Von den Päpsten des 20. Jahrhunderts war keiner so tief mit den Benediktinern verbunden wie Paul VI. In seiner Jugend wollte er in das Kloster in Chiari bei Brescia eintreten - einem französischen Konvent im italienischen Exil. Dem Abt schien der junge Montini allerdings für ein aktiveres Leben gemacht, und so wies er ihm einen anderen Weg.
Aber die Anziehungskraft der Benediktiner blieb bestehen. Vor allem das alte und ehrwürdige Montecassino hinterließ einen tiefen Eindruck. Die benediktinische Liturgie erschien ihm "erlesen, präzise und vollkommen", weil sie "alles Übertriebene und Künstliche ausschließt, das wir ihr gewöhnlich hinzufügen." Als junger Priester besuchte er Subiaco und kehrte als Papst auch dorthin zurück.
Den Klöstern verbunden
In Rom wurde ihm die Abtei Sankt Paul vor den Mauern ein wichtiger Ort. Mit den katholischen Studenten veranstaltete er dort "Ritiri minimi", Mini-Exerzitien, für die ihm das damals noch ländliche Kloster den geeigneten Rahmen bot. Sein Gastgeber war dort Abt Ildefonso Schuster, ein Titan der italienischen Kirchengeschichte des frühen 20. Jahrhunderts und später Erzbischof von Mailand.
Montini selbst folgte Schuster dort als Erzbischof nach. In seinen Mailänder Jahren blieb er den Klöstern verbunden. Oft machte er Klosterferien: Einsiedeln, Engelberg, St. Maurice, Sarnen, Maria Laach und Beuron finden sich in seinem Itinerar. Abt Brasó des katalanischen Klosters Montserrat vertraute er 1969 die Exerzitien für die römische Kurie an.
Dieser biografische Hintergrund erklärt, warum Paul VI. es sich nicht nehmen ließ, die nach der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaute Kirche von Montecassino am 24. Oktober 1964 selbst wieder einzuweihen. Die Feier wurde eine symbolische Überwindung der Kriegszerstörungen des gemarterten Italien. Aber es war für ihn auch ein Anlass, um zum Frieden zu mahnen und über die Wurzeln Europas nachzudenken. Neben seiner Predigt erließ er an diesem Tag auch ein Dokument, das kurze Apostolische Schreiben "Pacis Nuntius". Darin ruft er die Welt und besonders Europa zum Frieden auf und erklärt den heiligen Benedikt von Nursia zum Hauptpatron Europas.
Die Rolle der Orden für das Geschick Europas
Dem Schreiben merkt man deutlich an, dass der Autor sich mit der Rolle der Mönche und Nonnen für die Geschichte Europas sehr ernsthaft beschäftigt hat. Er benutzt nur beiläufig die gern gebrauchte, aber doch eher banalisierende Formel des "Ora et Labora". Stattdessen beschreibt er die Zivilisierung Europas durch die Nachfahren Benedikts mit den drei Worten "Cruce enim, Libro et Aratro": mit dem Kreuz, dem Buch und dem Pflug. Das sind symbolisch aufgeladene Gegenstände.
Der Pflug steht für die Urbarmachung von Wildnis, für die beharrliche Verbesserung von Lebensgrundlagen und auch für technologischen Fortschritt. Das Buch umfasst das Abschreiben und Weitergeben von Wissen, die Entwicklung neuer Formen der Wissensorganisation, die weit über den engen Bereich der theologischen Bedürfnisse einer Klostergemeinschaft hinausgeht. Das Kreuz schließlich stellt Paul VI. als Angelpunkt eines christlichen Weltverständnisses heraus: christlicher Glaube als Zentrum einer Lebensform, die für einen ganzen Kontinent Gemeinschaft stiften konnte, bei aller Verschiedenheit von Sprache, Ethnie und Kultur.
Dieses kühne Narrativ war die Frucht der lebenslangen Beschäftigung Paul VI. mit diesen Themen. Demnächst jährt sich die Gründung Montecassinos im Jahr 529 zum 1.500. Mal. Wird sich der Erzählfaden weiterspinnen lassen?