Das Evangelium in der Unterwelt"... damit ihr seinen Spuren folgt": Der erste Petrusbrief

Die Rettung der Menschen aus der Sintflut geschieht "durch das Wasser". Dieses Ereignis versteht der Petrusbrief als ein alttestamentliches Vorabbild der Taufe. Die Wirkung der Taufe ist die Rettung, und zwar die Rettung aus dem Gericht.

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Mit der Aufforderung an die Christen, in jeder Lage und jedem gegenüber bereit zu sein, von ihrer Hoffnung Zeugnis zu geben, hatte der erste Petrusbrief den Abschnitt eröffnet, in dem er über die Bedrängnisse reflektiert, denen die Christen aufgrund ihres Bekenntnisses ausgesetzt sind. Im Anschluss an diesen Aufruf erläutert der Brief die existenzielle Grundlage dieser Hoffnung: das erlösende Leiden, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Dabei erzählt der Brief in wenigen Versen, 1 Petr 3,18-22, die ganze Geschichte Jesu vom Kreuzestod und seinem Abstieg in die Unterwelt bis hin zu seiner Erhöhung zur Rechten Gottes:

"Christus ist der Sünden wegen ein einziges Mal gestorben, ein Gerechter für Ungerechte, damit er euch zu Gott hinführe, nachdem er dem Fleisch nach zwar getötet, aber dem Geist nach lebendig gemacht wurde." (1 Petr 3,18)

In diesem Satz greift der Verfasser des Briefes auf bereits festgefügte, traditionelle Formeln des christlichen Glaubensbekenntnisses zurück: Dass Jesus "der Sünden wegen gestorben" ist, findet sich als Deutung seines Todes bei Paulus, der seinerseits auf urchristliche Überlieferung verweist: "Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben" (1 Kor 15,3). Im Römerbrief zeigt Paulus, dass dies die alles entscheidende Deutung seines Todes ist: "Wir wissen, dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Denn durch sein Sterben ist er ein für alle Mal gestorben für die Sünde, sein Leben aber lebt er für Gott" (Röm 6,9f).

Einmaligkeit und Einzigartigkeit des Leidens Jesu

Hatte der Petrusbrief in einem anderen Zusammenhang betont, dass Jesus in seinem Leiden das Vorbild für die Christen ist, so formuliert er hier den Gedanken der Einmaligkeit und Einzigartigkeit seines Leidens. Auch damit steht der Brief in neutestamentlicher Tradition; ausführlich stellt etwa der Hebräerbrief heraus, dass Jesus "jetzt am Ende der Zeiten ein einziges Mal erschienen (ist), um durch sein Opfer die Sünden zu tilgen" (Hebr 9,26). Die Sünden, die hier gemeint sind, sind jene, die in der Sünde wurzeln, die in der christlichen Theologie als "Erbsünde" bezeichnet wird und die bei Paulus auf den Vertrauensbruch des ersten Menschen, Adam, gegenüber Gott zurückgeführt wird:

"Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten." (Röm 5,12; vgl. 1 Kor 15,22)

Christus tilgt durch seinen Tod diese Ursprungssünde und hebt damit die Trennung zwischen den Menschen und Gott auf; er "führt euch zu Gott hin", schreibt der Verfasser des Petrusbriefes. Auch Paulus stellt die Bedeutung des Kreuzestodes Jesu im Bild von der "Hinführung zu Gott" dar, wenn er schreibt, dass "wir im Glauben den Zugang zu der Gnade erhalten" (Röm 5,2) oder auch "in dem einen Geist Zugang zum Vater" (Eph 2,18) geschenkt bekommen haben – im griechischen Text ist "hinführen" und "Zugang schaffen" ein und dasselbe Wort. Neu im Vergleich zu den übrigen Briefen des Neuen Testaments ist die Kontrastaussage, dass Jesus diesen Weg gebahnt hat als "der Gerechte für die Ungerechten".

Unterscheidung von "Fleisch" und "Geist"

Die Charakterisierung Jesu als "der Gerechte" begegnet an einigen weiteren Stellen im Neuen Testament: In den Passionsberichten der Evangelien sind es die Frau des Pilatus (vgl. Mt 27,19) und der römische Hauptmann angesichts des Gekreuzigten (vgl. Lk 23,47), die Jesu Gerechtigkeit feststellen, und in der Apostelgeschichte ist es Petrus bei seiner Rede im Tempel von Jerusalem, in der er die Szene der Verhandlung vor Pilatus in Erinnerung ruft (vgl. Apg 3,14).

Schließlich greift der Petrusbrief im letzten Glied dieser christologischen Aussage wieder auf bewährtes Traditionsgut zurück: die Unterscheidung von "Fleisch" und "Geist", die auf Jesus bezogen wird. Der Begriff "Fleisch" weist auf seine sichtbar menschliche Natur hin, die ihrem Wesen nach der Sterblichkeit unterworfen war, während der Begriff "Geist" seine Unsterblichkeit ausdrückt, insofern er in der Existenz des Geistes von göttlicher Ewigkeit her lebt. Paulus benutzt diese Unterscheidung ebenfalls am Beginn des Römerbriefs, wo er seine Verkündigung vorstellt als "das Evangelium von seinem (Gottes) Sohn, der dem Fleisch nach geboren ist als Nachkomme Davids, der dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt ist als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten" (Röm 1,3; vgl. ebf. 1 Tim 3,16).

Bis zur dogmatischen Klärung der Zwei-Naturen-Lehre im Konzil von Chalkedon im 5. Jahrhundert – und in der begrifflichen Ausdifferenzierung noch weit darüber hinaus – ist es zwar noch ein langer Weg, aber der theologische Grundgedanke von der göttlichen und menschlichen Natur Jesu Christi ist im Neuen Testament bereits voll ausgesagt. Der erste Petrusbrief führt den Gedanken der erlösenden Kraft des Leidens Jesu noch weiter, und zwar bis in die Unterwelt hinein:

In ihm ist er auch zu den Geistern gegangen, die im Gefängnis waren, und hat ihnen gepredigt: "Diese waren einst ungehorsam, als Gott in den Tagen Noachs geduldig wartete, während die Arche gebaut wurde." (1 Petr 3,19.20a)

Der Anschluss "in ihm" kann auf zwei Aspekte bezogen werden: Gemeint sein kann der "Zeitraum" zwischen "getötet" und "lebendig gemacht": währenddessen ist Jesus in die Unterwelt hinabgestiegen. Es kann sich aber auch auf den Aspekt der geistlichen ("pneumatischen") Wirklichkeit seiner Person beziehen; das bedeutet gewissermaßen als Geistwesen, ohne Leiblichkeit, ging Jesus nach seinem Tod zu den Geistern im Gefängnis. In beiden Fällen stoßen die Möglichkeiten, das Gemeinte mit sprachlichen Mitteln zu erfassen, an Grenzen. Jedenfalls erklärt der Petrusbrief, dass Jesus den Geistern "gepredigt" habe. Das griechische Wort "keryttein" ist im biblischen Sprachgebrauch eindeutig positiv besetzt: eine Freudenbotschaft, eine Heilsbotschaft verkünden. Diesen Geistern wird das Evangelium verkündet!

Menschwerdung bis zum Äußersten

Über die Frage, wer mit den "Geistern" gemeint sei, ist viel diskutiert worden: Der Bogen der Möglichkeiten spannt sich von den Menschen, die bei der Sintflut ums Leben gekommen sind und die in der jüdischen Tradition als besonders gottlos galten und deshalb in der Hölle endeten, bis hin zu den Gerechten des Alten Bundes, die in der Unterwelt auf ihr Heil hofften. Wen auch immer der Verfasser des Briefes vor Augen hatte, macht er mit der Predigt Jesu in der Unterwelt zwei Aussagen: Erstens führt er den Gedanken der Menschwerdung Gottes bis zum Äußersten; Jesu Tod war ein volles menschliches Sterben, das ihn bis ans Ende der menschlichen Existenz führte, das nach antiker Vorstellung durch die Tiefe der Unterwelt symbolisiert ist. Und zweitens zeigt sein Wirken in der Unterwelt, dass seine heilbringende Macht an den Toren der Unterwelt nicht endet; er dringt durch sie hindurch und überwältigt sie. "Es war unmöglich, dass er (Jesus) vom Tod festgehalten wurde", heißt es in der Pfingstpredigt des Apostels Petrus (vgl. Apg 2,24-31), die neben einigen anderen neutestamentlichen Zeugnissen den Abstieg Christi in die Unterwelt beschreibt (vgl. auch Röm 10,7; Eph 4,8-10; Hebr 13,20 u.a.).

"In der Arche wurden nur wenige, nämlich acht Menschen, durch das Wasser gerettet. Dem entspricht die Taufe, die jetzt euch rettet. Sie dient nicht dazu, den Körper von Schmutz zu reinigen, sondern sie ist eine Bitte an Gott um ein reines Gewissen aufgrund der Auferstehung Jesu Christi, der in den Himmel gegangen ist; dort ist er zur Rechten Gottes und Engel, Gewalten und Mächte sind ihm unterworfen." (1 Petr 3,20b-22)

Die Rettung der Menschen aus der Sintflut geschieht "durch das Wasser". Dieses Ereignis versteht der Petrusbrief als ein alttestamentliches Vorabbild der Taufe. Die Wirkung der Taufe ist die Rettung, und zwar die Rettung aus dem Gericht. Das geht aus dem Hinweis auf das "reine Gewissen" hervor. In sakramententheologischer Hinsicht ist bei der Aussage über die Taufe interessant, dass der Brief ausdrücklich betont, dass es nicht um eine äußere Reinigung geht. Die Kirchenväter greifen diesen Gedanken in ihren Erklärungen zur Taufe auf und weisen darauf hin, dass das Taufbad ein geistlicher Vorgang ist. Cyprian von Karthago (3. Jh.) schreibt: "Die Taufe ist nicht nur eine Abwaschung des Körpers, sondern eine Reinigung des Geistes. Denn es ist nicht das Wasser, das reinigt, sondern der Heilige Geist, der durch das Wasser wirkt." (epist. 73) Überdies kommt das Sakramentenverständnis des Petrusbriefs sehr gut zum Ausdruck, wenn er unterstreicht, dass die Wirkung der Taufe "durch die Auferstehung Jesu Christi" kommt. Der Taufakt selbst ist "Bitte an Gott", denn Christus wirkt im Sakrament. Damit werden magisch-zauberhafte Vorstellungen zurückgewiesen.

Trost den Leidenden

Der Abschnitt endet mit der Himmelfahrt Christi: Er sitzt zur Rechten Gottes. Dieses christologische Bekenntnis, das zahlreiche Parallelen im Neuen Testament hat (vgl. u.a. Apg 7,56; Röm 8,34; Kol 3,1), bezieht sich auf den alttestamentlichen Psalm 110,1:

"So spricht der HERR zu meinem Herrn: / Setze dich zu meiner Rechten und ich lege deine Feinde als Schemel unter deine Füße."

Der Petrusbrief spricht von der Unterwerfung der "Engel, Gewalten und Mächte" unter den erhöhten Christus. Im Neuen Testament und bereits in den Schriften des Frühjudentums gibt es die Vorstellung, dass die Gebiete zwischen Erde und Himmel von Geistwesen beherrscht werden, die Gott feindlich gegenüberstehen und Anspruch auf die Herrschaft über die Menschen erheben (vgl. Eph 2,2). Sie müssen schließlich Christus als den Herrscher anerkennen. Im Kolosserbrief steht die Aussage: "Die Fürsten und Gewalten hat er entwaffnet und öffentlich zur Schau gestellt; durch Christus hat Gott über sie triumphiert." (Kol 2,15)

Der erste Petrusbrief spricht den leidenden Christen Trost zu, indem er ihnen Christus vor Augen führt, der durch seinen Tod am Kreuz alle Wege durchschritten hat, von der tiefsten Unterwelt durch alle Zwischenwelten hindurch bis in den Himmel hinein, und jetzt zur Rechten Gottes als Herrscher über den ganzen Kosmos den Seinen, die in der Welt ihren je eigenen Leidensweg gehen müssen, zur Seite steht.

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