Der Philosoph Hans Blumenberg (1920-1996) hat die Konvergenz von Lebenszeit und Weltzeit einmal als "Wahn" bezeichnet. Unter paradiesischen Bedingungen gäbe es diesen Wahn nicht, weil in einer Welt ohne Tod individuelle Lebenszeit und kosmische Zeit zusammenfallen. Doch in einer vergänglichen Welt, deren Fortbestand gefährdet ist, sieht das anders aus. Den meisten Menschen geht irgendwann auf, dass sie sterblich sind und ihre eigene Lebenszeit ultrakurz ist im Vergleich zur weiterlaufenden Weltzeit. Das Ich verschwindet, die Welt bleibt! Das ist die Kränkung, die kompensiert werden muss – und viele wollen heute in der Kürze ihres Lebens ein Maximum an Erlebnissen herausholen. Das aber ist falsch und gefährdet die ökologischen Grundlagen des Überlebens.
Die "letzte Generation" ruft durch ihre Selbstbezeichnung ebenfalls die Schere zwischen Lebenszeit und Weltzeit auf. Allerdings hat die Bewegung die Sorge um das gemeinsame Haus der Erde im Blick. Nicht die Steigerung von Luxus und Konsum, sondern die Sicherung der ökologischen Lebensgrundlagen ist ihr Ziel. Die "Solidarität nach vorwärts" (Julian Tappen) mit den kommenden Generationen ist leitend. Dass der Kipppunkt einer irreversiblen Erderwärmung schon bald erreicht und das Leben auf dem Globus radikal gefährdet sein könnte, ist die dystopische Naherwartung. "Wir alle sind die letzte Generation, die den unumkehrbaren Klimakollaps noch aufhalten kann."
Die Klimaziele von Paris müssen gehalten werden. Der Lebensstil muss sich ändern. Eine neue Form der Askese ist gegen die Imperative eines konsumistischen Lebensstils angesagt: Weniger Fleisch, weniger Auto- und LKW-Verkehr, sofortiges Tempo-Limit, Einschränkung der Flugreisen, Dekarbonisierung der Industrie!
Schmelzende Gletscher, steigende Meeresspiegel, versteppende Landschaften, erhöhte Migrationsbewegungen. Die Uhr tickt, der Zeithorizont schließt sich – bald! Der temporale Druck – last generation! – ist ein Mittel, um das drohende Fiasko ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Ansonsten könnte das Ende der Lebenszeit mit der ökologischen Katastrophe tatsächlich zusammenfallen. Renommierte Wissenschaftler bestätigen die Dramatik des Klimawandels und unterstützen die Erhöhung des politischen Handlungsdrucks. Die Klimaziele von Paris müssen gehalten werden. Der Lebensstil muss sich ändern. Eine neue Form der Askese ist gegen die Imperative eines konsumistischen Lebensstils angesagt: Weniger Fleisch, weniger Auto- und LKW-Verkehr, sofortiges Tempo-Limit, Einschränkung der Flugreisen, Dekarbonisierung der Industrie!
Durch spektakuläre Aktionen des zivilen Ungehorsams hat "last generation" die Dramatik der Lage ins öffentliche Bewusstsein zu rücken versucht. Kunstwerke in Museen wurden angesprüht, Farb-Attacken gegen öffentliche Gebäude lanciert, wichtige Verkehrsadern lahmgelegt, sogar punktuell der Flugverkehr gestört. Doch blieben die Sympathien für die Klima-Kleber in der Bevölkerung gering. Verkehrsstaus und Flugausfälle wurden nicht als Teil der Lösung, sondern als Verschärfung des Problems angesehen. Kollektives Unverständnis und Wut überwogen. Kriminalisierung der Bewegung, selbst Morddrohungen gegen prominente Aktivisten waren die Folge. Die mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung, ja deren "fossile Ignoranz", aber auch das fehlende Problembewusstsein, ja die "Dummheit" in der Politik – Bundeskanzler Karl Nehammer war ein Gehirn geschenkt worden – wurden nun als Grund für die Auflösung von "last generation" in Österreich angeführt. Hinzukommen massive finanzielle Schwierigkeiten, da die Protest- und Störaktionen gerichtliche Nachspiele mit entsprechenden Strafzahlungen verursacht haben.
Die postmoderne These vom Ende der großen Erzählungen war mit der Bewegung "last generation" selbst für einen Augenblick an ein Ende gekommen. Ein neues Narrativ bestimmte die Debatten, dass das baldige Finale des Öko-Systems Erde bevorstehe und damit der Untergang von Milliarden Menschen nahe sei. Die Bewegung, die dieses Narrativ verbreitet hat, ist nun selbst am Ende. Aber es bricht keine neue Zeit an. Die Protestaktionen werden entfallen, die Herausforderungen aber bleiben – und sie sind groß. Um zu verhindern, dass die jetzt lebende Generation tatsächlich die letzte ist, die den Untergang noch abwenden kann, braucht es politische Akteure, die ohne apokalyptische Narrative zu bedienen, entschieden eine effiziente und globale Klimapolitik auf den Weg bringen. Jetzt!