In der evangelischen Kirche läutet der 16. Februar die Vorfastenzeit ein. Zeitgleich wird weltweit seit etwa 25 Jahren der "Internationale Mandeltag" gefeiert. Tatsächlich gibt es biblische Verbindungslinien, gilt die Mandorla doch als Symbol für Gottes Güte, Barmherzigkeit und die Pracht des Lebens.

I.

16. Februar – den Sonntag Septuagesimae sagt das Kirchenjahr an und läutet in der evangelischen Kirche die Vorfastenzeit ein. Schluss mit der weihnachtlichen Inkarnationsfülle. Lebkuchen war einmal. Die geistliche Aufmerksamkeit soll sich auf die Passion Jesu Christi und seine Auferstehung richten. Allerdings: Die Antependien bevölkern die Altar- und Chorräume in einem satten Grün. Passioniertes Violett ist als Paramentfarbe noch nicht angesagt. Da fragt sich: Wie sehr eigentlich liegt dieser Sonntag vor der Passion? Ganz weit vor, scheint der weltliche Tages-Holidayjubiläumskalender zu signalisieren. Der fordert auf, am 16. Februar 2025 den Tag der Mandel zu feiern. – Die Mandel aber ist schwerlich eine passionierte Fastenspeise, sondern Steinfrucht der Fülle.

II.

Eine lange Tradition hat dieser Mandeltag nicht. Wohl erst in den frühen 2000er Jahren in den Vereinigten Staaten als National-Almonds-Day vom Almond Board of California ins Leben gerufen, ist dieser Tag dann wenige Jahre später als "Internationaler Mandeltag" weltläufig geworden. Warum Amerika? Zweidrittel der weltweiten Mandelproduktion stammt aus den Vereinigten Staaten. Gräbt man etwas tiefer nach, nimmt die Idee dieses Tages eine geistreiche Wendung. Denn der kulinarisch-ökonomischen Ambition seiner Erfinder und seines Herkommens aus der Neuen Welt zum Trotz wohnt seiner Terminierung ein orientalischer Zauber inne. Denn im Unterschied zu seinem der Französischen Revolution entspringenden Vorgänger, der am Octidi 18 Thermidor (5. August) gefeiert wurde, also zur Zeit der Mandelernte, wird mit dem 16. Februar vielmehr dem extrem frühen Aufblühen der Mandelknospen die festliche Ehre gegeben.

Der Mandelbaum, ein Rosengewächs, das atemberaubend schön mitten im Winter ein weißes Blütenmeer hervorzaubert. Septuagesimae – Almonds Day – Es ist ein Ros entsprungen, dieses Mal aber auf Karfreitag und Ostern hin. Was kulinarisch oberflächlich erscheint, schlägt in symbolischen Tiefsinn biblischen Ausmaßes um.

Gottes Wachsamkeit, die Sorge um das Leben, nun auch im Sinne einer sorgsamen Güte und Barmherzigkeit und das zukunftsträchtige Aufbrechen von schönster Pracht in einer lebensfeindlichen Kälte kommen zusammen in der Mandel, der Mandorla. Und in ihr, von ihr umgeben, lichtscheinartig, blauleuchten, goldleuchtend immer wieder und vor allem Jesus Christus.

III.

Nur wenige Züge zu vergegenwärtigen genügt: Die Mandel, Gastgeschenk der Brüder für den preisgegebenen Bruder Josef (Gen 43,11). Der Prophet Jeremia schaut im frühen Jahr den erwachenden Zweig. Und Gott spricht "wachend bin ich über meinem Wort, es zu tun" (Jer 1,11). Zeichen für Gott, den hellwachen, der tut, was er sagt. Über die etymologische Verwandtschaft des hebräischen Namens für die Mandel und den Mandelbaum, nämlich saqed, mit dem Verb "bewachen, Sorge tragen" wird gestritten.

Der Prophet Jeremia jedenfalls zieht die Verbindung unmittelbar. Bei ihm kommt das in aufrüttelnder Weise bedrohlich daher, mit einem gehörigen Maß an Realitätssinn, der auch dieser Tage gefordert ist. Dieser Modus weitet sich im Erzählstrom der biblischen Zeugnisse und der sie aufnehmenden christlichen Symbolik. Gottes Wachsamkeit, die Sorge um das Leben, nun auch im Sinne einer sorgsamen Güte und Barmherzigkeit und das zukunftsträchtige Aufbrechen von schönster Pracht in einer lebensfeindlichen Kälte kommen zusammen in der Mandel, der Mandorla. Und in ihr, von ihr umgeben, lichtscheinartig, blauleuchten, goldleuchtend immer wieder und vor allem Jesus Christus.

IV.

Die Mandorla ist mehr als Heiligenschein und Aura, nicht nur deswegen, weil sie Christus ganz umgibt. Vielmehr ist sie in ihrer Form Schnittmenge zwischen den Kreisen des Heiligen und des Profanen, zwischen den Kreisen von Geist und Leib, Gott und Mensch, Himmel und Erde, zwischen Gottes ewige Wachsamkeit und seine der Schöpfung zugewandten Barmherzigkeit, an der die Unterscheidung der gerechten und ungerechten Geister zur Entscheidung kommt, Schnittmenge von Leben und Tod. Gerade das hat Paul Celan in seinem Gedicht Mandorla markant in Sprache gefasst und hatte da wohl die Apsiskalotte der Chapelle des Moines (Berzé-la-Ville) vor Augen: "In der Mandel – was steht in der Mandel?/ Das Nichts./ Es steht das Nichts in der Mandel./ … Im Nichts – wer steht da? Der König/ Da steht der König, der König."

"Leere Mandel königsblau" – seine Schlusspointe. Bei Raffael ist zuvor dieses irrisisierende Stehen in Leere und König und königlichem Blau zu einem Reden in mandelüppiger Fülle, zu einem aufregenden ekklesiologischen Gespräch geworden. Viele sitzen da, aber so gar nicht gottesdienstlich protestantisch. Im oberen Zentrum seiner Disputà, Christus in der Mandorla eingebunden in das Gnadenstuhlmotiv von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Dieses Motiv wiederum ist Inbegriff der ins Opfer hineingehenden stellvertretenden Lebenshingabe des dreieinigen Gottes in Jesus Christus. Jesus Christus, unser von uns preisgegebene Bruder, der dennoch und gerade deshalb für uns eintritt …

Wo bleibt die künstlerische Metamorphose, die diese wirklich hinreißende Männergesellschaft im Zeichen der Mandel mit ihrer atemberaubend krassen Frauenminorität in andere Geschlechterverhältnisse versetzt?

V.

In die Mandorla hineingenommen Maria und Johannes der Täufer, der fragend Kontakt mit dem am äußersten himmlischen rechten Rand freilich zur linken Christi sitzenden Paulus nimmt. Hat er, Johannes, auch alles richtig verstanden, was Paulus nicht nur in seinem Römerbrief an apostolischer Einsicht gewonnen hat? Von rechts nach links bis zum Schlüsselapostel Petrus ein reger himmlischer Austausch zwischen Aposteln, Mose und David. Und nun, treibt die Heilige Geisttaube, sie umflogen von Engeln, die die vier Evangelien in ihren Händen halten, goldene Strahlen hinunter und hinein in die Monstranz auf dem Altar. Gottes Geist ist es, der Himmel und Erde zum Leib der Lebensansage Gottes macht.

VI.

Das zentrale Medium der Oblate, der Hingabe Jesu Christi, wird umlagert von lesenden, den biblischen Texten, der Theologie und Philosophie zugewandten diskutierenden und schauenden Menschen, Dante unter ihnen. Bleibt als einer der Fragen: Wo bleibt die künstlerische Metamorphose, die diese wirklich hinreißende Männergesellschaft im Zeichen der Mandel mit ihrer atemberaubend krassen Frauenminorität in andere Geschlechterverhältnisse versetzt?

Eucharistie und Abendmahl – barmherzig wachsame sakramentale Vorboten in der Eiseskälte dieser Welt. Es wird höchste Zeit, sie so zu feiern, dass dies den Feiernden selbst und denen, die vom Rande her schauen und sehen, endlich aufgehen kann.

VII.

"In Gottes Händen geborgen", intoniert der Wochenpsalm zu Septuagesimae. In einer zugigen Welt, in demokratischen Situationen mitten in Europa, in der nicht zu knapp von Ost und nun auch anhebend aus West der kalte Wind der Verständnislosigkeit durch die Ritzen der Nationen pfeift … allumfassend … Gottes wachsame, barmherzige Hände. Die Mandorla, so gesehen, ein Konzentrationsort und Schnittmenge, die durch die bergenden Hände Gottes ausgeleuchtet wird. Und aus ihr entspringt die Monstranz als Spiegelung der Güte Gottes, wie sie in Jesus Christus wahrhaftig Gestalt geworden ist und sich Tag für Tag leidenschaftlich preisgibt und dargibt. Da ist aus der göttlichen Mandorla heraus mehr als weltliche Mandelseligkeit.

Eucharistie und Abendmahl – Hostie und Oblate, von Gottes Händen umfangen, die geistlichen Frühblüher und barmherzig wachsamen sakramentalen Vorboten in der Eiseskälte dieser Welt. Es wird höchste Zeit, sie so zu feiern, dass dies den Feiernden selbst und denen, die vom Rande her schauen und sehen, endlich aufgehen kann.

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