Bis keiner mehr hingucktWas haben Katholische Akademien eigentlich noch zu bieten?

Katholische Akademien erheben einen hohen Bildungsanspruch. Doch werden sie ihm gerade in ihrem Kernbereich, der christlichen Bildung, eigentlich gerecht? Eine Spurensuche.

Leere Stuhlreihen
© Pixabay

Wie peinlich ist es den Katholiken, katholisch zu sein? Ich rede von den Katholischen Akademien. Es gibt in Deutschland vierundzwanzig, und schon häufiger habe ich mich gefragt, wofür sie eigentlich gut sind.

Vor mehr als einem Jahr erhielt ich die Grußkarte der Katholischen Akademie Hamburg. Man wünschte mir "ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr". Das Schwarz-Weiß-Foto zeigte einen älteren Mann mit Schiebermütze, der eben dabei war, eine Marienfigur auf die Pritsche seines kleinen Transporters zu hieven, wo allerhand Gerümpel lag. Die Madonna war ziemlich lädiert, ihre Arme abgebrochen und die Farbe ihres weißen Gewandes blätterte ab. Das Bild zeige, so las ich auf der Rückseite, "dass Gott gerade auch in den schwersten Zeiten unter uns ist, im Schlamm und im Schmutz." Das kann schon sein, dachte ich, aber ist Gott nicht auch in den großen Kunstwerken unter uns? Ist man der Bilder von der Geburt Jesu, von den Hirten auf dem Felde, von den Heiligen Drei Königen endlich überdrüssig? Soll uns nicht mehr der Engel des Herrn trösten, sondern ein Trödler vom Flohmarkt?

Zum 50-jährigen Bestehen der Hamburger Akademie ist jetzt eine Festschrift erschienen. Sie trägt den vermutlich ironischen Titel "Katholisch? Ach, Gott". Man habe, so heißt es im Vorwort, "positive Blicke gesammelt, Blicke auf Werte und Überzeugungen, die uns heute und morgen tragen können. Dabei entsteht kein geschlossenes Weltbild, schon gar nicht ein 'streng katholisches'". Ich frage mich, was die Anführungszeichen bei "streng katholisch" bedeuten sollen. Ist das auch ironisch?

Da staunt der Atheist und der Christ wundert sich

Auf den 128 ansprechend gestalteten Seiten finden sich Beiträge von Protestanten und Agnostikern, von Schriftstellern, Journalisten und irgendwie seelisch umgetriebenen Zeitgenossen. Auch ein paar Katholiken sind dabei. In den Texten ist viel von "Werten" die Rede, von "Zwiegespräch" und "Haltung", von Gott höchst selten, von Jesus so gut wie gar nicht. Man muss allerdings hinzufügen, dass sich die Hamburger Katholiken immer Mühe gegeben haben, von den Protestanten, die das Wort "Gott" gerne vermeiden, ununterscheidbar zu sein.

Betrachten wir zum Vergleich das eben publizierte Halbjahresprogramm der Katholischen Akademie in Frankfurt am Main. Das Leitthema heißt "Orientierungen". Man habe absichtlich den Plural gewählt, so steht es im Vorwort, weil es mehr als nur eine Orientierung geben müsse. "Wir Christen und Christinnen folgen nicht einfach einem Dogma oder einer ein für allemal geoffenbarten Schrift." Da staunt der Atheist und der Christ wundert sich. Dieser findet einen kleinen Trost in dem erläuternden Zusatz, wir "Christen und Christinnen" folgten "einem Menschen, der von sich gesagt hat: 'Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.'" Wie dieser Mensch geheißen hat und ob man seiner Behauptung trauen darf, bleibt offen.

Natürlich kann man das alles machen, es schadet nichts. Nur frage ich mich, wo das Christliche – vom spezifisch Katholischen gar nicht zu reden – am Ende bleibt.

Das Frankfurter Programm bietet auf 56 Seiten Veranstaltungen zu Stalinismus und Antisemitismus, über Kant und über Hegel, außerdem Einblicke ins Judentum und in den Islam nebst einem "buddhistisch-christlichen Dialogforum". Spannend wird vermutlich ein "Gesprächsabend" mit dem Titel "Warum wir aufhören sollten, auf Stühlen zu sitzen". Das Sitzen, habe ich neulich irgendwo gelesen, sei das neue Rauchen, und ich begrüße es, dass die Katholische Akademie in Frankfurt auch hier präventiv mit dabei ist.

Natürlich kann man das alles machen, es schadet nichts. Nur frage ich mich, wo das Christliche – vom spezifisch Katholischen gar nicht zu reden – am Ende bleibt. Es könnte immerhin sein, dass die übrigen 22 Akademien genau das Programm machen, das mir fehlt.

Bloß keinen Anstoß erregen

Mir fehlen zum Beispiel Anleitungen zur Lektüre der Bibel. Ist sie nicht eines der größten Wunderwerke? Und ist nicht die Liturgie ebenfalls ein Wunderwerk? Ein durchaus erläuterungsbedürftiges, trotz oder wegen der Reformen. Wer das Requiem für die Königin Elisabeth II. verfolgt hat, konnte erleben, mit welcher Inbrunst die anglikanische Kirche an liturgischen Traditionen festhält. Die "Häresie der Formlosigkeit", die Martin Mosebach vor mehr als zwanzig Jahren beklagt hat, ist ja keineswegs überstanden. Darüber könnte man in den Akademien streiten und den Sinn der Liturgie, der keineswegs allen Kirchgängern bewusst ist, erklärend vergegenwärtigen.

Sie wollen mitschwingen im allgemeinen Diskurs. Sie schwingen so lange mit, bis keiner mehr hinguckt.

Mag sein, dass ich die verdienstvolle Arbeit der katholischen Akademien unterschätze. Es geht mir auch gar nicht um das Katholische allein. Die christliche Botschaft ist derart grandios und zugleich unglaublich – von der Jungfräulichkeit Mariens bis hin zu Kreuzigung und Auferstehung –, dass man sie kaum begreifen kann. Der englische Schriftsteller G. K. Chesterton hat sich für die christlichen Paradoxien unermüdlich begeistert. Sie scheinen manche Akademien derart zu irritieren, dass sie einen Bogen darum machen. Sie wollen keinen Anstoß erregen. Sie wollen mitschwingen im allgemeinen Diskurs. Sie schwingen so lange mit, bis keiner mehr hinguckt.

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