Mailand, 23. März 1919: Auf der Piazza San Sepolcro vollzieht sich ein Ereignis von historischer Tragweite. Benito Mussolini, Journalist, charismatischer Redner und nun ehemaliger Sozialist, gründet die "Fasci italiani di combattimento". Diese Organisation wird zum Keim einer Bewegung, die Italien in den kommenden Jahren grundlegend verändern wird. Die Gründung erfolgt in einer Zeit politischer Zerrissenheit. Während das Königreich Italien, einst Verbündeter des österreichisch-ungarischen und deutschen Kaiserreichs, sowie die italienische Leitung der Sozialistischen Partei im Ersten Weltkrieg für Neutralität plädierten, positioniert sich Mussolinis neue nationalistische Gruppierung klar interventionistisch. Die "Fasci" rekrutieren ihre Anhänger hauptsächlich aus den Reihen der Kriegsveteranen, gesellschaftlichen Außenseiter und jener Bürger, die dem Neutralitätskurs der Sozialistischen Partei skeptisch gegenüberstehen. Sie kämpfen auf der politischen Bühne Italiens um Anerkennung und Einfluss.
Während der italienische Literat Gabriele D’Annunzio am 12. September in einer aufsehenerregenden Aktion mit etwa 2500 Freiwilligen, die sogenannten "Arditi", die Stadt Fiume besetzt, beschränkt sich die Italianisierungspolitik der "Fasci mussoliniani" jedoch auf vereinzelte gewalttätige Aktionen, die aufs Ganze gesehen wirkungslos bleiben. Ihre Wahlniederlage im November 1919, bei der die Sozialistische Partei Italiens triumphiert und Mussolini kurzzeitig inhaftiert wird, scheint das Ende der faschistischen Bewegung zu besiegeln, die landesweit auf nur 800 Mitglieder geschrumpft ist.
Der künftige Duce, aus dem Gefängnis entlassen und scheinbar geschlagen, überlegt sogar, die Politik aufzugeben und sich wieder seiner journalistischen Tätigkeit zu widmen. Doch dann ergibt sich eine unerwartete Wendung: Die von den Sozialisten ausgerufenen Arbeiterstreiks, die das Land lahmlegen, veranlassen die Großgrundbesitzer und Industriellen, die Unterstützung der "Fasci" zu suchen, um die Ordnung gewaltsam wiederherzustellen.
Mussolinis Aufstieg markierte den Beginn einer neuen, dunklen Ära in der italienischen Geschichte.
Mussolini, der einen bemerkenswerten Opportunismus zeigt und sich der blindwütigen Hingabe der Massen bewusst ist (er hatte unter anderem Gustave Le Bons "La Psychologie des foules" gelesen), nutzt die Gelegenheit, den Faschismus von einer ursprünglich die Arbeiterklasse unterstützenden Bewegung in eine antibolschewistische Kraft umzuwandeln, die nun die Interessen der Bourgeoisie und der Industriellen vertritt. Diese ideologische Kehrtwende erwies sich für seine politische Karriere als entscheidend. Mit der Unterstützung einflussreicher Wirtschaftskreise und der stillschweigenden Duldung durch die Monarchie gelang es nämlich Mussolini, politischen Einfluss im Parlament zu gewinnen. Am 28. Oktober 1922 führte er den berühmten "Marsch auf Rom" an, der ihm schließlich den Weg zur Macht ebnete. Mussolinis Aufstieg markierte den Beginn einer neuen, dunklen Ära in der italienischen Geschichte.
Dies ist die Handlung der ersten Folgen der Miniserie "M – Der Sohn des Jahrhunderts" (Sky Studios), die auf dem gleichnamigen internationalen Bestseller von Antonio Scurati basiert. Dem ersten Historienroman folgen vier weitere Bände, die in Zukunft ebenfalls verfilmt werden könnten: "M. L’uomo della provvidenza" (2020), "M. Gli ultimi giorni dell’Europa" (2022) und "M. L’ora del destino" (2024). Zum Abschluss der Reihe wird am 25. April dieses Jahres – dem Geburtstag der italienischen Republik – der abschließende fünfte Band über das "Erbe" Mussolinis erscheinen.
Die Serie bewahrt die historische Authentizität des Buches von Scurati und adaptiert das Originalmaterial in beeindruckender Weise für die Sprache des Fernsehens.
Die Serie ist schon deshalb bemerkenswert, weil Mussolini bislang, im Gegensatz zu Adolf Hitler, nur selten Protagonist von großen Film- und Fernsehproduktionen war. Sie bewahrt die historische Authentizität des Buches von Scurati und adaptiert das Originalmaterial in beeindruckender Weise für die Sprache des Fernsehens. Fotografie, Musik, Kostüme und Dialoge sind großartig, die schauspielerische Leistung des Protagonisten Luca Marinelli ist fantastisch.
Eine Besonderheit der Serie ist die direkte Ansprache Mussolinis an die Zuschauer, während Mussolini in Scuratis Roman nur zu Beginn und am Ende in der ersten Person zu Wort kommt. Wer Frank Underwood (Kevin Spacey), den Protagonisten der bekannten Serie House of Cards, kennt, weiß um die Wirkung dieses erzählerischen Mittels: Es schafft eine emotionale Beteiligung des Publikums, wobei gleichzeitig eine kritische Distanz zu den Handlungen des Protagonisten gewahrt bleibt.
Die Autoren haben Mussolini ein anachronistisches "Make Italy great again" in den Mund gelegt – ein allzu deutlicher Bezug auf aktuelle politische Ereignisse.
Zweifellos beeinflussen sich, wie Elias Canetti feststellte, Massendynamik und Machtstrukturen gegenseitig, und es ist möglich, im Phänomen des Populismus zeit- und raumübergreifende Konstanten zu erkennen: Der Faschismus präsentierte sich als reinigende Kraft im politischen System und versprach, die nationale Identität zu schützen und zu stärken. Er zögerte nicht, Gewalt anzuwenden, religiöse Institutionen zu manipulieren und sogar zu instrumentalisieren, um die eigene Macht zu festigen, obwohl Mussolini persönlich der Kirche und dem Glauben skeptisch gegenüberstand (was er unter anderem in seinem Pamphlet "L’uomo e la divinità" von 1904 auch zum Ausdruck brachte, in dem er die christliche Moral als "abscheulich" bezeichnete und damit Motive aus der Philosophie Nietzsches aufgriff).
Doch setzt man weit auseinanderliegende historische Phänomene durch Schlagworte gleich, besteht die Gefahr, dass wichtige Unterschiede verwischt werden: Der Satz "Make America great again" hat Voraussetzungen, die nicht diejenigen der Zeit des italienischen Faschismus sind.
Faschistische Symbolik ist nie aus der italienischen Gesellschaft verschwunden.
Damit soll nicht gesagt sein, dass sich aus der Auseinandersetzung mit der Figur Mussolinis keine wichtigen Fragen für die Gegenwart ergeben, zumal die Schockwellen der faschistischen Epoche sich bis heute durch das politische und soziale Gefüge Italien ziehen. Faschistische Symbolik ist nie aus der italienischen Gesellschaft verschwunden. Man denke nur an die Memorabiliensammlung des aktuellen Senatspräsidenten Ignazio La Russa.
Im Laufe der Handlung wird der Zuschauer Zeuge einer tonalen Metamorphose: Die komödienhafte Leichtigkeit der ersten Episoden weicht allmählich dunkleren Tönen und steuert auf eine Tragödie – oder vielleicht eine Tragikomödie – zu, die dem Zuschauer den Trost der Katharsis (sei es durch Lachen oder Weinen) verweigert.
Aus der Geschichte lernen
In einer Zeit, in der die faschistische Vergangenheit Italiens immer noch lange Schatten auf die aktuellen politischen Debatten wirft und ein Großteil der öffentlichen Meinung im Land nach wie vor die sozialen Errungenschaften des Faschismus preist, wirkt diese Serie wie eine Brücke zwischen den Generationen, eine Einladung, die Zeit des Faschismus besser zu verstehen und sich mit ihr auseinanderzusetzen.
Sie ist eine eindringliche Erinnerung daran, dass die Geschichte, wenn sie nicht genau studiert und hinterfragt wird, sich zu wiederholen droht. Denn "faschistisch" zu sein – also nationalistisch, fremdenfeindlich, unkritisch urteilend, opportunistisch, gewalttätig – bedarf in Wahrheit nur geringer Anstrengung; das Gegenteil hingegen erfordert erhebliche Stärke.