Das Stück von Hofmannsthal zeigt, dass der gnadenlose Kreislauf des Geldes durchkreuzt wird durch eine Theologie des wunderbaren Tausches. In der Ökonomie der Gnade ist der reuige Sünder nicht verloren.

Geld – wir sollten es besitzen, aber wie schnell besitzt es uns! Das ist die Dialektik des Mammon. Geld macht frei von Armut und der Sorge um das tägliche Auskommen. Das ist ein Vorzug. Geld kann aber auch abhängig machen. Man will mehr und immer mehr davon. Das ist ein Nachteil. Schon der Psalmist warnt: "Wenn der Reichtum auch wächst, so verliert doch nicht euer Herz an ihn!" (Ps 62,11). Die Unabhängigkeit durch Reichtum wird wieder verspielt, wenn materielle Obsessionen das Denken bestimmen. Es gibt Hyperreiche, die mitleidlos sind und die Aura sozialer Kälte verbreiten.

Hugo von Hofmannsthals Stück "Jedermann" (1911) ist Ausdruck eines wachsenden Unbehagens am Materialismus. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes wird seit 1920 jedes Jahr bei den Salzburger Festspielen aufgeführt. Es zeigt, wie Geldbesessenheit und Gottesvergessenheit zusammengehen können, ohne moralisierende Töne anzuschlagen. Der plötzliche Einbruch des Todes und die damit verbundene Flüchtigkeit von Glanz und Glamour werden in diesem Jahr von Regisseur Robert Carsen vor der Kulisse des Salzburger Domes inszeniert. Der Spielansager ruft zu Beginn dem Auditorium zu, aus dem "Inhalt" des Stücks die "Lehr" zu ziehen. Die aber ist vielschichtig. Es geht nicht nur um die Unausweichlichkeit des Todes, sondern auch um den Sog des Geldes, die Vergnügungssucht und Transzendenzvergessenheit. Und schließlich auch um die Rettung einer verlorenen Seele … Gott beauftragt den Tod, Jedermann zum Gericht vorzuladen. Robert Carsen lässt Gott nicht sichtbar auf seinem Thron auftreten, wie es die Regieanweisung vorsieht. Das ist klug und entspricht dem biblischen Bilderverbot. Er verlegt den göttlichen Auftrag in die Rede des Todes, der dem Publikum berichtet, von wem er den Befehl erhalten hat, warum und zu wem er gesandt ist.

Jedermann – überzeugend gespielt von Philipp Hochmair – steht in der Mitte des Lebens, er gehört zu den Schönen und Reichen. Er hat ein großes Haus und viele Diener. In einem vergoldeten Mercedes-Cabrio will er gerade aufbrechen, um mit seinem "guten Gesell" einen Lustgarten zu erwerben. Doch es kommt etwas dazwischen. Sein ehemaliger Nachbar, der in die Armut abgerutscht ist, fleht ihn an, den Geldkoffer, den er zum Kauf des Grundstücks bei sich hat, brüderlich mit ihm zu teilen. Doch das schlägt Jedermann aus und belehrt ihn: "Mein Geld muß für mich werken und laufen, / Mit Tod und Teufel hart sich raufen, / Weit reisen und auf Zins ausliegen, / Damit ich soll, was mir zusteht, kriegen." Mit einer Münze speist er den lästigen Nachbarn ab. Der gute Gesell aber ergötzt sich an der kalten Abfertigung.

Dann kommt ein Schuldknecht, der von Bütteln in den Schuldturm abgeführt wird. Er hat Kredite aufgenommen, die er nicht bezahlen kann. In Salzburg wird der Schuldknecht zu einem coolen Managertyp mit Maßanzug und Sonnenbrille. Man könnte an René Benko denken, muss es aber nicht. Eine Meute von Medienleuten mit Mikrofonen und Kameras versucht aus dem Sturz des Managers Kapital zu schlagen. Der Mechanismus, schaulustig und schadenfroh auf den Fall eines Reichen herabzublicken, wird sichtbar gemacht. Der Schuldknecht aber bettelt Jedermann um Gnade an. Vergeblich. Die anonyme Zirkulation des Geldes, das den Reichen zum Gläubiger des Armen macht, kennt eigene Gesetze, in denen Gnade nicht einkalkuliert ist. Das will Jedermann nicht antasten, er mildert aber seine Hartherzigkeit ab, indem er der Frau des Managers und ihren Söhnen – die als angehende Finanzjongleure mit Akten-Köfferchen gezeichnet werden – diskret ein Auskommen zusichert.

Schließlich kreuzt seine fromme Mutter den Weg, die mit nobler Souveränität von Andrea Jonasson gespielt wird. Sie hält ihrem Sohn sein gottvergessenes Leben vor Augen. Wichtiger als Geld und Luxus sei ein Leben, das sich am Schöpfer orientiere. "Sei deines Herrn Gott eingedenk!" Jederzeit könne alles zu Ende gehen. Das sei gewiss nicht falsch, erwidert Jedermann, aber er sei noch zu jung und wolle das Leben erst genießen. Die Mutter aber hat eine Vorahnung, der Sand in der Lebensuhr könne schneller verrinnen, als es Jedermann lieb sei.

Solche Mahnungen prallen an Jedermann ab. Er will sich mit seiner Buhlschaft ins Vergnügen stürzen und hält am Abend ein festliches Bankett ab. Doch seine Stimmung wird durch Vorahnungen eingetrübt, die sich wie lästige Fliegen nicht vertreiben lassen. Statt für die Party-Gäste eine launige Begrüßungsansprache zu halten, äußert er melancholische Gedanken, die seiner Buhlschaft, aber auch seinen Verwandten und Freunden nicht gefallen. Man ist irritiert, aber das Personal serviert weiter, als sei nichts geschehen. Das angenehme Ambiente, die kulinarischen Genüsse und extravaganten Garderoben können Jedermann über die gähnende Leere nicht hinwegtäuschen.

Geld als Selbstzweck

Hofmannsthal, der in seinem Chandos-Brief die moderne Sinn- und Sprachkrise mit wacher Witterung beschrieben hat, fängt hier den ennui als epochales Grundgefühl vor 1914 ein. Durch einen erhitzten Wein mit Ingredienzen kann Jedermanns Stimmung aufgebessert werden. Mit seiner Liebsten legt er einen ausgelassenen Tisch-Tanz hin, die Freunde applaudieren. Die Party nimmt ihren Lauf – bis das Unvorhergesehene einbricht. Zuerst vernimmt Jedermann ein Glockenläuten, dann hört er Stimmen seinen Namen rufen. Schließlich betritt der Tod selbst die Bühne. Alle fliehen – zuerst die Buhlschaft, dann die Tischgesellen. Die Unvertretbarkeit und Einsamkeit des Sterbenden wird durch das Davonstieben der Menge augenfällig. Der Tod gibt zu verstehen, die Vorladung zum Gericht dulde keinen Aufschub. Jedermann bettelt, es sei noch zu früh, er habe Pläne. Aber der Tod ist unerbittlich. Eine Gnadenfrist von einer Stunde gewährt er, damit Jedermann einen Begleiter für seine Reise finden kann. Doch weder sein "guter Gesell", der gerade noch versprochen hat, ihm bis in die Hölle zu folgen, noch seine beiden Vettern sind bereit. Wie ein armer Bettler fleht der Reiche nun um Mitleid – aber umsonst! Die Verhältnisse kehren sich um. Ihm bleibt niemand, nur das Geld, das er von seinen Dienern aus dem Haus tragen lässt. Als Jedermann alles im goldenen Mercedes verstauen will, springt Mammon aus dem Kofferraum. Frech ruft er, nicht Jedermann gehöre das Geld, vielmehr habe er seine Seele dem Geld verschrieben, er sei ein "Hampelmann des Mammon" gewesen!

Das Geld, das den Warentausch vormoderner Gesellschaften überwunden hat, ist ursprünglich Mittel zum Zweck, hat aber in der Moderne die Tendenz, selbst zum Zweck zu werden. In Georg Simmels Philosophie des Geldes (1900), die Hofmannsthal während der Arbeit am Jedermann studiert hat, steht: "Die innere Polarität im Wesen des Geldes: das absolute Mittel zu sein und eben dadurch psychologisch für die meisten Menschen zum absoluten Zweck zu werden, macht es in eigentümlicher Weise zu einem Sinnbild, in dem die großen Regulative des praktischen Lebens gleichsam erstarrt sind." Dort, wo Geld regiert und zum Selbstzweck wird, können Menschen zu Mitteln degradiert werden. Eindrücklich deutlich wird dies in der Oper Wozzeck (1921) von Alban Berg, einem Wiener Zeitgenossen von Hofmannsthal. Von lauten Dissonanzen begleitet, singt Wozzeck: "Wir arme Leut". Als er dann Marie sein Geld überreicht, erklingt ein sanfter, lang anhaltender C-Dur Akkord, der in einer atonalen Opern-Komposition wie ein Fremdkörper wirkt. Geld – ein falsches Glücksversprechen!

Auf sich selbst zurückgeworfen geht Jedermann seine Verlorenheit auf. Da ruft ihn eine kranke Bettlerin, die Allegorie seiner Werke, die mit ihm gehen will, aber zu schwach dafür ist. In ihren Augen sieht Jedermann seine Versäumnisse, er bereut seine Taten und Unterlassungen. Auch der Glaube spiegelt ihm seine prekäre Lage und fragt: "Glaubst du an Jesu Christ, / Der von dem Vater kommen ist, / Ein Mensch und unsersgleichen worden, / Von einem irdischen Weibe geboren / Und hat in Marterqual sein Leben / um deinetwillen hingegeben, / und ist erstanden von dem Tod, / Daß du versöhnest seist mit Gott?"

Er bejaht, erwartet aber als Sünder schlimmste Strafen im Gericht, doch der Glaube hält ihm die Barmherzigkeit Gottes entgegen. Auf Jedermanns Ruf: "Gott straft erschrecklich!" erwidert der Glaube: "Gott verzeiht!" Der wunderbare Tausch – der Erlöser tritt an die Stelle der Sünder, damit die Sünder erlöst werden – überwindet die gnadenlose Tauschlogik des Geldes. Tatsächlich tritt Jedermann den letzten Weg in Begleitung der Werke und des Glaubens an.

Da interveniert der Teufel, rot gewandet, und will die Seele des Jedermann. Er ist sich sicher, "Daß dieser Mensch mir ist verfallen! / Ein prächtig Schwelger und Weinzecher, / Ein Buhl, Verführer und Ehebrecher, / Ungläubig als ein finstrer Heide, / In Wort und Taten frech vermessen / Und seines Gottes so vergessen." Doch dem Teufel wird der Zugriff auf Jedermann verwehrt.

Abweichend von der mittelalterlichen Vorlage hat Hofmannsthal den Teufel als Figur gestaltet und das gesellschaftlich oft verdrängte, ja tabuisierte Böse anschaulich gemacht. Der Teufel spricht ungeschönt über das Treiben der Menschen: "Die Welt ist dumm, gemein und schlecht, / Und geht Gewalt allzeit vor Recht, / Ist einer redlich treu und klug, / Ihn meistern Arglist und Betrug". Doch sein Kalkül geht nicht auf. Durch den Glauben entkommt Jedermann, der reuige Sünder, den Fängen des Teufels.

Auffällig ist, dass in Salzburg der Teufel vom selben Schauspieler gespielt wird wie der "gute Gesell". Das macht Sinn und ist fein beobachtet. Denn der "gute Gesell" ist keineswegs gut, als Komplize des Bösen bestärkt er Jedermann in seiner Egozentrik und lobt den Zynismus gegenüber den Armen. Aber auch der arme Nachbar und die Werke Jedermanns werden von einer Schauspielerin gespielt. Das ist passend, denn immerhin gibt Jedermann dem Nachbarn eine Münze – ein Zeichen, dass das Gute in ihm nicht ganz erloschen ist.

Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes zeigt – wie Robert Carsen in einem Gespräch anmerkt – den "Wandel von einem materialistischen, gedankenlosen Hedonisten zu einem vollkommen bewussten, spirituellen Wesen", und er fügt hinzu, dass dieser Wandel "das Publikum insgesamt und auch jeden Einzelnen bewegen und kathartisch wirken" sollte.

Das plötzliche Dazwischenfahren des Todes legt die Brüchigkeit der abgesicherten Existenz offen. Der geldversessene Reiche steht plötzlich als gottvergessener Bettler da.

Die Betroffenheit über das Mysterienspiel, die auch in diesem Jahr in Salzburg zu spüren war, kann ein Anstoß zu einem bewussteren Leben sein, der allerdings im vergnüglichen Treiben der Festspielwochen gleich wieder verpuffen kann. Das Leben wird flacher, so die Lektion des Jedermann, wenn wir den Tod ausblenden. Ja, wenn die Antennen für das Metaphysische oder für Gott eingefahren werden, geht eine Perspektive verloren, aus der sich das Leben reflexiv betrachten lässt. Gewiss: Man könnte sich Jedermann als glücklichen Menschen vorstellen. Er hat ja alles. Dennoch vergisst er im Glück, dass er erwartet und befragt wird, dass er Verantwortung trägt. Das plötzliche Dazwischenfahren des Todes legt die Brüchigkeit der abgesicherten Existenz offen. Der geldversessene Reiche steht plötzlich als gottvergessener Bettler da. Respice finem.

Das Stück von Hofmannsthal zeigt aber auch, dass der gnadenlose Kreislauf des Geldes durchkreuzt wird durch eine Theologie des wunderbaren Tausches. In der Ökonomie der Gnade ist der reuige Sünder nicht verloren: "Gott hat geworfen in die Schal / Sein Opfertod und Marterqual / Und Jedermannes Schuldigkeit / vorausbezahlt in Ewigkeit." Deshalb geht das Kalkül des Teufels nicht auf und der verlorene Jedermann kann durch Glauben und Werke gerade noch rechtzeitig die Gnade finden – beinahe unverdient!

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