Verklärte Körper und herrliche KlängeOlivier Messiaens "Les corps glorieux"

Zum christlichen Bekenntnis gehört der Glaube an die Auferstehung des Fleisches. Eine schwierige Vorstellung: Werden tatsächlich eines Tages die Glieder der im Grab verwesten Toten wieder zusammengefügt? Der Komponist Olivier Messiaen hat mit seinem Orgelzyklus "Les corps glorieux" dem skandalösen Realismus der christlichen Auferstehungshoffnung musikalischen Ausdruck verliehen.

Der Komponist Olivier Messiaen
© Rob Croes/Anefo/Wikimedia Commons, CC0 1.0

I.

Er hat ein waches Gespür für die Mysterien des Glaubens gehabt – der französische Komponist Olivier Messiaen (1908–1992), der 60 Jahre Organist an der Pariser Kirche "La Trinité" war. Sein Werk Les corps glorieux ("Die verklärten Leiber") ist 1939 entstanden, der Zweite Weltkrieg war noch nicht ausgebrochen. Als habe der Komponist, der später selbst in einem Arbeitslager bei Görlitz inhaftiert war, eine deutliche Vorahnung vom großen Schlachten des Krieges und den Millionen von Opfern gehabt. Das siebenteilige Orgelwerk gibt der Hoffnung Ausdruck, dass wir nicht im Abgrund des Nichts versinken, dass wir nicht spurenhaft ins große All-Eine eingehen, sondern bei unserem Namen gerufen werden – berufen, das göttliche Antlitz zu schauen – und dies nicht irgendwie, sondern in verklärten Körpern, die uns bleibend als einmalige Personen erkennbar machen, als die wir auch gelebt und gewirkt haben.

II.

Den skandalösen Realismus der christlichen Auferstehungshoffnung hat sich Messiaen, der aus seinem katholischen Glauben nie einen Hehl gemacht hat, durch Thomas von Aquin näher erschlossen. Ein Spiritualismus, der die Vollendungshoffnung aufs Geistige zurücknimmt, war ihm suspekt. Schon die Kirchenväter lehnten die Vorstellung ab, dass Christus nur einen Scheinleib gehabt habe: "Caro cardo salutis. Das Fleisch ist der Angelpunkt des Heils", so die klangschöne Absage des Tertullian an den gnostischen Doketismus. In den frühen Glaubensbekenntnissen taucht die Formel von der resurrectio carnis, der "Auferstehung des Fleisches" auf. Demnach wird die Hoffnung auf Vollendung überall dort halbiert, wo der Leib des Menschen aus dem Horizont der Hoffnung herausgestrichen wird.

III.

Durch die Rede von der Auferstehung des Fleisches bestand die Tendenz, sich den Vorgang der Auferstehung nach dem Bild des Propheten Ezechiels vorzustellen, dass die Gebeine der Toten sich neu konfigurieren und spektakulär aus den Gräbern erstehen: "…und noch während ich redete, hörte ich auf einmal ein Geräusch: Die Gebeine rückten zusammen, Bein an Bein. Und als ich hinsah, waren plötzlich Sehnen auf ihnen und Fleisch umgab sie und Haut überzog sie…" (Ez 37,7–8). Im Grunde geht es darum, zwischen einer physizistischen Wiederherstellung der Leiber und der gnostischen Vorstellung eines "Scheinleibes" einen Mittelweg zu finden. Thomas von Aquin beschreitet diesen Weg, wenn er im 13. Jahrhundert gegen manichäische Strömungen und die Albigenser betont, dass Christus kein corpus phantasticum, keinen "eingebildeten Leib" gehabt habe. Er ist real Mensch geworden, ist real gestorben und ist auch real auferstanden. Die Narben der Wunden – cicatrices vulnerum – zeigen, dass der verklärte Körper des Auferstandenen kein anderer ist als der des Gekreuzigten. Die Seele ist die Form des Körpers – nicht nur hier, sondern auch drüben im Jenseits.

IV.

Zugleich betont Thomas die Andersheit der Körperlichkeit nach dem Tod. Der verklärte Leib ist anders, es kann etwas, was der Körper unter den Bedingungen von Raum und Zeit nicht kann. Es kann durch Türen gehen, sich dem Blick der anderen plötzlich entziehen, räumliche Entfernungen im Nu überwinden. Aber so wie es für Thomas ganz selbstverständlich ist, dass der verklärte Leib des Auferstandenen carnes et ossa et sanguis – Fleisch, Gebein und Blut aufweist – so schreibt er auch den verstorbenen Seelen nach der Auferstehung konkrete Leiblichkeit zu. Das rückt seine Theologie dann doch stark in die Nähe einer Wiederherstellung der im Grab verwesten Materiepartikel.

V.

Aber: Die verklärten Leiber werden in der Summa theologiae, dem theologischen Hauptwerk des Thomas, durch die Eigenschaften der claritas, der impassibilitas, der subtilitas und der agilitas näher beschrieben. Messiaen greift diese Beschreibung der postmortalen Leiblichkeit auf, verzichtet in seinem Kommentar zu Les corps glorieux aber – wie auch sonst – auf jede inhaltliche Aktualisierung. Dabei böten die potenzierten Gräuel der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts durchaus Anlass, über eine Aktualisierung dieser Eigenschaften nachzudenken. Es sei denn, man wollte sich in der Tugend der eschatologischen Geduld üben und mit Wittgenstein einfach über das schweigen, worüber man nicht genau reden kann. Da es sich aber um Überhangfragen handelt, die jeden mehr oder weniger betreffen, könnte man versuchsweise mit Messiaen über ihn hinausgehend sagen: Nach der dunklen Geschichte von Unrecht und Gewalt gibt es Verklärung und Licht (claritas); für die gehetzten und geschundenen, die körperlich versehrten, blindlings erschossenen, vergasten und in Öfen verbrannten Opfer gibt es neben der Restitution der Gerechtigkeit auch endgültige Befreiung von jedem Leid (impassibilitas); nach der Last der Beschwerden, den Entbehrungen von Hunger und Durst gibt es Leichtigkeit und Fülle (subtilitas); und nach der Internierung und Inhaftierung in enge Kerker und grausame KZs gibt es Beweglichkeit und Behändigkeit (agilitas).

VI.

Was in der Summa theologiae freilich blasse Begriffe bleiben, die im Horizont einer räumlich gefassten Topografie des Jenseits entwickelt werden, wird durch Messiaens Komposition in farbige Klangwelten überführt, die eine Vorahnung der himmlischen Stadt und ihrer Bewohner vermittelt. Es geht ihm um eine musikalische Feier des Mysteriums der Verklärung als Kontrapunkt gegen die Macht des Todes und das Grauen in der Geschichte. Mir fehlt die Sprache, die überwältigende Wirkung dieser Musik zu beschreiben – Messiaen spricht von éblouissement, einer akustischen "Überblendung" als Vorschein der kommenden Herrlichkeit. Wer Ohren hat, der höre…

VII.

In Les corps glorieux wird in der Registrierung immer wieder die Vox caelestis – die Himmelsstimme – gezogen.

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