Aufrüstung in hundertfacher Milliardenhöhe, ein amerikanischer Präsident, der mit allen Konventionen bricht und die reale Frage, wie Europa eigentlich im Kriegsfall aufgestellt wäre: Die Schlagzeilen der letzten Wochen waren als Beruhigungsmittel wenig geeignet. In Verbindung mit den deutschen Wahlen und den turbulenten Koalitionsverhandlungen konnte man das Gefühl bekommen, die Welt verändere sich in kaum zu bewältigender Geschwindigkeit.
Tatsächlich: Wie ein einzelner Mensch die Flut an Nachrichten eigentlich für sich selbst bewältigen soll, darüber wird wenig nachgedacht. Die Beschleunigung des Informationsgeschehens im Zuge der Digitalisierung scheint davon auszugehen, dass auch die menschliche Fähigkeit zur inneren Verarbeitung immer weiter zunimmt; dem ist jedoch nicht so.
Gut informiert und auf der Höhe der Zeit zu sein, ist uns ein hoher Wert. Als kritisches Korrektiv mahnt dagegen Thomas von Kempen bereits im 15. Jahrhundert vor zu viel davon: "Seitdem du immer wieder Neuigkeiten zu hören begehrst, schleicht sich auch wieder mit ihnen Unfriede in dein Herz ein." Eine ganze Reihe von Kapiteln seiner "Nachfolge Christi" – immerhin das neben der Bibel wohl am weitesten verbreitete Buch der Christenheit – widmet sich der Versuchung, zu viel ins Außen zu streben und das Innen zu vernachlässigen. "Niemand hat eine sichere Freude, außer wer das Zeugnis eines wohlgeordneten Inneren hat", so Thomas.
Sind wir, die wir wortreich über den Frieden in der Welt diskutieren, innerlich eigentlich selbst im Frieden? Und ist die ständige und übermäßige Beschäftigung mit den "Nachrichten" tatsächlich so harmlos? Dass generelle Weltflucht keine Option ist, ist ebenso wahr wie, dass es ein solches Zuviel durchaus gibt.
Tatsächlich darf die Frage gestellt sein: Sind wir, die wir wortreich über den Frieden in der Welt diskutieren, innerlich eigentlich selbst im Frieden? Und ist die ständige und übermäßige Beschäftigung mit den "Nachrichten" tatsächlich so harmlos? Dass generelle Weltflucht keine Option ist, ist ebenso wahr wie, dass es ein solches Zuviel durchaus gibt.
Beim genaueren Hinsehen sind es menschliche Untugenden, die durch jene exzessive Beschäftigung mit dem immer Tagesaktuellen gefördert werden. Die Hoffnungslosigkeit, die vor lauter negativen Szenarien nicht mehr die positiven Möglichkeiten und eigenen Handlungsoptionen sieht. Die Versuchung, vorschnell und leichtfertig zu urteilen. Die Tendenz, andere zu beschuldigen und Gut und Böse trennscharf entlang der Demarkatioslinie der eigenen Meinung verortet zu wähnen. Die moralische Überheblichkeit, man selbst wisse und könne es im Zweifelsfall auch besser. Und schließlich: die Ablenkung von dem, was mir selbst heute zu tun aufgetragen ist.
Der größte Schatz
Es sind handfeste Tugenden, die diesen Versuchungen entgegenzusetzen sind. Tugenden, die allesamt in einem Zeitalter der Dauerinformation von wachsender Bedeutung sind. Tugenden, an die wir in dieser Fastenzeit besonders denken können. Anstelle der Ablenkung: die innere Einkehr, die Stille. Nicht Fortlaufen vor dem, was gerade wirklich da ist und wirklich meine Aufgabe ist. Anstelle des schnellen Urteils: die Beschäftigung mit den eigenen Anteilen am Übel in der Welt. "Buße" ist ein etwas aus der Mode gekommener Begriff, doch beschreibt etwas, das zeitgemäßer gar nicht sein könnte: die Bereitschaft, für das eigene Böse Verantwortung zu übernehmen und nicht ständig die Schuld beim anderen zu suchen. Die Welt würde ein besserer und friedlicherer Ort, wenn es mehr Buße gäbe. Anstelle der moralischen Überheblichkeit: Demut und das Bewusstsein um die Grenzen des eigenen Wissens. In Wahrheit ist fast alles etwas komplexer als es scheint. Wer seine eigene Begrenzung vor Augen hat, grenzt andere weniger leicht aus, wenn sie anderer Meinung sind.
Zuletzt: die Hoffnung. Neben den großen Schwestern Glaube und Liebe oft ein wenig unterbelichtet und nach Paulus doch etwas, das bleibt, wenn alles andere fällt (vgl. 1 Kor 13). Hoffnung: die Tugend, die sich weigert, in den Defätismus und in die Opferrolle zu fallen; die der Dauerempörung, dem Murren und dem Schwarzsehen wacker widersagt. In Zeiten des äußeren Chaos' gilt es, "das Zeugnis eines wohlgeordneten Inneren" als größten Schatz neu zu entdecken. Frieden nicht von dieser Welt verheißt Jesus uns im Evangelium. Er hätte ihn nicht verheißen müssen, wenn die Welt im Außen immer schon friedlich wäre. Ohne regelmäßigen Rückzug ins stille Innen wird der innere Frieden nicht einkehren. Eine Idee für die Fastenzeit 2025.