Weil über einer gottesverschlafenen Welt das Licht des Ostermorgens scheint, gilt es schon jetzt im Namen Gottes gegen die apokalyptischen Zertrümmerungsalpträume dieser Welt aufzustehen.

Warum feiern wir Ostern? Um uns wechselseitig religiös gut zuzureden, uns Hoffnung zu machen und mit den fröhlichen Farben der Ostereier mehr optimistische Buntheit in die Tristesse einer bedrohlichen Weltlage zu bringen, die, wenn nicht unmittelbar für unser Land, so aber doch für das NATO-Gebiet in die Mulmigkeit einer Vorkriegszeit umzuschlagen im Begriffe ist?

Haben wir den Mut, den Grund des Osterfestes, die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, nicht nur im Sinne und der Energie eines religiösen Zitates publik zu machen, und den mehr oder wenig religionskundigen Mitmenschen, die es vernehmen, offen zu lassen, wie real sie und wir es mit dem Gedanken der Auferstehung denn meinen? Haben wir den Mut, es nicht mit der Nachricht gut sein zu lassen, dass Jesus von Nazareth ein bedeutender von dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs geachteter, innig geliebter Toter sei, einer, der konsequent eschatologisch aufs Ganze ging und dabei seinen Tod riskierte und durch seine Haltung den Menschen und der Welt Hoffnung gemacht habe?

Die Evangelien fordern theologischen Realismus

Die Evangelien selbst sehen jedenfalls klar. Sie sind, wie Hans Joachim Iwand einmal eingeprägt hat, "kein Requiem auf einen Toten". Sie fordern, für einen Realismus theologischer Art zu werben, der die Auferstehung von den Toten nicht symbolisch in eine Auferstehung in das Leben jetzt verkleinert. So sehr die Evangelien den Tod des Jesus von Nazareth bezeugen: Sie verstehen die Auferstehung des gekreuzigten und begrabenen Jesus als wirkliches Ereignis in Raum und Zeit. Jesus ist diesem Zeugnis zufolge nicht nur, wie Rudolf Bultmann existential blitzgescheit zu urteilen müssen meinte, ins Kerygma, in die Verkündigung auferstanden.

Um die Kirchen und ihre Ausstrahlungskraft und Verkündigungsenergie war es schon einmal besser bestellt. Armer Jesus, wenn die Kirchen allein den existentialen Realisierungsort kerygmatischer Auferstehungsgewissheit abgeben müsste.

Das mag dieser Tage ein großer ekklesiologischer Ostertrost sein. Denn um die Kirchen und ihre Ausstrahlungskraft und Verkündigungsenergie war es schon einmal besser bestellt. Armer Jesus, wenn die Kirchen allein den existentialen Realisierungsort kerygmatischer Auferstehungsgewissheit abgeben müssten. Er drohte vom Subjekt zum Objekt eines Kyrie eleison zu verkommen und wäre dazu verflucht ein erbarmungswürdiger Herr einer Kirche zu sein, die bisweilen ein erbärmliches Bild abgibt.

Zu den durch keine noch so heftige Gottesfinsternis dieser Welt zu verdunkelnden Lichtblicken zählt, dass das Ostereignis dem Glauben und der Kirchen, die ihn bezeugen sollen, voraus liegt und nicht im Osterglauben und dem Osterzeugnis aufgeht. Die Auferstehung Jesu Christi selbst trägt den Glauben an ihn und dessen Zeugnis. Halleluja! – Insofern ist tagesaktuell, was in der Offenbarung des Johannes geschrieben steht: "Jesus Christus spricht: Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig …". Nicht nur die Offenbarung des Johannes, alle neutestamentlichen Autoren sprechen von Jesus Christus als einer gegenwärtigen und die Gegenwart prägenden Persönlichkeit, nicht einer Gestalt der Vergangenheit. Jesus Christus ist ansprechbar und spricht uns selbst auf unser Leben an.

Gott ist mit Jesus Christus für uns alle unterwegs

Gott hat also damals in Golgatha und am Ort des Grabes Jesu Christi nicht nur gezeigt, wie sehr er den Menschen als sein Geschöpf liebt, er hat sich nicht nur mit den Lebens- und Sterbensperspektiven des Jesus von Nazareth "identifiziert", wie eine Solidaritätschristologie des 20. Jahrhunderts glauben machen wollte. Das Wort "Identifikation" muss aus der Christologie verschwinden. Es muss wieder dahin gerückt werden, wo es hingehört, nämlich in die Soteriologie. Und das geht so:

Gott ist höchstpersönlich und in Personalunion in der Lebens- und Sterbenseinheit mit Jesus Christus für uns alle unterwegs. Und dieser mit dem Gekreuzigten und Auferstandenen identische Gott identifiziert sich mit den in ihren endlichen Lebensperspektiven hoffnungslos verhedderten Menschen. Das ist der persönliche Ostertrost. Domingo de Soto hat das einmal schlicht so formuliert: "Nam mortuorum resurrectio, christianorum fiducia est". Die Auferstehung von den Toten ist Inhalt des Vertrauens der Christen.

In diesen elementaren Osterbotschaften liegt gerade im Jahr des 1.700-JahrJubiläums des Nicänums zweierlei:

Im Jahr des 1.700-Jahr-Jubiläums des Nicänums dürfte sich erstens lohnen, dem in diesem Glaubensbekenntnis wie im Apostolischen Glaubensbekenntnis dokumentierten Gedanken der Auferstehung stark zu machen. Im Unterschied zur Auferweckung liegt in dem Gedanken der Auferstehung die Passion, also die Lebensleidenschaft einer transitiven Energie, wie übrigens – philologisch bezeichnend genug - selbst das Passiv von "egeiresthai" "in der Septuaginta, bei Philo und Josephus … ganz überwiegend[…] ; 'aufragen', 'laut werden' …, 'aufsteigen', 'sich aufmachen', 'auftreten', 'erstehen'" bedeutet. Der passivische Sinn hat sich "neben dem nach wie vor beherrschenden medial-intransitiven" Sinn "erst in der spätere[n] christliche[n] Literatur" etabliert. In der Auferstehung macht sich Gott auf, steigt auf. Und auch die von Gott auferweckten Toten stehen auf, machen sich auf, sind keine in einer universalen Eschatologie entschwindenden geschöpflichen Entitäten, sondern von Gott und durch Gott selbstermächtigte ewig verantwortlich handelnde Geschöpfe.

Mit neuem Leben belebt

Die sich in der schöpferischen Kraft Gottes realisierende Auferstehungsenergie macht also den Vorgang der Auferstehung von seinem Ursprung her zu etwas, in dem die tote Person nicht wiederbelebtes geschöpfliches Objekt ist, sondern damit rechnen muss, im Vorgang der Auferstehung von Gott zu einem mit völlig neuem Leben belebtes geschöpfliches Subjekt herausgerufen zu sein. Die Andersartigkeit dieses Daseins wird allein schon durch die Osterberichte der Evangelien signalisiert. Der vom Auferstandenen Jesus Maria Magdalena geltende Zuruf "Noli me tangere!", der so viel bedeutet wie "Berühre mich nicht!" oder "Halte mich nicht auf!" signalisiert: Die Daseinsform des Auferstandenen ist von anderer Art und kann und darf nicht mit einer Wiederherstellung der diesseitigen Lebens- und Daseinsform verwechselt werden. Der Auferstandene und die ihm nachfolgenden Auferstehenden können nicht in der und von der Realität dieser Welt festgehalten werden. Die Realität dieser Auferstehung ist so anders, dass die Emmausjünger ihren Herrn und Meister nicht gleich erkennen können, so sehr sie sich atmosphärisch von ihm angesprochen fühlen.

Die Auferstehungshoffnung verdankt sich nicht nur der Lebensliebe Gottes, sondern auch seiner Wahrheits- und Gerechtigkeitsliebe. Es ist dieser Tage Aufgabe, den mit der Wahrheits- und Gerechtigkeitsliebe Gottes verbundenen Auferstehungsernst ins Zentrum der Osterbotschaft zu rücken.

Zweitens lohnt sich im 1.700-Jahr-Jubiläum des Nicänums vor Augen zu führen, dass die Frage der Auferstehung Jesu Christi und die aus ihr resultierende Auferstehung von den Toten eine Frage der rettenden und zugleich richtenden Gerechtigkeit Gottes ist. Der Auferstandene "sitzt zur Rechten des Vaters und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten, seiner Herrschaft wird kein Ende sein." Die Auferstehungshoffnung verdankt sich nicht nur der Lebensliebe Gottes, sondern auch seiner Wahrheits- und Gerechtigkeitsliebe. Es ist dieser Tage Aufgabe, den mit der Wahrheits- und Gerechtigkeitsliebe Gottes verbundenen Auferstehungsernst ins Zentrum der Osterbotschaft zu rücken.

Gott lässt nicht mit sich spielen, nicht mit seiner Verheißung und schon gar nicht mit dem mit dieser Verheißung verknüpften ewigen Frieden. Mit Gott wird kein Kleptokrat und Autokrat dieser Welt einen "Deal" machen können. Die entsetzlichen Folgen eines geopolitisch unerträglichen Unersättlichkeitsanspruches müssen von den Menschen, die ihn betrieben haben und die dieser Tage ihren Mitmenschen das Leben zu einer quälenden und qualvollen Hölle machen, vor Gott und dem auferstandenen Jesus Christus dermaleinst verantwortet werden. Und es ist in die Hände der Schlüsselgewalt des richtenden und damit seinen Frieden aufrichtenden Jesus Christus zu legen, wieviel angesichts der richtenden Unterscheidung von Person und Werken an personale Lebensperspektive bei solchen Menschen verbleibt, die ihren Mitmenschen das Leben zur Hölle gemacht haben.

Weil über einer gottesverschlafenen Welt das Licht des Ostermorgens scheint, gilt es schon jetzt im Namen Gottes gegen die apokalyptischen Zertrümmerungsalpträume dieser Welt aufzustehen. 

Alles wurde eng, düster, bang …

Entscheidend bleibt, dass Gottes Auferstehungsansage das genaue Gegenteil einer zersplitternden Vernichtung seiner geschöpflichen Vernichtung zum Ziel hat. Jean Pauls Alptraum der Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei, führt es vor Augen. Dort wird beschrieben, wie der tote Christus "ins leuchtende Weltgebäude blickte" und die "emporgehobenen Ringe der Riesenschlange der Ewigkeit" sah, "die sich um das Welten-All gelagert hatte", wie dann diese Riesenschlage "zermalmend den unendlichen Tempel zu einer Gottesacker-Kirche zusammen" drückte. Alles wurde "eng, düster, bang …" und "ein unermeßlich ausgedehnter Glockenhammer sollte die letzte Stunde der Zeit schlagen und das Weltgebäude zersplittern" …

Weil über einer gottesverschlafenen Welt das Licht des Ostermorgens scheint, gilt es schon jetzt im Namen Gottes gegen die apokalyptischen Zertrümmerungsalpträume dieser Welt aufzustehen. Eine Kirche, die sich in diesem Licht versteht, steht auf, oder sie hat nicht länger den Namen einer christlichen Kirche verdient.

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