Die Altersstruktur in den Ordensgemeinschaften lässt uns zurecht fragen, wie sich kleinere Gemeinschaften neu begreifen und organisieren können und wann Prozesse der Auflösung auf welche Weise eingeleitet werden müssen. Mindestens ebenso viel Energie sollte jedoch dafür verwendet werden, danach zu trachten, junge Menschen anzuziehen und für sie eine gute Formation bereitzustellen. Dazu können meines Erachtens verschiedene Studien anregende Gesichtspunkte liefern.
Berufungen sind vor allem davon motiviert, mit Gleichgesinnten das eigene geistliche Leben zu vertiefen. Eine unterscheidbare Lebensweise, Liturgie und spiritueller Fortschritt sind auch den jungen Mitgliedern apostolischer Orden wichtiger als die konkreten Aufgabenfelder.
Das Center for Applied Research in the Apostolate (CARA) der Georgetown University in Washington, D.C. hat in einer Studie von 2009 sowie in einer Studie von 2020 alle Neuzugänge in Orden der USA der jeweils vorangegangenen 15 Jahre befragt. Damit konnte mit gesichertem Datenmaterial dargestellt werden, welches Profil junge Ordensleute heute haben und was sie dazu gebracht hat, in ihre Gemeinschaft einzutreten. Berufungen sind demnach vor allem davon motiviert, mit Gleichgesinnten das eigene geistliche Leben zu vertiefen. Eine unterscheidbare Lebensweise, Liturgie und spiritueller Fortschritt sind auch den jungen Mitgliedern apostolischer Orden wichtiger als die konkreten Aufgabenfelder.
Die jungen Ordensleute sollen für sich gesehen und nicht ständig im Licht der allseits bekannten und in der Tat exorbitanten Zahlenverschiebung in der Ordenslandschaft gesehen werden!
Aus den Daten ist ersichtlich, dass es zur Zeit der Abfassung dieser beiden Studien in den Vereinigten Staaten mehr über 90-jährige Ordensleute als unter 30-jährige gab. Ich halte es für bedeutsam, dass diese Information erst in den Statistiken entdeckt werden muss und nicht in der verbalen Auswertung auftaucht, geschweige denn bei den Präsentationen eine Schlagzeile bildete. Offenbar wollte man bewusst vermeiden, dass zahlenmäßige Vergleiche alle Aufmerksamkeit auf sich lenken. Die jungen Ordensleute sollen für sich gesehen und nicht ständig im Licht der allseits bekannten und in der Tat exorbitanten Zahlenverschiebung in der Ordenslandschaft gesehen werden!
Die "Neuen" werden jünger
Die Studien der Georgetown University stellen neben den zentralen qualitativen Gesichtspunkten durchaus quantitative Vergleiche an, aber eben innerhalb der Gruppe der befragten jungen Ordensleute. Das Durchschnittsalter der Neuzugänge sank im Vergleichszeitraum zwischen den Studien von 2009 und 2020 bei Männern von 30 auf 28, bei Frauen von 32 auf 29. In den USA sind mittlerweile die Hälfte aller, die in der Ausbildung vor den Ewigen Gelübden stehen, unter 30 Jahre alt.
Im Vorwort zur ersten Untersuchung schrieb der damalige Direktor der National Religious Vocation Conference (NRVC), Bruder Paul Bednarczyk CSC, der seit 2022 der erste Generalobere ohne Priesterweihe in Rom ist: "Wie uns die Studie zeigt, rufen uns die neuen und jungen Ordensleute dazu auf, die katholische Liturgie, die ordenseigene Identität und das Gemeinschaftsleben neu zu schätzen."
Neben den beiden Studien aus den USA hat die Soziologin und Ordensschwester Mary L. Gautier auch in Kanada eine ähnliche Studie durchgeführt, die 2018 veröffentlicht wurde und zum gleichen Schluss kam: Neue Mitglieder finden ihre Gemeinschaft dann attraktiv, wenn diese eine klare "Mission" hat.
Einen anderen Eindruck vermittelt eine Studie der australischen Ordenskonferenz aus dem Jahr 2010. Sie wählte den Zugang, die Ordenslandschaft von den Zahlen her zu erfassen und verfängt sich in der Wahrnehmung einer Abwärtsspirale, auch rein sprachlich: "nur 75 Prozent" jener, die zwischen 1997 und 2008 eingetreten waren, sind am Ende des Erhebungszeitraumes noch im Orden gewesen. "Nur noch" 144 Ordensleute unterrichteten 2009 in den 1.223 katholischen Volksschulen, auch in Gymnasien würden "nur noch relativ selten" Ordensangehörige sein.
Aus einem Vergleich der Studien können wir lernen, dass wir nicht danach fragen sollten, wie viele im Vergleich zu früher noch in einen Orden eintreten, sondern die neue Situation akzeptieren und sehen, welche Anziehungskraft das gottgeweihte Leben heute ausübt.
Aus einem Vergleich der Studien können wir lernen, dass wir nicht danach fragen sollten, wie viele im Vergleich zu früher noch in einen Orden eintreten, sondern die neue Situation akzeptieren und sehen, welche Anziehungskraft das gottgeweihte Leben heute ausübt. In diesem Sinn hat die Konferenz der männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften Frankreichs 2016 eine Untersuchung zur Wahrnehmung des Ordenslebens in der französischen Bevölkerung, zum anderen eine Befragung neuer Mitglieder in den Orden vorgelegt; beides zusammen zu betrachten führt zu einer frischen Sicht auf das Ordensleben. Nathalie Becquart XMCJ, von 2012 bis 2018 Direktorin für Berufungspastoral der französischen Bischofskonferenz und seit 2021 an der Römischen Kurie einflussreiche Untersekretärin des ständigen Synoden-Sekretariats, hat wiederholt betont, die Kirche müsse sich von einer vergleichenden Rückschau auf vergangene Zeiten befreien und sehen, was neu im Entstehen sei und wie das Ordensleben in Frankreich gerade auch junge Menschen fasziniere.
Geschichten junger Ordensleute wahrnehmen
Um das deutlich zu machen, legt sich ein narrativer Zugang nahe, den etwa eine Studie aus Großbritannien (2020) mit katholischen und anglikanischen Frauen gewählt hat, die seit 2000 in eine Gemeinschaft eingetreten sind. In Irland erschien 2017 eine vergleichsweise kleine Studie, in der qualitative Interviews und Fragebögen von in der Berufungspastoral tätigen Personen sowie jungen Ordensleuten ausgewertet wurden.
Die zitierten Studien können – gerade auch im Vergleich miteinander – ein Anlass sein, Berufungen zum Ordensleben neu zu thematisieren und sie weniger im Vergleich mit der Vergangenheit, sondern als Signale für neue Wege in die Zukunft zu sehen. Der internationale Blick darf aber nicht zum Fehlschluss führen, damit das Ordensleben weltweit erfasst zu haben. Ich habe am Monastischen Institut der Benediktinerhochschule Sant'Anselmo in Rom die Studien vorgestellt und gesehen: Während die Studierenden aus dem westlichen Kulturkreis die Ergebnisse als Spiegel ihrer Erfahrungen sahen, drängten sich für die Brüder und Schwestern aus Afrika, Lateinamerika und Asien andere Fragestellungen auf.
Das in den Studien skizzierte Profil einer neuen Ordensgeneration bildet einen kleinen Teil der Wirklichkeit der Ordensgemeinschaften insgesamt ab. Aber die jungen Ordensleute von heute werden morgen ihre Gemeinschaften prägen und nach außen hin darstellen. Die zitierten Untersuchungen fordern uns jedenfalls heraus, eine Berufungskultur zu schaffen, in der mit Sensibilität und einem hohen Grad an Reflexion die Bedingungen untersucht und geschaffen werden, die jungen Menschen ermöglichen, ihren Weg der religiösen Ganzhingabe zu gehen.