Ein Tag am Meer, der mit einem spektakulären Sonnenuntergang endet, eine Bergwanderung mit einander abwechselnden überwältigenden Ausblicken, ein Besuch in einem der großen Museen dieser Welt: Es gibt einen Grad an Sättigung mit schönen Eindrücken, der beinahe schmerzhaft wird.
Das besondere Verhältnis zum Schönen, das wir Menschen haben, war bereits in der antiken Philosophie ein großes Thema. Dass das Schöne uns anzieht und materielle Schönheit dennoch nie ganz befriedigen kann: Dieser Gedanke findet sich schon in Platons "Gastmahl".
Auch philosophisch weniger Interessierte kennen vielleicht die Erfahrung, dass das Schöne verlockt und zugleich fast weh tut. So viele schöne Eindrücke, dass man sie nicht mehr verarbeiten kann. Oder die Sehnsucht, mit den Farben dieses Sonnenuntergangs zu verschmelzen, in diese Symphonie aufgenommen zu werden; nur, um zu spüren, dass das nicht möglich ist, dass die Schönheit uns nicht gehört; wir den Saum ihres Gewandes streifen, doch sie nicht festhalten können.
Als ich neulich für eine Vortragsreise einige Tage in einer tropischen Landschaft verbrachte, und wie übersättigt von schönen Eindrücken war, fiel mir ein Gedankengang von C.S. Lewis ein. Sein Essay "Das Gewicht der Herrlichkeit" ist der gehaltvollste Text über die Schönheit, den ich kenne. Er stellt die Frage, warum Schönheit uns einerseits so anzöge und andererseits geradezu schroff vor die Tür setze: nein, mit der glitzernden Weite des Ozeans kann auch die sehnsüchtige Seele nicht verschmelzen und die Geigenklänge verhallen, ohne uns Zuhörende dauerhaft in sich aufgenommen zu haben. Der Sonnenuntergang vergeht und wir bleiben im Dunkeln sitzend zurück. Das Schöne geht vorbei. Manchmal jedoch, so Lewis, kehre man an einen Ort früherer Begegnung mit der Schönheit zurück und fände ihn verändert. In der Erinnerung sah dieser Berg viel mächtiger aus, beim ersten Hören klang das Klavierstück noch viel bezaubernder. Nicht nur uns selbst scheint die Schönheit also nicht zu gehören, sondern selbst in den Orten und Dingen ist sie nicht fixierbar. Schönheit selbst ist Vorübergang.
Alle Lust will Ewigkeit, singt Zarathustra, doch die Ewigkeit ist für Nietzsche selbst nicht mehr verfügbar. Innerweltlich bleibt unser bittersüßes Verhältnis zur Schönheit stehen wie ein Zeichen, das auf nichts verweist. Denn am Ende alles Schönen steht der Tod, der Verfall, das Vergehen.
Geschaffene Schönheit erzählt von einer Quelle, die sie selbst nicht ist, so denkt der spätantike Neuplatonismus. So wie die seienden Dinge selbst nicht der Ursprung ihres Seins sind, sondern sich einem anderen Ursprung verdanken. Doch gibt es diese Quelle tatsächlich? Der Vorübergang der Schönheit kann wehmütig stimmen und zum Weltschmerz mutieren. Das Lebensgefühl Oscar Wildes und vieler großer Romantiker ist dort begründet. Alle Lust will Ewigkeit, singt Zarathustra, doch die Ewigkeit ist für Nietzsche selbst nicht mehr verfügbar. Innerweltlich bleibt unser bittersüßes Verhältnis zur Schönheit stehen wie ein Zeichen, das auf nichts verweist. Denn am Ende alles Schönen steht der Tod, der Verfall, das Vergehen.
Woher aber dennoch diese Sehnsucht und – vor allem – wozu? Es gäbe keinen Durst, wenn Wasser nicht existierte, meint Lewis. Ob es für unsere melodramatische Sehnsucht nach Schönheit auch solches ewiges Wasser gibt? Beweisen kann man das nicht. Beim Blick über manchen Sternenhimmel jedoch konnte ich ein tief aufsteigendes "Ja!" in mir nicht unterdrücken.