Gemeinschaft ohne GrenzenDie Kirche und der Krieg

Die Kirche umspannt die ganze Welt und überschreitet alle ethnischen und nationalen Grenzen. Ihr Auftrag ist es, weitergeben, was sie von Jesus Christus empfangen hat: Versöhnung und Frieden.

Urban Federer
© Kloster Einsiedeln

Ist Religion ein Kriegsgrund? Ein Gedanke, der eigentlich jeder Religion zutiefst zuwiderlaufen sollte. Dennoch werden auch in aktuellen Konflikten immer wieder Religionen bemüht, wenn Menschen einander bekriegen. Ähnlich haben Philosophien und vor allem Ideologien und totalitäre Lehren wie Faschismus und Kommunismus Gründe geliefert, warum Gebiete annektiert und Menschengruppen umgesiedelt oder gar vernichtet wurden. Offenbar greift der Mensch gerne und schnell auf verschiedenste Narrative zurück, um seine Habgier zu befriedigen. Seit dem 19. Jahrhundert gehört dazu auch der Nationalstaat oder die Nation. Um eine Nation zu bilden, wird eine sprachliche, kulturelle oder ethnische Einheit angestrebt. Auch hier gilt: Menschen greifen gerne auf Ideen und Geschichten zurück, die sie scheinbar legitimieren, sich zu nehmen, was ihnen nicht gehört, und auszuschalten, was sie stört.

Die Kirche ist von ihrem Wesen her katholisch, was "allumfassend" meint. Sie ist zuerst einmal nicht an nationale oder ethnische Grenzen gebunden. Kirche bilden vielmehr die Getauften: Frauen und Männer, Jung und Alt, Menschen aller Sprachen, Hautfarben, Nationen und Kulturen. Natürlich muss Kirche immer vor Ort erfahrbar sein; ihr Leben findet in einer konkreten Gemeinde statt. Dennoch kannten ihre Teilkirchen über Jahrhunderte hinweg keine Landesgrenzen. Sie waren immer größer gedacht als der Raum, den einzelne Volksgruppen überblickten. In Mitteleuropa etwa dehnte sich das alte Bistum Passau über Wien bis an die Westgrenze Ungarns aus. Und das Bistum Konstanz reichte vor die Tore Berns und bis in das Gebiet nördlich von Stuttgart. Ob die Größe solcher Bistümer sinnvoll war, soll die Geschichtsschreibung beurteilen. Eines konnten diese Teilkirchen allerdings nicht: in nationalen Kategorien denken. Das sollte Kirche auch heute nicht, will sie nicht für nationalistische Zwecke und Kriege eingespannt werden.

Getaufte sollen Werkzeug des Friedens sein. Nie darf darum unser Glaube ein Anlass für Trennung und Kriege sein. Vielmehr lebt die Kirche aus dem Glauben heraus als "ein Volk".

"Bis ans Ende der Zeiten versammelst du dir ein Volk, damit deinem Namen das reine Opfer dargebracht werde vom Aufgang der Sonne bis zum Untergang. Darum kommen wir vor dein Angesicht und feiern in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche den ersten Tag der Woche als den Tag, an dem Christus von den Toten auferstanden ist." Diese Sätze aus dem dritten eucharistischen Hochgebet zeigen, dass Christinnen und Christen sich an einem Sonntag zwar in einer konkreten Feiergemeinde treffen. Zeit und Raum werden dabei allerdings bewusst überstiegen. Diese Feststellung soll nicht etwa Ausdruck von Hochmut sein, sondern ist Auftrag und Sendung zugleich: Die Versöhnung und der Friede, die Christus den Getauften schenkt, ist der Kirche für die Welt aufgetragen, und zwar überall dort, wo sie lebt, über alle nationalen und konfessionellen Grenzen hinweg. Kirchesein bedeutet darum Friedensarbeit: Getaufte sollen Werkzeug des Friedens sein. Nie darf darum unser Glaube ein Anlass für Trennung und Kriege sein. Vielmehr lebt die Kirche aus dem Glauben heraus als "ein Volk".

Die Gemeinschaft der weltweiten Kirche ist darum nicht nur Herausforderung, sondern auch Chance: Auf allen Kontinenten und in allen Ländern, wo Kirche lebt, wird Jesus Christus – so das Hochgebet – in seiner Hingabe für den Vater und die Welt gefeiert. Wer sich dieses Werk des Friedens nicht nur schenken lässt, sondern in der eigenen Hingabe für die Menschen weitergibt, arbeitet in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche an einem Narrativ, das für diese Welt den Frieden sucht.

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