Schluss mit dem Hochglanz-Ich: Fehler gehören zum menschlichen Leben. Die eigene Verantwortung offen einzugestehen und aus dem Vergangenen zu lernen – das ist der Schlüssel zu einem Neuanfang, zur Weiterentwicklung und vielleicht zu nie geahnten Erfolgen.

"Ein Mensch, der keine Fehler macht, macht im Allgemeinen nichts", bemerkte der US-amerikanische Jurist, Politiker und Diplomat Edward John Phelps († 1900) mit trockenem Humor. Auch die Regel Benedikts weiß, dass Mönchen und Nonnen mitten im Alltag Fehler unterlaufen: "Wenn jemand bei irgendeiner Arbeit, in der Küche, im Vorratsraum, bei einem Dienst, in der Bäckerei, im Garten, oder sonst irgendwo einen Fehler macht oder etwas zerbricht oder verliert oder irgendwo etwas verschuldet und nicht unverzüglich kommt, um von sich aus vor Abt und Gemeinschaft Buße zu tun und seinen Fehler zu bekennen, sondern wenn sein Fehler durch einen anderen bekannt wird, dann treffe ihn eine schwerere Strafe" (RB 46,1-4).

Durch das offene Bekenntnis zum eigenen Scheitern wird diese zutiefst menschliche Erfahrung enttabuisiert und entstigmatisiert.

Fehler offen einzugestehen, fällt uns meist schwer. Vor mehr als zehn Jahren jedoch hat sich in Mexiko ein inzwischen weltweit verbreitetes, äußerst erfolgreiches Veranstaltungskonzept entwickelt: Die sogenannten Fuckup Nights ("to fuck up" bedeutet im Englischen, etwas zu vermasseln, Mist zu bauen; der Begriff steht für "Missgeschick", "Fehler"). Vor meist ausverkauftem Haus stellen Menschen aus dem Businessbereich ihre früheren Projekte vor und berichten ehrlich über eigene Fehler, die zum Misslingen ihrer Geschäftsidee geführt haben. Sie schildern ihre persönlichen Erfahrungen, sprechen über ihren Erkenntnisgewinn und verdeutlichen, ob und wie sie all das jetzt in ihr Leben und in ihr unternehmerisches Tun integriert haben. Durch das offene Bekenntnis zum eigenen Scheitern wird diese zutiefst menschliche Erfahrung enttabuisiert und entstigmatisiert. Jenseits von Schamgefühlen über falsche Entscheidungen oder persönliches Versagen stoßen diese Geschäftsleute eine konstruktive Fehlerkultur an – in der Unternehmenswelt und darüber hinaus.

Auch ein benediktinisches Kloster ist keine societas perfecta. Selbst ein Abt oder eine Äbtissin sind nicht unfehlbar. Nüchtern rät Benedikt in seiner Regel: "Den Anweisungen des Abtes in allem gehorchen, auch wenn er selbst, was ferne sei, anders handelt; man denke an die Weisung des Herrn: ‚Was sie sagen, das tut; was sie aber tun, das tut nicht‘" (RB 4,61). Im Bewusstsein, dass Mönche und Nonnen keineswegs fehler- und makellos über allen anderen Menschen stehen, fordert die Regel dazu auf: "Nicht heilig genannt werden wollen, bevor man es ist, sondern es erst sein, um mit Recht so genannt zu werden" (RB 4,62).

Anlass zu selbstgefälligem Stolz und benediktinischer Wagenburgmentalität gibt es weder heute noch im Kontext Benedikts. So klagte der Ordensvater über die Mönche seiner Zeit: "Zwar lesen wir, Wein passe überhaupt nicht für Mönche. Aber weil sich die Mönche heutzutage davon nicht überzeugen lassen, sollten wir uns wenigstens darauf einigen, nicht bis zum Übermaß zu trinken, sondern weniger" (RB 40,6). An anderer Stelle heißt es: "Mönche, die im Verlauf einer Woche weniger singen als den ganzen Psalter mit den üblichen Cantica, sind zu träge im Dienst, den sie gelobt haben. Lesen wir doch, dass unsere heiligen Väter in ihrem Eifer an einem einzigen Tag vollbracht haben, was wir in unserer Lauheit wenigstens in einer ganzen Woche leisten wollen" (RB 18,24f). "Wir aber sind träge, leben schlecht, sind nachlässig und müssen deshalb vor Scham erröten" (RB 73,7), konstatiert Benedikt am Ende seiner Regel.

Es geht nicht darum, lähmende Selbstzweifel zu kultivieren

Wenn der Ordensvater jeden Mönch (und jede Nonne) dazu auffordert, "seine früheren Sünden unter Tränen und Seufzen täglich im Gebet Gott (zu) bekennen und sich von allem Bösen künftig (zu) bessern" (RB 4,58f), dann möchte er keine lähmenden Selbstzweifel fördern oder einer frömmelnden Selbstquälerei das Wort reden. Fehler, Versagen, Misslungenes gehören zum menschlichen Leben. Die eigene Verantwortung offen einzugestehen und aus dem Vergangenen zu lernen – das ist der Schlüssel zu einem Neuanfang, zur Weiterentwicklung und zu vielleicht zu nie geahnten Erfolgen und Durchbrüchen.

Die christliche Auffassung vom Menschen wurzelt in der Glaubensüberzeugung, dass jeder nach dem Bild Gottes geschaffene Mensch (Gen 1,26f) unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft einen absoluten Wert, eine unantastbare Würde besitzt, die durch Schwäche, Krankheit, Versagen oder Scheitern, durch die Erfahrung von Grenzen, die wesentlicher Bestandteil menschlicher Existenz sind, nicht gemindert werden. Benediktinerinnen und Benediktiner müssen in ihren Gemeinschaften kein "Hochglanz-Ich", kein makelloses Selbstbild präsentieren und dabei Grenzen und Aspekte ihres Lebens oder ihrer Persönlichkeit verbergen oder verleugnen, die überzogenen unmenschlichen Optimierungszwängen nicht entsprechen. Benedikt lädt Mönche und Nonnen vielmehr dazu ein, "einander in gegenseitiger Achtung zuvor(zu)kommen" und "ihre körperlichen und charakterlichen Schwächen […] mit unerschöpflicher Geduld (zu) ertragen" (RB 72,4f).

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