Dieser Begriff bringt für den heiligen Benedikt etwas zum Ausdruck, das dem Christentum fundamental widerspricht. Was hat es damit auf sich?

Crapula – ein nahezu lautmalerisches Wort, bei dem man auch ohne Kenntnis der lateinischen Sprache, allein schon vom Klangeindruck, vermuten muss, dass es sich dabei um nichts Schönes oder Gutes handeln kann. Dieses Wort kommt in der Benediktregel vor, und zwar in einer für das Gesamtkonzept der Regel eher unüblichen Aussage. Das Anliegen Benedikts ist es, wie er im ersten Kapitel ausdrücklich sagt, den in einer klösterlichen Gemeinschaft lebenden Mönchen, den sogenannten Koinobiten, eine Ordnung zu geben, mit deren Hilfe sie ihr Christsein ihrer speziellen Lebensform entsprechend gestalten können. Andere Ausdrucksformen christlichen Lebens, wie die Familie oder das Einsiedlertum, hat Benedikt dabei nicht im Blick. Aber eine Ausnahme gibt es in der Regel, in der Benedikt nicht nur über die Lebensgestaltung der Mönche, sondern ganz grundsätzlich über das Christsein spricht, und hier spielt das Wort crapula eine entscheidende Rolle: "Nichts", schreibt Benedikt, "steht so im Gegensatz zu einem Christen wie crapula" (RB 39,8).

Was verbirgt sich hinter diesem Begriff und warum betont Benedikt so nachdrücklich, dass es wirklich nichts gibt, das dem Christsein mehr widerspricht als dies? Der Kontext, in dem crapula in der Benediktregel sogar mehrmals begegnet, sind die beiden Kapitel über das Essen und Trinken (vgl. RB 39.40). Übersetzt wird crapula meist mit "Unmäßigkeit".

Würde man nicht etwas ganz anderes erwarten, wenn es um die Frage geht, was absolut unchristlich ist? Vielleicht Hass, Lüge oder Habgier?

Vielleicht, liebe Leserin, lieber Leser, werden Sie spontan denken: Was soll daran denn so schlimm sein? Würde man nicht etwas ganz anderes erwarten, wenn es um die Frage geht, was absolut unchristlich ist? Vielleicht Hass, Lüge oder Habgier? Die Warnung vor "Unmäßigkeit", zumal im Zusammenhang mit Essen und Trinken, scheint doch eher ein Thema der Selbstfürsorge zu sein und nicht in den Bereich des Glaubens, sondern in den von Fitness und Gesundheit zu gehören! Wieso bricht ausgerechnet hier für Benedikt ein eklatanter Gegensatz zum Christsein auf?

Die Begründung liefert Benedikt im unmittelbaren Anschluss an seine apodiktisch anmutende Aussage, indem er ein Jesuswort aus dem Lukasevangelium zitiert (vgl. RB 39,9). Jesus selbst spricht die Warnung vor der "Unmäßigkeit" aus, und zwar keineswegs aus medizinischen Gründen: "Nehmt euch in Acht, dass Rausch (crapula) und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht" (Lk 21,34).

Das "schwere Herz"

Die Einheitsübersetzung gibt den Begriff an dieser Stelle mit "Rausch" wieder. Daran wird ein zentraler Aspekt von crapula deutlich, nämlich dass es um den Effekt einer Betäubung der Wahrnehmungsfähigkeit, eigentlich sogar um Realitätsverweigerung geht. Jesus bringt das übermäßige Essen und Trinken auf eine Ebene mit den "Sorgen des Alltags"; beide bedrücken den Menschen, physisch und psychisch; sie "machen das Herz schwer". Und das "schwere Herz" steht im Widerspruch zum Christsein.

In den Abschiedsreden des Johannesevangeliums spricht Jesus über die christliche "Beschaffenheit" des Herzens: "Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!" (Joh 14,1) Hinter der "Unmäßigkeit", die – gerade im Essen und Trinken – auch eine verzweifelte Suche nach Halt und Sicherheit sein kann, verbirgt sich ein subtiler Unglaube, ein Zweifel daran, dass Gott den Lauf der Welt und ihrer Geschichte und die eigene Biografie zu einem guten und glücklichen Ende bringen wird.

In den Schriften des Neuen Testaments ist das die Hoffnung auf den "Tag des Herrn", über den der Apostel Paulus schreibt: "Die Nacht ist vorgerückt und der Tag ist nahe (…). Lasst uns also leben wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken" (Röm 13,12f).

In der altlateinischen Bibel, der Vetus Latina, steht an dieser Stelle übrigens auch das Wort crapula; diese Übersetzung hatte Augustinus zur Hand, als ihm beim Lesen genau dieser Verse des Römerbriefs die Augen aufgingen und er plötzlich zuinnerst wusste, was es heißt, Christ zu sein (vgl. conf. 8,12).

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