Die "Frauenfrage""... damit ihr seinen Spuren folgt": Der erste Petrusbrief

Die Lebensumstände für Frauen am Ende des ersten Jahrhunderts, die sich für den christlichen Glauben entschieden haben und deren Familie diesen Schritt nicht mitvollzog, stellten eine enorme Herausforderung dar. Ähnlich wie bei den Sklaven stellt der erste Petrusbrief heraus, in welcher Tiefe und Intensität die Christusnachfolge dieser Menschen zu sehen ist.

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Die Haustafel im ersten Petrusbrief, die einen längeren Abschnitt innerhalb des Briefes darstellt (1 Petr 2,13-3,12), hatte zunächst das Verhalten der Christen gegenüber einem ihnen nicht wohlwollenden Staat geklärt. Anschließend kam die bedrückende Situation der christlichen Sklaven innerhalb der römisch-hellenistischen Gesellschaft zur Sprache, und als einen weiteren Bereich nimmt die Haustafel nun die eheliche Gemeinschaft von Mann und Frau in den Blick (1 Petr 3,1-7).

Bei diesem Abschnitt fällt auf, dass von den insgesamt sieben Versen zu dieser Thematik sechs sich mit der christlichen Ehefrau befassen, und nur ein Vers am Schluss sich dem Ehemann widmet. Die Weisungen an die christlichen Ehefrauen sind kaum weniger ausführlich als die an die Sklaven. Möglicherweise hat das einen plausiblen Grund: Das christliche Menschenbild brachte für die Frauen mindestens so tiefgreifende Veränderungen wie für die Sklaven. Beide Gruppen hatten in der antiken Gesellschaft nur sehr eingeschränkte Rechte. Im römisch-hellenistischen Kulturkreis galt die Frau als Eigentum ihres Mannes und war nicht rechtsfähig.

Die Revolution des Christentums

Mit dem christlichen Glauben wird den Frauen in gleicher Weise wie den Männern die Erwählung und Berufung ins Reich Gottes zugesagt: "Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus." (Gal 3,27f) Und Paulus wagt sogar die revolutionäre Aussage über die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Ehe: "Die Frau verfügt nicht über ihren Leib, sondern der Mann. Ebenso verfügt aber auch der Mann nicht über seinen Leib, sondern die Frau." (1 Kor 7,4)

Die Weisungen an die Ehefrauen im ersten Petrusbrief könnten die Situation von Frauen im Blick haben, deren Mann kein Christ ist und deren Lebensumstände ähnlich wie bei den Sklaven belastend und schwierig sind:

"Ebenso sollt ihr Frauen euch euren Männern unterordnen, damit auch sie, falls sie dem Wort nicht gehorchen, durch das Leben ihrer Frauen ohne ein Wort gewonnen werden, wenn sie sehen, wie ihr in Gottesfurcht ein reines Leben führt." (1 Petr 3,1f)

"Ebenso" knüpft an die Mahnung für die Sklaven an; es ist innerhalb der Haustafel bereits die dritte Aufforderung zur Unterordnung: an die Christen gegenüber der staatlichen Ordnung (2,13), an die Sklaven gegenüber ihren Besitzern (2,18), und nun an die Frauen gegenüber ihren – nichtglaubenden – Ehemännern. Hier wird deutlich, welche bedeutende Rolle die Unterordnung im christlichen Ethos spielt. Ähnlich wie bei der staatlichen Ordnung steht auch im Bezug auf die eheliche Gemeinschaft die biblische Vorstellung im Hintergrund, dass sich in der Familie mit dem Mann als ihrem Haupt die Schöpfungsordnung widerspiegelt.

In der Ordnung der Familie wird Gottes Schöpferwille sichtbar

Die von der Frau geforderte Unterordnung unter ihren Mann hat von diesem Gedanken her nichts mit Diskriminierung oder Unterdrückung zu tun, sondern will sogar das Gegenteil ausdrücken: In der Ordnung der Familie wird Gottes Schöpferwille sichtbar. Beide, Mann und Frau, sollten in gleicher Weise dem Wort Gottes gehorsam sein. Wenn der Mann jedoch kein Christ ist und nicht weiß, was es bedeutet, dem Wort Gottes zu gehorchen, hat die Frau die Aufgabe und Chance, ihren Mann durch ihr Leben für Christus zu gewinnen. Ihre Unterordnung wird so als missionarisches Wirken verstanden. Und wichtig: Sie führt ihr Leben nicht in Furcht vor ihrem Mann, sondern in "Furcht vor Gott". So soll ihr Mann merken, dass über dem Leben seiner Frau die Macht Gottes waltet – nicht die seine. Der Lebenswandel seiner Frau wird für den Mann zur Quelle der Gotteserkenntnis.

Im ersten Petrusbrief folgen Mahnungen an die Frauen, die für heutige Ohren sehr scharf klingen und vermutlich auch schon im ersten Jahrhundert eher als literarischer Topos gemeint waren, mit dem der Verfasser des Briefes weniger die christlichen Ehefrauen als vielmehr die recht üppige Kultur seiner Zeit insgesamt vor Augen hat und diese kritisiert:

"Nicht auf äußeren Schmuck sollt ihr Wert legen, auf Haartracht, Goldschmuck und prächtige Kleider, sondern was im Herzen verborgen ist, das sei euer unvergänglicher Schmuck: ein sanftes und ruhiges Wesen. Das ist wertvoll in Gottes Augen." (1 Petr 3,3f)

Eine ganz ähnliche Aufforderung findet sich im ersten Timotheusbrief:

"Auch sollen die Frauen sich anständig, bescheiden und zurückhaltend kleiden; nicht Haartracht, Gold, Perlen oder kostbare Kleider seien ihr Schmuck, sondern gute Werke; so gehört es sich für Frauen, die gottesfürchtig sein wollen." (1 Tim 2,9f)

Gefahr des Rückfalls ins Heidentum

Beide neutestamentliche Briefe urteilen hart über die den Wert der äußeren Erscheinung und stellen die Sorge um das Äußere nahezu als Hindernis für ein christliches Leben dar. Für das Verständnis dieser Ansicht könnte eine Bemerkung bei Tertullian vom Ende des 2. Jahrhunderts hilfreich sein. Tertullian beschreibt sehr detailliert die bedrückende Situation, in der eine Frau leben muss, wenn sie als Christin mit einem Nichtchristen verheiratet ist, der weit davon entfernt ist, auf den Glauben seiner Frau auch nur die geringste Rücksicht zu nehmen: Während christlicher Fastenzeiten veranstaltet ein solcher Ehemann absichtlich Festgelage, er verbietet seiner Frau die Teilnahme an der Osterfeier, verhindert, dass sie Mitchristen gegenüber Gastfreundschaft erweist und unterbindet jeden karitativen Einsatz. Eine solche Frau, schreibt Tertullian, ist hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu Gott und der Liebe zu ihrem Mann: "Indem sie dem Heiden gefallen will, wird ihr Tun heidnisch werden, ihr Äußeres, ihre Frisur, ihr Schmuck wird weltlich" (ad uxor. 2,3f).

Wer sich nach außen hin der heidnischen Einstellung anpasst – dafür stehen Schmuck, Frisur und Kleidungsstil –, wird auf Dauer auch innerlich, in seinem Denken und Handeln, wieder ins Heidentum zurückfallen. Die äußere Erscheinung wird jedoch nicht nur als Ausdruck eines heidnischen Lebensstils bewertet, sondern vor allem im Blick auf ihre Vergänglichkeit. Das betrifft nicht nur die Frauen, sondern alle Christen. Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth: "Wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, der innere wird Tag für Tag erneuert" (2 Kor 4,16) Dieser "innere Mensch" trägt "unvergänglichen Schmuck", wie der erste Petrusbrief formuliert. In der deutschen Übersetzung, die vom "sanften und ruhigen Wesen" der Frauen spricht, bleibt die eigentliche Aussage leider verborgen; wörtlich ist ihr "Schmuck" der "sanfte und ruhige Geist", wobei für "Geist" im griechischen Text das Wort pneuma steht, womit der Heilige Geist bezeichnet wird, und nicht etwa der Charakter oder das Temperament der Frauen.

In den Ehefrauen wirkt der Geist der Sanftmut

Der erste Petrusbrief spricht hier ein wichtiges Charisma, eine Geistesgabe an. Vom "Geist der Sanftmut" ist bei Paulus die Rede, wenn er über seine eigene oder die Autorität innerhalb der christlichen Gemeinde spricht, mit der Christen wieder auf den rechten Weg zurückgeführt werden (vgl. 1 Kor 4,21; Gal 6,1). Überdies ist die Sanftmut nicht zuletzt eine der Selbstbezeichnungen Jesu: "Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig (wörtlich: sanftmütig) und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele." (Mt 11,29) Die Aussage über die christlichen Ehefrauen wäre als Ausdruck von Herabsetzung gegenüber den Männern völlig falsch verstanden: Vielmehr wirkt in ihnen der Heilige Geist als Geist der Sanftmut, und mit dieser Haltung der Sanftmut verkörpern sie nichts weniger als die Haltung Jesu selbst.

Der Petrusbrief untermauert dies im Folgenden, indem er die christlichen Frauen in die Reihe der "heiligen Frauen" des Alten Testaments stellt:

"So haben sich einst auch die heiligen Frauen geschmückt, die ihre Hoffnung auf Gott setzten: Sie ordneten sich ihren Männern unter. Sara gehorchte Abraham und nannte ihn Herr. Ihre Kinder seid ihr geworden, wenn ihr recht handelt und euch vor keiner Einschüchterung fürchtet." (1 Petr 3,5f)

Die Heiligkeit der Frauen ist hier nicht vordergründig im moralischen Sinn zu verstehen, sondern eher vom kultischen Begriff der Heiligkeit: Die Frauen sind heilig, weil Gott sie erwählt und berufen hat. Diese Erwählung zeigt sich darin, dass sie "ihre Hoffnung auf Gott setzten", also einer der Zukunft, die sie von Gott her erwarten durften, zugewandt waren. Vor dem Hintergrund, dass christliche Ehefrauen möglicherweise von ihren heidnischen Männern bedroht und der Gewalt ausgesetzt waren, ermutigt der Petrusbrief die Frauen, sich "vor keiner Einschüchterung zu fürchten". Dass der christliche Glaube zu familiären Zerwürfnissen führen kann, ist eine Erfahrung, die sich bereits in den Worten Jesu im Evangelium widerspiegelt: "Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein." (Mt 10,35f)

Auch die Ehemänner sind "Erben der Gnade des Lebens"

Wir können davon ausgehen, dass die Lebensumstände und Daseinsbedingungen für Frauen am Ende des ersten Jahrhunderts, die sich für den christlichen Glauben entschieden haben und deren Familie diesen Schritt nicht mitvollzog, eine enorme Herausforderung darstellten. Ähnlich wie bei den Sklaven stellt der erste Petrusbrief heraus, in welcher Tiefe und Intensität die Christusnachfolge dieser Menschen zu sehen ist. Am Schluss des Abschnitts widmet der Brief noch einen Gedanken den christlichen Ehemännern:

"Ebenso sollt ihr Männer im Umgang mit den Frauen rücksichtsvoll sein, denn sie sind der schwächere Teil; ehrt sie, denn auch sie sind Erben der Gnade des Lebens. So wird euren Gebeten nichts im Weg stehen." (1 Petr 3,7)

Auch diese Mahnung beginnt mit "ebenso", das heißt, dass die Männer genauso der göttlichen Schöpfungsordnung gehorchen müssen wie die Frauen. Vor dem geschichtlichen Hintergrund, dass die rechtliche Position der Männer innerhalb der Ehe eine völlig andere war als die der Frauen, dürfte anzunehmen sein, dass sich aus der Hinwendung zum christlichen Glauben für die Ehemänner kaum entsprechende Konstellationen für tragische Konflikte ergaben. Aus diesem Grund bedenkt der Brief die Männer mit einer vergleichsweise kurzen Mahnung.

Sie sollen mit ihren Frauen "rücksichtsvoll" sein, also ihre gesellschaftlich und rechtlich etablierte Machtstellung nicht missbrauchen. Vielmehr sollen sie ihre Frau "ehren" – das ist dasselbe Wort, das 1 Petr 2,17 als Haltung gegenüber dem Kaiser einfordert. Paulus bezeichnet das gemeinsame Gebet als besonders kostbare Frucht der christlichen Ehe (vgl. 1 Kor 7,5). Der Petrusbrief greift diesen Gedanken auf und beschließt damit den Abschnitt der Haustafel über die Frauen und Männer in der Ehe.

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