Licht und FinsternisFreud, C.S. Lewis und die Frage nach dem Bösen

Im Film "Freud – Jenseits des Glaubens" diskutiert Sigmund Freud mit C.S. Lewis über Gott. Am Rande taucht auch J.R.R. Tolkien auf. Daraus hätte man mehr machen können!

Der Herr der Ringe
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Der englische Film "Freud – Jenseits des Glaubens" ("Freud's Last Session"), der kürzlich in die deutschen Kinos gekommen ist, schildert eine fiktive Begegnung zwischen Sigmund Freud und C.S. Lewis. Wir schreiben das Jahr 1939. London wird Opfer der deutschen Luftangriffe, Freud ist mit knapper Not den Nachstellungen der Nazis entkommen und hat hier eine komfortable Bleibe gefunden. Auf seine Einladung hin besucht ihn der in Oxford lebende Professor C.S. Lewis. Der einstige Atheist hat sich dem Christentum zugewandt und einige Bücher über seine Konversion veröffentlicht. Daran scheint Freud interessiert.

Die beiden Herren kommen miteinander ins Gespräch und diskutieren immer leidenschaftlicher die Frage nach Gott. Freud hält ihn für eine infantile menschliche Erfindung. Voller Trauer und Zorn erwähnt er den Tod seiner Tochter Sophie, die der Spanischen Grippe erlag, und den Tod seines kleinen Enkelsohns, der an Tuberkulose starb. Wie kann Gott, wenn es ihn gibt, so viel Leid zulassen? Und wie kann es sein, dass der von ihm geschaffene Mensch sich immer sichtbarer als Bestie erweist?

C.S. Lewis repliziert: Der Mensch sei frei, er habe die Macht, zwischen Gut und Böse zu wählen, und nur, weil er frei sei, sei seine Liebe zum Nächsten etwas wert – und damit auch seine Liebe zu Gott. Da aber viele Menschen dazu neigten, sich für das Böse zu entscheiden, sei die Welt voller Hass. Deshalb herrsche überall Krieg.

Leider verlässt der Film allzu schnell die Theodizee-Debatte und verzettelt sich in biografische Details.

Der Zuschauer folgt dem Streit mit einigem Interesse, zumal er von zwei starken Darstellern präsentiert wird: von Matthew Goode, der den Lewis verkörpert, und von dem wahrhaft grandiosen Anthony Hopkins. Natürlich kann man fragen, ob der alte Freud wirklich so aggressiv war und ob er tatsächlich so viel Morphium konsumiert hat, wie hier gezeigt wird, aber wir haben es nicht mit einer Dokumentation zu tun, sondern mit einem Spielfilm, der sich einige Freiheiten nimmt.

Leider verlässt der Film allzu schnell die Theodizee-Debatte und verzettelt sich in biografische Details, darunter der geplante Suizid des krebskranken Freud einerseits sowie die übergroße Nähe zu seiner Tochter Anna; andererseits das Kriegstrauma, an dem Lewis leidet, sowie der Kreis der "Inklings", den er gegründet hatte. Einmal sieht man ihn an der Seite von Tolkien durchs Unterholz stapfen. Auch dieser war Mitglied der "Inklings", eines Stammtischs, der sich regelmäßig in einer Oxforder Kneipe traf.

Dieses historische Faktum finde ich interessant. Es wird zwar in dem Film erwähnt, doch er macht nichts daraus. Die "Inklings" waren christlich inspiriert, und einige waren katholisch. Man las einander Texte vor und kritisierte sie. Lewis etwa gab Beispiele aus seinen erfolgreichen "Chroniken von Narnia" zum Besten, die den Versuch unternahmen, christliche Motive in eine Science-Fiction-Welt zu übersetzen. Tolkien bemängelte, dass Lewis zu freihändig in die Fantasy-Kiste gegriffen habe. Er selbst trug sich mit der Idee, die Atlantis-Sage mit der Welt nordischer Mythen zu verbinden. Daraus ist dann viele Jahre später (1954/55) der bahnbrechende Roman "Der Herr der Ringe" geworden.

Der überzeugte Katholik Tolkien hat sich immer gegen eine christliche Lesart seines Buchs gewehrt. Das leuchtet insofern ein, als die Geschichte in einer vorchristlichen Zeit spielt. Im Zeitalter von "Mittelerde", wie Tolkien es nennt, sind die Menschen nur eine Minderheit unter anderen intelligenten Lebewesen. Sie sind umgeben von Zwergen und Elben, von Zauberern und Riesen in der Gestalt von Bäumen, und natürlich von den Hobbits, den "Halblingen", die beim Kampf gegen den Gewaltherrscher Sauron die entscheidende Rolle spielen.

"Der Herr der Ringe" beantwortet die Frage nach der Theodizee auf seine eigene Weise.

Und doch spielt der christliche Erlösungsgedanke eine Rolle. Als der Zauberer Gandalf die Gefährten, die den Ringträger Frodo bei seiner Reise zum Schicksalsberg begleiten, durch die Unterwelt von Moria führt, gerät er in einen tödlichen Kampf mit dem Herrn der Finsternis und stürzt hinab in das Reich des Todes, um als Lichtgestalt wieder aufzuerstehen. Und ist nicht Sam, Frodos treuester Freund, der allen Versuchungen widersagt, der sich selbst aufopfert und Sauron durch seine selbstlose Liebe zu besiegen hilft, ein Vorläufer von Jesus?

"Der Herr der Ringe" beantwortet die Frage nach der Theodizee auf seine eigene Weise: Das Reich des Bösen und das Reich der himmlischen Mächte – sie liegen in einem ewigen Kampf miteinander, dessen Ausgang nicht sicher ist. Das ist gnostisch gedacht, nicht christlich. Tolkien war sich dessen bewusst, und vermutlich deshalb hat er seine Geschichte in einer Zeit vor aller Zeit angesiedelt.

Der Film legt nahe, dass Freud wusste, wer Tolkien war. Hätten die beiden einander getroffen, dann hätte der wirkliche Freud seine Religionskritik sicherlich besser begründet als der Film-Freud.

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