Bei der Inauguration von Donald Trump musste ich an einen alten Film denken, der mich seinerzeit sehr beeindruckt hatte: "Die Truman Show" aus dem Jahr 1998. Grund dafür war zunächst die Klangähnlichkeit von Trump und Truman. Doch da war noch viel mehr.
Die Geschichte spielt in der amerikanischen Kleinstadt Seahaven und schildert den Alltag des etwa 30-jährigen Angestellten Truman Burbank. Er führt ein weitgehend sorgloses Leben. Das Städtchen ist hübsch, die Einfamilienhäuser sind gepflegt, der Rasen im Vorgarten ist geschnitten, die Menschen sind freundlich und zufrieden, Kriminalität ist selten, Truman hat eine nette Ehefrau und einen sicheren Arbeitsplatz. Kurz: Wir befinden uns im amerikanischen Traum.
Der Witz ist nur, dass dieser Traum die Fiktion einer weltweit erfolgreichen Fernsehserie ist. Unter all den Autofahrern, Zeitungsverkäufern, Bankangestellten, Fußgängern, die die Stadt bevölkern, unter all diesen scheinbar ganz normalen Mitbürgern ist Truman der Einzige, der nicht weiß, was hier gespielt wird: Er ist der unwissende, der naive Star einer Show – hervorragend dargestellt von Jim Carrey. Alle anderen sind angestellte Schauspieler, Statisten und Hilfskräfte, die das Leben in einer Kleinstadt nur simulieren.
Truman, Produkt einer unerwünschten Schwangerschaft und schon als Baby von der Fernsehgesellschaft adoptiert, ist in dieser Scheinwelt aufgewachsen, er kennt nichts anderes. Erst allmählich wird er misstrauisch und begreift, dass irgendetwas nicht stimmt. Das fällt ihm auf, als eines Tages direkt hinter ihm ein Scheinwerfer auf die Straße stürzt – einer von den hunderten Strahlern, die nachts den Sternenhimmel vortäuschen. Truman beginnt, das Spiel, das mit ihm gespielt wird, zu durchschauen. Der Film erzählt die Geschichte dieses Erwachens.
Auch der Zuschauer wird nach und nach über die Hintergründe informiert. Und hier nun wird der Erfinder und Regisseur der Show immer sichtbarer. Er trägt den simplen Namen Christof. Ed Harris verkörpert ihn. Christof versucht mit allen Mitteln, Truman von einer Flucht abzuhalten. Als dieser mit einem Segelboot die Stadt verlässt, schickt Christof einen schweren Sturm, der das Boot fast zum Kentern bringt. Aber es liegt nicht in seinem Interesse, dass Truman ertrinkt, und so lässt er die Sonne wieder scheinen.
Im letzten Bild sehen wir, wie Truman mit seinem Boot gegen den aufgemalten Horizont stößt und die Pappe zerreißt. Er findet den Notausgang. Doch bevor er entschwindet, redet ihm Christof ins Gewissen. Er habe ihn von Geburt an begleitet. "Ich war dabei, als du deine ersten Zähne gekriegt hast!" Und er warnt ihn vor den Risiken der Freiheit. Hier in Seahaven gehe es ihm gut, während die wirkliche Welt voller Gefahren sei. Doch Truman hat den Geschmack der Freiheit auf der Zunge und wendet seinem Schöpfer den Rücken zu.
Christof ist ein Pantokrator, ein Weltenherrscher, auch wenn die Welt, die er beherrscht, nur aus dem kleinen Seahaven besteht, auch wenn die Macht, die er sich angeeignet hat, in dem Augenblick erlischt, in dem sein Geschöpf die Freiheit wählt.
Christof ist wahrhaft der Schöpfer Trumans. Christof ist der Gott, der ihn erfunden, der alle seine Wege vorherbestimmt hat. Wir sehen ihn in Großaufnahme am Regiepult, sehen, wie er die Choreografie der scheinbaren Mitbürger dirigiert, wie er das Wetter macht und das Schicksal seines Helden bis ins Detail steuert. Er ist ein Pantokrator, ein Weltenherrscher, auch wenn die Welt, die er beherrscht, nur aus dem kleinen Seahaven besteht, auch wenn die Macht, die er sich angeeignet hat, in dem Augenblick erlischt, in dem sein Geschöpf die Freiheit wählt.
Die politische Ursünde: So sein wollen, wie Gott
Die Verlockung, Gott zu spielen und letztendlich Gott zu sein, scheint so groß, dass ihr im Verlauf der Geschichte viele Könige und Präsidenten erlegen sind, ganz zu schweigen von den Gewaltherrschern, die ihre Untertanen nur als Mittel ihrer Machtentfaltung betrachtet haben und immerzu betrachten.
Wenn Trump sich über dem Gesetz wähnt und die Gewaltenteilung verachtet, wenn er sich herausnimmt, aus eigener Machtvollkommenheit zu bestimmen, was Recht oder Unrecht sei, dann maßt er sich gottähnliche Eigenschaften an.
Trump ist kein Gewaltherrscher, doch wenn er sich über dem Gesetz wähnt und die Gewaltenteilung verachtet, wenn er sich herausnimmt, aus eigener Machtvollkommenheit zu bestimmen, was Recht oder Unrecht sei, dann maßt er sich gottähnliche Eigenschaften an. Scheitern kann er nur, wenn sich diejenigen, die er für seine Geschöpfe hält, ihrer Freiheit bewusst werden und sich wie Truman aus dem Staub machen. In seinem Fall handelt es sich nicht allein um Mut, der ihn rebellieren lässt. Der wahre Grund ist: Er hat sich in eine Statistin verliebt, die ihn auf die Spur des gigantischen Betrugs bringt. Deshalb wurde sie entlassen. Doch die Liebe ist stärker als die Regie des herrschsüchtigen Christof. So endet der Film, wie es sich für eine amerikanische Produktion gehört, überaus tröstlich.
"Die Truman Show", nunmehr 27 Jahre alt, war seinerzeit sehr erfolgreich. Ihre prognostische Qualität ist erstaunlich, zumal Trump gelegentlich den Eindruck erweckte, seine Inszenierungen seien eine gesteigerte Fortsetzung der "Truman Show".