachen berühren. Es absorbiert Unmengen menschlicher Aufmerksamkeit, registriert geduldig im Hintergrund, was wir tun: unsere Wege, unseren Puls, Verweildauer. Es können Perioden und Schwangerschaften damit überwacht werden. Die sozialen Medien machen es zu einem Spiegel unserer Kontakte und einem klickbaren Museum unserer Selbstdarstellung. Suchleisten aller Art verwandeln das Smartphone zum Protokoll unserer Neugierde, unserer Ratlosigkeit, unseren instantanen sowie habituellen Haltungen und unseren Recherchen. Es ist verbunden mit unseren Uhren und Brillen, Haushaltsgeräten, dem Auto, der Fotovoltaikanlage oder der Bank.
Das Smartphone weiß mehr über uns als wir selbst, ist die intimste Intimsphäre. Marketingstrategen und Propagandisten verwenden dieses Wissen gegen uns selbst.
Das Smartphone ist Bezugspunkt für unsere narzisstischen Befriedigungen, der hochrechteckige Referenzrahmen unserer Welt- und Fremdwahrnehmungen. Es sozialisiert uns: Es ist Gestalterin unserer Gewohnheiten, Mutter unserer Gefühle. So wird das Gerät zum Vehikel für Manipulationen und Abhängigkeiten aller Art.
Doch jetzt kommt der Backlash. In Australien gilt seit Neuestem eine Altersbeschränkung für die Nutzung von sozialen Medien. Immer mehr Länder verbannen Handys aus der Schule. In Österreich wirbt die liberale Partei der NEOS, die sonst sehr für persönliche Verantwortung steht, für ein solches Verbot.
Selbst die ärgsten Tech-Bros im Kollar entdecken zunehmend den Wert darin, liturgische Räume als Sphären absoluter Präsenz, Mindfulness und Sammlung zu begreifen.
Existierte in der Pastoral und der Religionspädagogik während den 2010er-Jahren eine gewisse Tendenz dazu, das Smartphone zur progressiven It-Machine für bessere Konnektivität der Religion mit jungen Menschen zu stilisieren, mehren sich seit ein paar Jahren intensive Abkopplungsbewegungen. Selbst die ärgsten Tech-Bros im Kollar entdecken zunehmend den Wert darin, liturgische Räume als Sphären absoluter Präsenz, Mindfulness und Sammlung zu begreifen.
Christentum kann bedeuten, die scrollenden Capella Sistina in unseren Händen zu verlassen, um uns in eine liturgische Sphäre hineinzubegeben, die Präsenz und Antlitz verlangt, die davon lebt, die Unmittelbarkeit unserer Nächsten wahrzunehmen, die statt Vernetzung Begegnung ermöglicht. Dies bedeutet nicht, die Veränderung der Religion und der Wirklichkeitserfahrung durch Technologie zu leugnen.
Die Kirche weiß schon länger, dass Medien Wunderding und Dreckschleuder zugleich sind. Im Jahr 1963 lehrte das Zweite Vatikanische Konzil in seinem Dekret "Inter Mirifica" über die "sozialen Kommunikationsmittel", dass Medien mächtige Instrumente "zur Erholung und Bildung des Geistes" sind und ebenso der "Ausbreitung und Festigung des Gottesreiches" dienen können. Das Konzil weiß aber auch, dass "die Menschen diese technischen Erfindungen gegen Gottes Schöpfungsplan und zu ihrem eigenen Schaden missbrauchen können." Auf die Gegenwart bezogen heißt das: reflektiert konsumieren und kommunizieren!
Bereits vor einigen Jahren monierte Papst Franziskus die penetrante Nutzung von Telefonen bei Gottesdiensten im Vatikan. Während er Verständnis dafür zeigte, dass alle Menschen sicher von diesen Erfahrungen gerne ein Souvenir mitnehmen möchten, machte er darauf aufmerksam, dass ein Souvenir seinen Wert durch die Fülle einer korrespondierenden Erfahrung gewinnt: "Warum sagt der Priester bei den Feierlichkeiten an einem gewissen Punkt: Erhebet die Herzen? Er sagt nicht: Erhebt Eure Handys, um Fotos zu machen. Nein, das ist eine scheußliche Sache."