Beichthören bei einem Jugendtreffen: Noch nie äußerten junge Menschen so intensiv ihr Leiden an den Auswirkungen von Smartphone und Social Media. Ein Drittel des Tages gehe verloren, es bleibe kaum Zeit für Gebet und Zusammensein mit Freunden. Sie fühlten sich isoliert von Gott und den Menschen. Leere und Traurigkeit besetzten die Seele. Männer klagen oft über Pornosucht, Frauen über die Qual des Vergleichens mit Social-Media-Idealfiguren.
Gibt es ein Entkommen von der digitalen Schicksalsmacht?
In die Klage mischt sich oft Hoffnungslosigkeit. Denn das Handy wird als Fatum erfahren, der Umgang gleicht jenem mit numinosen Mächten. Dem kleinen Gerät gebührt uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Der Oberkörper neigt sich ständig zum Bildschirm hin, diesem Faszinosum und Tremendum – getrieben von der Angst: ich gehöre nicht (mehr) dazu, ich bekomme zu wenig Aufmerksamkeit, ich bin verworfen. Gibt es kein Entkommen vor der digitalen Schicksalsmacht?
"Ich selbst lebe gut ohne Handy." Wenn ich dies offenbarte, las ich auf den Gesichtern hoffnungsvolles Aufmerken, meistens aber ungläubiges Staunen. Darauf ergänzte ich: "Weißt du, als Mönch kann ich mir diesen Luxus leisten." Damit die aufkeimende Hoffnung nicht gleich zusammenbrach, wies ich darauf hin, dass dieses Luxusgut auch für Menschen außerhalb des Klosters zugänglich sei. Ich erzählte von der Literaturkritikerin Daniela Strigl, die in einem Interview erläuterte, weshalb sie kein Handy habe: "Man könnte ja auch Leute fragen, warum sie ein Handy haben. Es ist eine Bequemlichkeit, die ich mir leiste, die den anderen vielleicht das Leben schwer macht. Ich habe ein Handy selten wirklich vermisst. Ich bin ja nicht die Feuerwehr. Es gibt selten literarische Notfälle, bei denen man sofort einschreiten muss." Die Begründung für den Handy-Verzicht lässt aufhorchen: "Dafür lohnt es sich jedenfalls nicht, seinen Seelenfrieden zu riskieren und immer erreichbar zu sein."
Das klingt wie monastische Insidersprache. Die Mönche wissen: Wenn ich die Hesychia, den "Seelenfrieden", suche, muss ich Verzicht üben. In der Gegenwart Gottes leben kann ich nur, wenn ich den Lärm der Welt lasse. Andere Stimmen und Götzen-Bilder muss ich fliehen, um dem Lebensideal Benedikts von Nursia zu folgen: "Allein, unter den Augen Gottes, der aus der Höhe herabschaut, wohnte er in sich selbst."
Loslassen
Nicht immer ist in der Askese der Total-Verzicht möglich. Deshalb erzählte ich den jugendlichen Pönitenten auch von zeitlichen Begrenzungen des Internet-Konsums. Im Kloster ist um 23.00 Uhr Blackout für den Internet-Surfer. Mir hilft es, wenn ich mich an meine Regel halte: Läutet es zur Vesper um 18.00 Uhr, dann fahre ich den Computer herunter; so fällt es mir leichter, auch in dieser Hinsicht das "Schweigen während der Stunden der Nacht" (RB 42,1) einzuhalten. Ein junger Mann ergänzte, ihm helfe auch eine räumliche Begrenzung: Im Schlafzimmer habe das Handy keinen Platz.
Inwiefern kann ich mir gerade als Mönch den Luxus leisten, ohne Handy zu leben? Ich orientiere mich am heiligen Benedikt. Weil er "Gott allein gefallen wollte", entschied sich der junge Mann zum dreifachen Rückzug: von ungeordneten Begierden, von weltlichem Status, von Verfügungsmacht aufgrund von Wissensmaximierung. All diese Verzichtsleistungen deutet die Benediktsvita im Prolog als Freiheitsgewinn. Poetisch formuliert es Reiner Kunze im Gedicht "Leichte Beute":
Sie halten sich am handy fest
Was ist und war
ist abrufbar
mit der fingerkuppe
Doch sie wissen schon nicht mehr,
was sie nicht mehr wissen