Der Rhythmus der SeeleÜber das Singen

Für Benediktinerinnen und Benediktiner ist das Singen Herzenssache.

Justina Metzdorf
© privat

Wer schon einmal Gesangsunterricht genommen hat oder in einem Chor mitsingt, weiß aus eigener Erfahrung, dass es einen Unterschied gibt zwischen Gesangsprofis und Amateuren. Der Unterschied zeigt sich besonders in der Gesangstechnik und oft auch im musikalischen Wissen. In benediktinischen Klöstern kommt dem Singen eine bedeutende Rolle zu, und die Gesänge der gregorianischen Tradition, die in den meisten Benediktinerklöstern gepflegt wird, sind durchaus anspruchsvoll, aber nicht jeder Mönch und nicht jede Nonne ist gleichermaßen musikalisch begabt oder gar professionell ausgebildet. Die Frage, wie der liturgische Gesang technisch ausgeführt und ästhetisch ausgedrückt werden soll, hat in den Gemeinschaften durchaus eine gewisse Brisanz.

In der Benediktsregel gibt es keine Anweisungen darüber, wie der Gesang beschaffen sein soll, dafür aber sagt sie einiges über die Beschaffenheit des Singenden. Aufschlussreich ist hier eine Formulierung am Ende eines Abschnitts der Klosterregel, der sich über mehrere Kapitel erstreckt und die Psalmenordnung in den verschiedenen Gebetszeiten festlegt; dort heißt es: "Stehen wir so beim Psalmensingen, dass Herz und Stimme in Einklang sind" (RB 19,7).

Übereinstimmung mit sich selbst

Der "Klang" bezieht sich hier nicht vordergründig auf die akustische Wirkung, sondern vielmehr geht es um den "klingenden" Menschen, um die "Harmonie" in ihm. Es ist die Rede vom "Einklang" von Herz und Stimme. Ein Blick auf den lateinischen Text lohnt sich insofern, als dort eigentlich nicht von "Herz und Stimme" die Rede ist, sondern von "Verstand (mens) und Stimme", die beim Psalmengesang zusammenklingen sollen. Das lateinische Verb heißt hier concordare; und in diesem Wort steckt etymologisch das Herz (lat. cor). Man könnte paraphrasieren: Der Verstand und die Stimme sollen im Herzen zusammenfinden. Der Verstand kennzeichnet die rationale, vernunfthafte Seite des Menschen, während die Stimme als Symbol für seine Emotionalität zu lesen ist. Die Stimme offenbart die Stimmung.

Das Herz ist die Personmitte des Menschen und zugleich das, was ihn über sich selbst hinausführt zu Gott hin. Liturgisches Singen ist im Sinne der Benediktsregel "Herzenssache".

Beide Dimensionen des Menschen – man könnte auch einfach von "Kopf" und "Bauch" sprechen – kommen beim Psalmensingen so miteinander in Berührung, dass ein "Einklang", eine Harmonie, ein Gleichgewicht entsteht. Und der Ort, an dem der Mensch zu dieser Übereinstimmung mit sich selbst finden kann, ist das Herz. Im biblischen Sprachgebrauch bezeichnet das Herz das "Organ" des Menschen, durch das er mit Gott in Verbindung tritt. Beim Propheten Jeremia spricht Gott: "Ich gebe ihnen ein Herz, damit sie erkennen, dass ich der Herr bin" (Jer 27,4). Das Herz ist die Personmitte des Menschen und zugleich das, was ihn über sich selbst hinausführt zu Gott hin. Liturgisches Singen ist im Sinne der Benediktsregel "Herzenssache".

Wie "professionell" muss also der Gesang des Chorgebets sein? Der Kirchenvater Augustinus (354-430) gibt dazu eine bemerkenswerte Antwort: "Psalmensingen ist Sache der Liebenden" (sermo 33,1: cantare et psallere negotium amantium). Wer die Psalmen singt, ist ein Liebender, also – ganz im Wortsinn – ein "Amateur". Stimmbildung, Gesangstechnik und musikalisches Wissen schaden sicher nichts, aber all das ist für die Qualität des liturgischen Singens nicht das Entscheidende. Athanasius von Alexandrien (4. Jh.) drückt es so aus: "Wer die Psalmen so singt, dass er die Melodie der Worte nach dem Rhythmus der Seele und im Einklang mit dem Geist vorträgt (…), wird nicht nur sich selbst, sondern auch denen einen Wert vermitteln, die ihm zuhören" (Brief an Marcellinus 29).

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