TerrorEuropa, das Christentum und der Islamismus

Die Vorbehalte gegen Zuwanderung aus dem muslimischen Kulturkreis haben eine Ursache: islamistische Gewalt. Die Wahrnehmung des Islam im Westen schwankt seit jeher zwischen Furcht und Faszination. Und die Debatte über das Verhältnis von Religion und Gewalt wird schon seit Jahrhundert geführt.

Ulrich Greiner
© privat

Gibt es generell einen Fremdenhass in diesem Land? Manche behaupten das. Man kann aber feststellen, dass Kroaten und Polen, Rumänen und Russen, die hier in nennenswerter Anzahl leben, zuweilen mit abschätzigen Reaktionen zu tun haben, jedoch nicht mit andauernder Feindseligkeit – ganz zu schweigen von Japanern, Italienern, Franzosen und vielen anderen Ausländern. Angenommen, Island müsste wegen eines Vulkanausbruchs evakuiert werden und alle Isländer müssten hier unterkommen – es wäre ein Problem, aber ein lösbares.

Nein, die Vorbehalte richten sich gegen Menschen "südländischen Aussehens", wie es in Polizeiberichten manchmal heißt, und damit sind Immigranten aus dem muslimischen Kulturkreis gemeint. Nun weiß jeder Stadtbewohner, dass die überwiegende Mehrzahl der Muslime freundliche Nachbarn sind und dass man beim türkischen Gemüsehändler an der Ecke oftmals bessere Ware kriegt als im Supermarkt.

Außerdem hat es wenig Sinn, generalisierend von "dem" Islam zu reden. Er kennt wohl ebenso viele Denominationen wie die Christenheit. Deshalb hat sich im Sprachgebrauch der Begriff "Islamismus" durchgesetzt. Eben den hat man zu fürchten gelernt. Bei Wikipedia kann man nachlesen: "Zwischen 1979 und 2019 sind weltweit mehr als 160.000 Menschen bei islamistischen Terroranschlägen ums Leben gekommen."

Islam und Islamismus

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Islam und Islamismus? Nach der Attacke gegen das französische Magazin "Charlie Hebdo" (Januar 2015) sagte der deutsche Innenminister Thomas de Maizière, sie habe mit dem Islam nichts zu tun. Die Kanzlerin Angela Merkel immerhin gab Zweifel an dieser Lesart zu erkennen und sagte: "Die Menschen fragen, wie man dem so oft gehörten Satz noch folgen kann, dass Mörder, die sich für ihre Taten auf den Islam berufen, nichts mit dem Islam zu tun haben sollen."

Die Verneigung vor dem Orient geht zurück auf das 18. Jahrhundert, als sich die Kritik an der antiaufklärerischen Kirche auch aus dem Gegenbild eines grandiosen und toleranten Islam speiste.

Die westliche Wahrnehmung des Islam hat immer zwischen Furcht und Faszination geschwankt. Die Verneigung vor dem Orient geht zurück auf das 18. Jahrhundert, als sich die Kritik an der antiaufklärerischen Kirche auch aus dem Gegenbild eines grandiosen und toleranten Islam speiste. Sie fand im 19. Jahrhundert ihren vorläufigen Höhepunkt. Man erinnere sich an die Orient-Mode in Malerei und Kunsthandwerk, an die Märchen (etwa Wilhelm Hauffs "Kalif Storch") oder an Goethes "West-östlichen Divan".

Goethe jedoch war nüchtern genug, um zu erkennen, dass die Kreuzzüge dazu beigetragen haben, die abendländische Kultur gegen die muslimische zu verteidigen: "Indessen bleiben wir allen aufgeregten Wall- und Kreuzfahrern zu Dank verpflichtet, da wir ihrem religiösen Enthusiasmus, ihrem kräftigen, unermüdlichen Widerstreit gegen östliches Zudringen doch eigentlich Beschützung und Erhaltung der gebildeten europäischen Zustände schuldig geworden."

Es führt zu nichts, die von Christen begangenen Grausamkeiten gegen die der Muslime aufzurechnen. Es hat sie massenhaft auf beiden Seiten gegeben. Auf christlicher Seite hat es immerhin nicht an Stimmen gefehlt, die deutlich gemacht haben, dass die Ermordung von Andersgläubigen und die gewaltsame Missionierung der christlichen Lehre widersprechen. So verurteilte Bartolomé de Las Casas Mitte des 16. Jahrhunderts die Exzesse der spanischen Konquistadoren: den Völkermord an den Indios und ihre Zwangsbekehrung.

Benedikt XVI. über die Grundlagen Europas

Benedikt XVI. hat das Thema Religion und Gewalt in seiner Regensburger Rede aufgegriffen. Er zitiert dort aus einem Gespräch zwischen dem byzantinischen Kaiser Manuel II. und einem persischen Gelehrten. Der Kaiser habe sich in einer, wie Benedikt vermerkt, "erstaunlich schroffen" Form an seinen Gesprächspartner gewendet und gesagt: "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten". Der Kaiser habe dann eingehend begründet, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig sei. Sie stehe im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele.

Damals, 2006, als Benedikt diese Rede hielt, herrschte allgemein die Furcht, als islamophob zu gelten, zumal bekannt war, dass die Muslime auf Kränkungen empfindlicher reagierten als die Christen, die infolge langer Übung Blasphemien leichter abschüttelten. So beeilte sich also der Vatikan, der Welt mitzuteilen, der Papst habe niemanden verletzen wollen.

Der jedenfalls hatte in seiner Rede auf den Zusammenhang von griechischer Philosophie und christlichem Glauben aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, "dass das Christentum trotz seines Ursprungs und wichtiger Entfaltungen im Orient schließlich seine geschichtlich entscheidende Prägung in Europa gefunden hat. Wir können auch umgekehrt sagen: Diese Begegnung, zu der dann noch das Erbe Roms hinzutritt, hat Europa geschaffen und bleibt die Grundlage dessen, was man mit Recht Europa nennen kann."

Ich frage mich, ob das noch zutrifft.

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