I.
Ich bin gerade in Rom angekommen und verspüre gleich das Bedürfnis, ein sauberes, weißes Hemd anzuziehen. Es ist in Italien zwar auch nicht mehr so weit her mit der Bella Figura. Aber das Diktat des Praktischen in der Kleidung ist unter den Italienern doch bei weitem nicht so dominant wie in Deutschland.
II.
Ein Satz, der im Zusammenhang mit fast jeder Beerdigung zu hören ist, lautet: Der oder die Verstorbene "hätte es so gewollt". Dabei geht es meist um Gestaltung und Ablauf der Beerdigung, um die Auswahl von Texten und Liedern, um Blumenschmuck und dergleichen mehr. Man ehrt den Verstorbenen auch damit, dass die Form der Bestattung irgendwie "in seinem Sinne" ist.
III.
Vor der Abreise sehe ich im Internet die Bilder von der Überführung des verstorbenen Papstes aus der Kapelle der Casa Santa Marta in den Petersdom. Kardinal Kevin Farrell, der als "Kardinalkämmerer der Heiligen Römischen Kirche" derzeit eine wichtige Rolle spielt, trägt einen prächtigen, gold-roten Chormantel. Zwei Diakone in passenden Dalmatiken begleiten ihn. Auf "X" schreibt jemand, diese hübschen Gewänder seien zuletzt während des Pontifikats von Benedikt XVI. zu sehen gewesen. Hätte Franziskus gewollt, dass sie ausgerechnet zu seiner Verabschiedung wieder zum Einsatz kommen?
IV.
Der Verblichene muss eine ausgesprochene Abneigung gegen allzu schmuckvolle liturgische Kleidung gehabt haben. Jahrelang trug er bei fast jeder Gelegenheit die selbe, scheußliche braun-beige Mitra auf dem Kopf. In Gewändern aus der Barockzeit und dem 19. Jahrhundert, in der Sakristei des Petersdoms reichlich vorhanden, sah man ihn nie. Die anderen Würdenträger im Vatikan passten sich seinem Stil an.
V.
Die Anekdote, der zufolge Franziskus nach seiner Wahl und vor seinem ersten Auftritt auf der Loggia des Petersdoms die üblichen Kleidungsstücke und Insignien mit den Worten abgelehnt haben soll: "Der Karneval ist vorbei" ist entweder wahr oder gut erfunden.
VI.
Kardinal Farrell in einem solchen Ornat bei den Riten zur Verabschiedung des verstorbenen des Papstes: Dass die von Franziskus gepflegte "ostentative Bescheidenheit" so schnell passé sein würde, hätte ich nicht gedacht.
VII.
Für Franziskus war das Vermeiden von Opulenz ein Ausdruck seines Amtsverständnisses. Der "Verzicht auf äußere Zeichen päpstlicher Macht", schreibt der islamische Theologe Tugrul Kurt, sei "Ausdruck einer geistlichen Haltung" gewesen: "Autorität entsteht nicht durch Erhöhung, sondern durch Nähe, nicht durch Abstand, sondern durch Ansprechbarkeit". Wie passt das aber zu all den Klagen über eine extrem autoritäre und erratische Amtsführung von Franziskus, die man immer wieder aus Kurienkreisen hören konnte?
VIII.
Deutsche Bischöfe lassen gerne "bescheiden" und "einfach" wirkende Hirtenstäbe anfertigen. Sie könnten auch etwas Neogotisches aus dem Fundus nehmen. Günstiger wäre es in jedem Fall.
IX.
Der demonstrative Verzicht auf traditionelle Insignien gilt als Ausdruck der Demut. Dagegen ist eingewandt worden, es sei eigentlich demütiger, wenn man sich in die vorgegebene Rolle fügt, ihre Formen übernimmt, ob sie einem nun persönlich zusagen, oder nicht – und gerade so eine für die katholische Kirche zentrale Unterscheidung deutlich macht. Der Schmuck zeichnet in der Kirche ja nicht den Träger aus, seine Verdienste und menschliche Qualitäten, sondern steht für die Institution. "Wie sitzt es sich auf einem Stuhl, den man nicht besitzt?", fragt Paul-Henri Campbell in seinem Stück über die Kathedra. Und er schreibt weiter: "Der Kirchenbauer auf dem Felsen ist Christus, nicht Petrus. (…) Damit ist eine revolutionäre und moderne Unterscheidung geboren, die jedem Diktator und Tyrannen große Angst einflößen muss: die Unterscheidung von Amt und Person".
Da ist was dran.
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