"Was soll schon los sein? Wir bauen einen Flughaften, sonst nichts," antwortet Monsignore Horan dem Reporter und fügt verschmitzt hinzu, "verraten Sie das aber niemandem bei der Luftfahrtbehörde in Dublin." Für seinen Fernsehauftritt in Soutane und Pellegrina herausgeputzt, steht der Geistliche umringt von Journalisten im Morast auf einer nebligen Anhöhe, nur zwanzig Kilometer vom westirischen Wallfahrtsort Knock entfernt.
Im Jahr 1981 erlebt Westirland eine extreme Landflucht. Größere Infrastrukturprojekte plant man hier nicht mehr. Im Umkreis von 70 Kilometern zählt die größte Stadt kaum 9.000 Einwohner. Die Straßen verlaufen einspurig. Die Zugverbindung zwischen Dublin und Westport schleppt.
Neben einer Marien- und Lammgotteserscheinung spielen in der Gründungslegende des Ireland West Airports, der im Jahr 2023 über 6.200 Flüge mit über 800.000 Passagieren abfertigte, auch der tüchtige Landpfarrer James Horan (1911-1986), der Papst, die NATO und Joe Biden tragende Rollen.
Diese sehr irische Erzählung zeigt, wie durch den Glauben eines Priesters an die Schönheit seiner Herkunft ein irischer Wallfahrtsort, Knock im County Mayo, zu einem Pilgerziel werden konnte, das heute zusammen mit Fatima, Lourdes, Santiago de Compostela oder Međugorje genannt wird.
Aus der Autobiografie eines einfachen Mannes
Horans Autobiografie, die der ehemalige Kommilitone aus der theologischen Hochschule in Maynooth, der Jesuit Micheál MacGréil kompilierte, gibt Einblicke in das Innenleben eines einfachgestrickten Mannes. Er war weder ein Zelot noch ein Reaktionär. Wenn er in den Sommerferien aus dem Seminar zurück in die Gaeltracht zurückkehrt, hilft er auf dem Hof. Er zählt zur ersten Generation, die fließend zweisprachig ist. Viele in der Region jedoch sprechen nur Irisch. In den Sommerferien freut er sich beim Heimatbesucht als Dorfgescheiter wahrgenommen zu werden: "Mein Großvater war eher fromm als gläubig," notiert Horan. Messen gab es damals nur drei Meilen entfernt. Irische Legenden hörte man nicht in der literarischen Bearbeitung von William Butler Yeats, sondern jedes Mal etwas anders bei gemeinschaftlicher Schlechtwetterarbeit im Haus.
Nützlich sein
Nach seinem Studium in Maynooth erhält er eine Pfarrstelle in Cloonfad, wo er eine Tanzhalle für junge Leute errichten lässt. Obwohl er fortschrittlich denkt, spielt das Konzil kaum eine Rolle für ihn. In den frühen Fünfzigerjahren reist er nach Paris, Mailand, Rom, Venedig und Genf: Überall nimmt er die exzessive Bautätigkeit der katholischen Gemeinden statt. Die Babyboomers werden raumgreifend. Es ist die Ära des wohligen Sichtbetons.
"Ich richtete all mein priesterliches Dasein nach der Vorsehung aus", heißt es in der Autobiografie. "Nie hätte ich um die Versetzung an diese oder jene Stelle gebeten. Ich beschwerte mich auch nie über das, was mir Gott auftrug, sondern versuchte mich mit Gottes Hilfe darauf vorzubereiten. Wenn ich aber einen Wunsch hätte äußern dürfen, dann hätte ich darum gebeten, in Knock zu wirken."
Und so kam es tatsächlich. Als Horan am 12. September 1963 die Stelle antritt, gilt die Gemeinde als hochproblematisch. Seine Vorgänger scheiterten. "Ich kannte Knock aus meiner Kindheit gut", heißt es in seinen Erinnerungen, "auch als Seminarist war ich oft an den Wallfahrtsort gekommen. Sooft Yankees aus Amerika nach Hause gekommen waren, brachten wir sie immer zum Schrein. Wir beteten dort zum Herrn und zu unserer Mutter um das, was wir brauchten. Meistens ging es sich auch aus. Also: Das heißt nicht, dass unsere Wünsche in Erfüllung gingen. Aber Gottes Wille geschah."
In Knock entwickelt Horan die Idee, die Wallfahrt in ein weitreichendes Infrastrukturprogramm für die Region einzubinden.
Sanfte Konturen
Zuerst modernisierte er die Kirche. Beim Bau selbst ist sich Horan bewusst, dass er mit minimalen Kosten ein Kirchengebäude schaffen muss, das 10.000 Personen fassen kann.
Auf die Lächerlichkeit, mit der sich damals der französische Staat oder die autokratischen Baubehörden in Jugoslawien ihre kostengünstigen Rohbetonbauwerke mit der philosophischen Grundierung eines Le Corbusier schönredeten, hätte sich in Irland niemals jemand verstiegen.
Zu keinem Zeitpunkt erliegen sie in Knock der Illusion, dass die Kirche aus Beton und Stahl eine revolutionäre Schönheit sei. "Ich achtete darauf", erinnert Horan sich, "dass wir zumindest bei der Garten- und Landschaftsgestaltung auf sanfte Konturen setzen, um die Augen der Gläubigen von der sehr gewöhnlichen Fassade aus Beton abzulenken."
Auf die Lächerlichkeit, mit der sich damals der französische Staat oder die autokratischen Baubehörden in Jugoslawien ihre kostengünstigen Rohbetonbauwerke mit der philosophischen Grundierung eines Le Corbusier schönredeten, hätte sich in Irland niemals jemand verstiegen.
Stattdessen, "um dem ganzen Schrein eine nationale Dimension zu geben", errichteten sie einen Umgang mit zweiunddreißig Granitsäulen. Auch den zinnoberroten und grauen Granit für den Hauptaltar der Basilika importierten sie aus dem County Wicklow (der Steinbruch befindet sich in Belmullet). Besonders schön sind Nachbildungen von mittelalterlichen Kirchenfenstern aus den vier Metropolien (Dublin, Cashel, Armagh und Tuam) – sprich aus der Republik Irland und Nordirland.
Johannes Paul II. kommt nach Knock
Frühester Höhepunkt für die Neubauten in Knock war der Papstbesuch von Johannes Paul II. am 30. September 1979, dem 450.000 Gläubige beiwohnten. Dass ausgerechnet hier die zentrale Messe stattfinden sollte, gilt gemeinhin als Erfolg des Ortspfarrers. Der Geistliche nutzt die nationale und internationale Aufmerksamkeit umgehend und startete eine Kampagne für den Flughafenbau.
Der Vorstoß stieß auf erbitterten Widerstand. Wofür braucht dieser sumpfige Landstrich einen Flughafen? Doch Horan lässt nicht locker und sichert von der Regierung 10 Millionen Pfund. Nach einem Regierungswechsel fällt dann die Hälfte der Finanzierung Kürzungen zum Opfer. Zeitweise wird der Flughafenbau nahe Knock in den Medien zu einem nationalen Symbol für Klüngelwirtschaft stilisiert. Das Projekt wird zum Politikum. Doch der charmante Monsignore Horan versteckt sich nicht hinter Ausreden und Beschwichtigungen, sondern nutzt die Aufmerksamkeit für seine Sache.
Vom Flughafen-Märtyrer zur öffentlichen Figur
So lanciert der findige Priester eine internationale Lotterie. Er selbst ordnet den Bau an und schließt Verträge, ohne zu wissen, wer die Rechnung übernimmt. Die Autobiografie zeigt, wie intensiv er involviert war. Der Geistliche nickte nicht nur Konzepte in Gremien ab. Schnell spießt die irische Presse ihn auf – stellt ihn als intrigant dar. Unerschrocken spielt der Geistliche diese Rolle mit, sodass bald auch die internationale Presse auf diesen merkwürdigen Streit um einen Airport in Westirland neugierig wird.
Im neoliberalen Umbau der Wirtschaft wirkt sein geistvoller Widerstand nicht trotzig, sondern visionär. Horan kämpft für den Anschluss seiner Heimat an die Welt.
Es folgen Porträts und Reportagen in Newsweek, Time Magazine, in der renommierten Fernsehshow Sixty Minutes von CBS und den New York Times. Der Struggle um den Flughafen wird so prominent, dass die Australier Monsignore Horan sogar zur Einweihung eines Regionalflughafens in Cairns, North Queensland einladen. Zunehmend mutiert der leutselige Priester aus Westirland zu einer öffentlichen Figur. Ein Pfarrer, der einen Flughafen für die Leute seiner Heimat und seinen geliebten Marienschrein bauen will: Das beflügelt die Imagination der Öffentlichkeit. Im neoliberalen Umbau der Wirtschaft wirkt sein geistvoller Widerstand nicht trotzig, sondern visionär. Horan kämpft für den Anschluss seiner Heimat an die Welt.
Als es gegen jeden Widerstand – und bei vollkommen unklarer Finanzierung – gelingt, eine Runway zu legen, die ausreichend lang ist, um sogar Jumbojets und Militärflugzeuge verkehren zu lassen, mehren sich die Spenden aus bis heute nicht ganz durchschaubaren Quellen – aus den USA, Kanada, auch aus Deutschland.
Heute unter den jüngsten Regionen Europas
Irgendwo schreibt Horan süffisant, "nachdem wir die Runway für alle Arten von Luftverkehr tüchtig gemacht haben, kamen die Spenden aus den USA nicht nur von Katholiken in Boston und New York." Was wohl so viel heißt: Mitten in der Reagan-Ära, die vom Mantra peace through strength geprägt war, erkannte man auch im Pentagon und der NATO in Brüssel, dass ein Netzwerk von sekundären Landebahnen im Bündnisfall nützlich sein könnte.
Kurz nach der Inbetriebnahme des Flughafens stirbt Msgr. James Horan im Jahr 1986. Beton war – in diesem Fall –wirklich ein guter Baustoff, um nicht nur Gläubige eine Wallfahrt zum Marienschrein in Knock zu ermöglichen. Vielmehr unterstützte das geistliche Projekt die Region wirtschaftlich auf eine gewaltige Weise. Blickt man auf einen aktuellen Bericht Western Development Commission für diese ländliche Region am Rande Europas, fällt auf, dass in der Zeitspanne von 1996 bis 2022 die Bevölkerung um 42 Prozent gestiegen ist. Die Region gehört, laut Eurostat, heute zu den jüngsten Teilen Europas mit den meisten Menschen unter 35. Wanderten bis 1980 die Menschen eher von Westirland aus, genießt die Region heute einen Zuzug, zum Beispiel hauptsächlich aus Polen, Brasilien, den baltischen Staaten und den USA. Das unterscheidet sie zum Beispiel vom Pensionisten-Eldorado Spanien oder Italien.
Prominente Besucher kennt Knock natürlich viele – zuletzt betete Joe Biden im April 2023 in der Apparition Chapel, um anschließend mit Air Force One vom Ireland West Airport zurück nach Washington, D.C. abzureisen.