Mit "Kreuz, Buch und Pflug" trugen der heilige Benedikt und die Benediktiner zur Einheit Europas bei – so formulierte es Paul VI. 1964 in seinem Schreiben "Pacis Nuntius": drei Symbole nicht nur benediktinischer, sondern menschlicher Existenz schlechthin.

Vor 60 Jahren, am 24. Oktober 1964, hat Papst Paul VI. den heiligen Benedikt, "den Urheber des monastischen Lebens im Westen" und "den Verkünder des christlichen Glaubens", zum ersten Schutzpatron Europas erklärt. In seinem zu diesem Anlass verfassten Apostolischen Schreiben "Pacis Nuntius" (Bote des Friedens) erfasst der Papst in drei Symbolen jene Grundwerte, mit denen dieser Schutzpatron Europas und in seinen Fußstapfen Mönche und Nonnen zur Einheit Europas beitragen: Der heilige Benedikt und "seine Söhne brachten mit Kreuz, Buch und Pflug christlichen Fortschritt zu den Völkerschaften vom Mittelmeer bis Skandinavien, von Irland bis zu den Ebenen Polens." Diese drei Symbole, Kreuz, Buch und Pflug, versinnbildlichen wesentliche Elemente nicht nur benediktinischer, sondern menschlicher Existenz schlechthin.

Der "Pflug" steht für das Engagement, für die harte und oft auch schweißtreibende Arbeit, die konkrete Wirklichkeit zu gestalten, und zwar im Einklang mit der Schöpfung und in Verantwortung für die Um- und Mitwelt. Ging es früher um die Urbarmachung von Wildnissen, handelt es sich heute eben darum, den rechten Umgang mit der uns anvertrauten Schöpfung zu finden. Die Dringlichkeit dieses Auftrags steht uns Tag für Tag vor Augen. Verliert der Mensch den "kultivierten" Umgang mit der Natur, findet er sich mit bedrohlichen Naturgewalten, mit aus den Bahnen geratenen Naturkräften konfrontiert. Allein ein verantwortetes Verhältnis zur Erde garantiert, dass der Mensch in seiner Um- und Mitwelt beheimatet bleibt.

Das "Buch" beinhaltet Kultur, die sowohl Wissenschaft und Forschung als auch Bildung und Erziehung umfasst. Wo Menschen berufen sind, an der Gestaltung einer Gemeinschaft, sei es in Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft, mitzuwirken, wie es in einer Demokratie geschieht, sind Herzensbildung und intellektuelle Redlichkeit erforderlich. Zum einen setzt das Gelingen menschlichen Zusammenlebens einen gewissen Grad an Reflexionsvermögen voraus, zum anderen hängt die Verwirklichung einer errungenen gesellschaftlichen Gleichheit aller Menschen davon ab, wie sich der Einzelne für das Wohl des Ganzen, das auch erst einmal in einem gemeinsamen Prozess zu bestimmen ist, einbringt. Das kann sehr unterschiedliche Formen annehmen: Diskussionskultur pflegen, Initiative ergreifen, Entscheidungen wagen und gemeinsam konstruktive Lösungen finden. Für all das steht das Buch als Symbol einer "kultivierten", gebildeten Geisteshaltung.

Das dritte Symbol, das "Kreuz", deutet darauf hin, dass es letztlich darauf ankommt, zu der eigenen Glaubensüberzeugung zu stehen und den Glauben zu bezeugen. Darin drückt sich jene Spiritualität aus, die fähig ist, "das Leben ganzheitlich und bewusst aus einer tieferen geistigen und religiösen Sinngebung [zu] gestalten" (Walter Kardinal Kasper). Mit dem Kreuz wählt der Papst das stärkste Symbol des Christentums. Wir sind berufen, die Hochgemutheit der Erlösten zu bezeugen. Indem wir uns bewusst machen, dass wir erlöst sind, können wir einerseits in unserem Tun und Lassen Gelassenheit walten lassen, weil wir wissen, dass nicht wir die Welt retten werden. Die Welt ist bereits erlöst durch das Kreuz Jesu Christi. Andererseits nimmt uns dieser Glaube in die Pflicht: Christliche Sendung besteht darin, dort, wo wir stehen, das erlöste Dasein aufleuchten zu lassen.

In der Verbindung der in diesen drei Symbolen enthaltenen Wirklichkeiten entfaltet sich gelingendes Leben, sowohl in persönlicher als auch in gemeinschaftlicher Dimension.

In der Verbindung der in diesen drei Symbolen enthaltenen Wirklichkeiten entfaltet sich gelingendes Leben, sowohl in persönlicher als auch in gemeinschaftlicher Dimension. Dennoch ist es wichtig auf die Reihenfolge zu achten. Papst Paul VI. nennt das Kreuz an erster Stelle und betont den "Primat der Gottesverehrung". In der Öffnung auf die Transzendenz hin, in der Empfangsbereitschaft der göttlichen Offenbarung, lassen sich die innerweltlichen und zwischenmenschlichen Beziehungen ordnen. Im Kult, im "kultivierten" Gottesdienst, erfährt der Mensch sein Dasein in einen Horizont des "Darüber hinaus" gestellt und kann sich selbst, seine Mitmenschen wie auch Welt und Geschichte – "die Zeichen der Zeit" – im Lichte der Offenbarung deuten.

Wenn der Mensch sich als Geschöpf erkennt und sein geschöpfliches Dasein akzeptiert, wenn er sich darauf besinnt, dass nicht er selbst die Welt erschaffen hat und die Natur nicht dazu da ist, seine willkürlichen Bedürfnisse zu befriedigen, wenn er Gott als Schöpfer, als Urheber des Lebens anerkennt, dann kann er sich angemessen zur Natur verhalten, dann kann er den "Pflug" in richtiger Weise ergreifen. Ebenso erhält die gleiche Würde aller Menschen eine unerschütterliche Garantie in der Anerkennung der Gottesebenbildlichkeit aller Menschen. So könnte sich eine geistige Gemeinschaft formen, in der die Kultur die Schönheit des menschlichen Geistes in allen Bereichen hervorbringt: Musik, Literatur, bildende Kunst und vieles mehr. So ließe sich das Leben als ein sinnvolles, schönes und bereicherndes "Buch" lesen.

Die Klöster: Orte ganzheitlicher Entwicklung

Im Wirken der Benediktiner lassen sich Anzeichen solcher Verheißungen beobachten. Die Klöster waren und sind Orte ganzheitlicher Entwicklung; in Klöstern entstanden die ersten Krankenhäuser und weitere soziale Einrichtungen sowie die ersten "Hotels" als Herbergen für Reisende und Pilger; die Klöster waren die ersten Bildungsstätten; in Klöstern wurden die Werke antiker paganer Autoren abgeschrieben und so vor der Vergessenheit gerettet; Klöster waren Pioniere in wissenschaftlicher Forschung und in der Pflege der Kirchenmusik, des Gregorianischen Chorals; die Klöster boten Raum für künstlerische Tätigkeit, und die imposante Architektur von Klöstern wird auch heute noch bewundert. Diesen Reichtum an wirtschaftlichen, sozialen, wissenschaftlichen und kulturellen Gütern hat eine Lebensform hervorgebracht, die vom Gebet durchdrungen ist.

Klöster geben zugleich Zeugnis davon, wie sich ein Gemeinschaftsleben ohne Illusion ereignen und die Einheit unter Menschen mit unterschiedlichen Charakteren, Temperamenten, Bildungshintergrund, aber auch Herkunft und Sprache verwirklicht werden kann. So sind Klöster Zentren der Gastfreundschaft im weitesten Sinne des Wortes, indem Menschen einander Raum geben und einander in Respekt begegnen. Dies Tag für Tag zu üben vermögen Mönche und Nonnen im Glauben, dass ihnen in jedem Menschen Christus entgegenkommt.

Frieden, Einheit und Kultur sind keine gefestigten Zustände, sondern Wirklichkeiten, die immer neu errungen werden müssen.

In diesem Sinne spiegeln klösterliche Gemeinschaften wider, was Papst Paul VI. für die Person des heiligen Benedikt auf den Punkt gebracht hat: Bote des Friedens, Einheitsstifter und Lehrmeister der Kultur zu sein ("Pacis nuntius, unitatis effector, civilis cultus magister"). Frieden, Einheit und Kultur sind keine gefestigten Zustände, sondern Wirklichkeiten, die immer neu errungen werden müssen. Dass es – innerhalb und außerhalb von Klostermauern – an uns allen hier in Europa liegt, die vom heiligen Benedikt vorgelebten Werte heute neu zu beleben, daran hat Papst Franziskus nicht zuletzt zum Fest des heiligen Benedikt als Schutzpatron Europas am 11. Juli 2017 erinnert, als er jene Worte, die er im März desselben Jahres zum 60. Jahrestag der "Römischen Verträge" an die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union gerichtet hatte, wiederholte: "Europa hat ein ideelles und geistiges Erbe, das einzigartig ist auf der Welt. Dies ist es wert, mit Leidenschaft und neuer Frische wieder aufgegriffen zu werden."

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