Benediktiner unterschreiben ihre Briefe und Bücher gerne mit U.I.O.G.D. ("ut in omnibus glorificetur Deus"), das bedeutet: "Damit in allem Gott verherrlicht werde." Sie verbinden mit diesem Motto aus der Benediktsregel (RB 57,8) den Wunsch, dass in allem, was sie tun, was sie von sich geben, was geschieht, Gott eine Rolle spielen möge und ihm die Ehre gegeben werde. Dann schauen wir mal, wo dieses Motto heute noch anwendbar ist. Und zwar in allem! Scheint es doch, dass es Gott, Religion und Kirche in unserer Gesellschaft, die wir zuweilen als "säkular" bezeichnen, immer weniger braucht. Viele Bereiche des Lebens sind "autonom" und völlig unabhängig von Gott. Das gilt zum Beispiel für die Wissenschaften, die früher noch mit der Theologie eng verknüpft waren. Es gilt inzwischen für die Ethik. Es gilt für die Kunst. Während die Kirche in der Vergangenheit der große Mäzen war, spielen ausdrücklich religiöse Motive heute keine große Rolle. Auch hier ist die Kirche, wie in vielen Bereichen, nicht nur nicht mehr Avantgarde, sondern von geringem Interesse. Auch im praktischen Leben geht es ohne Gott: Hochzeiten, Beerdigungen, Initiationsriten. Ja, selbst die Theologie versucht in Teilen explizit ohne Gott auszukommen. Sind Glaube und Gott überhaupt noch anschlussfähig? Wie kann Gott heute noch – oder wieder – "in allem verherrlicht werden"?
Die Antwort ist einfach und herausfordernd zugleich: indem wir ihn ins Spiel bringen. Indem wir von ihm erzählen und davon, was uns Kirche, Glaube und Gott bedeuten – ganz konkret. Warum macht der Glaube in meinem Leben einen Unterschied? Wo habe ich Gott erfahren, in der Familie, in der Gemeinde, in der Liturgie, in einer Notsituation? In den Ostergeschichten erzählen die Jünger und Jüngerinnen einander, wie sie den Auferstandenen erlebt haben. Wir sind gewohnt, dieses Zeugnis der Institution Kirche zu überlassen. Aber beim Glauben geht es um Beziehung, um Vertrauen. Warum vertraue ich – persönlich – Gott? Als Wissenschaftler, als Hausarzt, als Künstler, als Mutter, als Vater, als Psychotherapeutin.
Es ist schon witzig, dass wir uns fragen, ob Gott heute noch anschlussfähig sei – er, der uns geschaffen hat. Die Frage ist eher, ob wir an ihn anschlussfähig sind.
Vielleicht klingt das etwas zu "pfingstlerisch". Aber ich bin davon überzeugt, dass eine nachhaltige und wirksame Erneuerung der Kirche nur von diesem Zeugnis herkommen kann. Wir brauchen dabei nicht zu übertreiben. Wenn Gott für mich irgendwo (noch) keine Rolle spielt, muss ich ihn nicht hineinpressen. Und dennoch spielt er eine Rolle, wenn er Gott ist. Das Schöne ist ja, dass es Gott gar nicht nötig hat, anschlussfähig zu sein. Für "den Anschluss" hat er selbst gesorgt, durch seine Propheten und schließlich durch seinen Sohn: "Jetzt verherrliche du mich, Vater, mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war. (…) Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein; in ihnen bin ich verherrlicht!" (Joh 17,5.10) Es ist an uns, seine Herrlichkeit in uns zu entdecken. Ihn zu verherrlichen durch unsere Worte und auch durch unsere Taten und Gebete. Es ist schon witzig, dass wir uns fragen, ob Gott heute noch anschlussfähig sei – er, der uns geschaffen hat. Die Frage ist eher, ob wir an ihn anschlussfähig sind.