Auf den ersten Blick wirkt es merkwürdig: das grau-braune Gebäude im Herzen Roms, links gegenüber dem Tarpejischen Fels. Steht man am Marcellustheater, dessen Ruinen heute noch beeindrucken, ist der Blick angezogen von dem majestätischen Vittoriano, dann von den beiden Treppen, von denen die eine, steile und marmorne, zur geschichtsträchtigen Kirche Aracoeli, die andere, breite zum von Michelangelo anmutig gestalteten Kapitol führt. So übersieht man leicht die unauffällige linke Straßenseite. Nur auf den zweiten Blick fällt ein Relief auf, das eine Frau mit einem Engel darstellt – ein Motiv, das einem in dieser Gegend gefühlt auf Schritt und Tritt begegnet: die Gestalt der heiligen Francesca Romana.
Ja, hinter dieser unscheinbaren Fassade in der Via del Teatro di Marcello verbirgt sich das berühmte Kloster, zu dessen Besichtigung jedes Jahr am 9. März "andächtige Römer und kunstbeflissene Wahlrömer" Schlange stehen: Tor de'Specchi. Fast vor 600 Jahren wurde das Kloster von der römischen Adligen Francesca Ponziani gegründet, einer Frau, der nach ihrem Tod im Jahre 1440 die Ehre vom römischen Senat schneller zuteilwurde als von der Kirche. Während sich ihre Heiligsprechung in die Länge zog und sich erst am 29. Mai 1608 erfolgte, wurde der Todestag von Francesca bereits ein Jahr nach ihrem Tod vom römischen Senat und Volk feierlich begangen und 1494 vom selben Senat für Festtag zum Gedenken der Gründerin von Tor de'Specchi erklärt. Die Römer haben der Frau, die sich zeitlebens als "poverella di Trastevere" der Linderung von so viel Leid und Elend im Rom des 15. Jahrhunderts widmete, den Ehrentitel advocata Urbis, "Anwältin der Stadt" verliehen. So erhielt sie dann als Heilige den Beinamen "Romana", und heißt schlechthin die heilige Francesca, die Römerin.
Ihre Präsenz in Rom beschränkt sich nicht auf das Kloster Tor de'Specchi, mehrere Erinnerungsspuren gibt es von ihr in Rom. In der Kirche S. Agnese in Agone auf der Piazza Navona befindet sich im Halbdunkel einer Seitenkapelle das Taufbecken, in der Francesca die Taufe empfing. Über dem Altar der Kapelle können wir ihre vertraute Darstellung mit dem Engel wiedererkennen. Hier in der Nähe wurde Francesca im Jahre 1384 geboren, in einem Palazzo, der heute nicht mehr existiert. Schon früh war sie von der göttlichen Liebe angezogen und wollte ihr Leben in Buße und Askese Gott weihen. Der Wille des Vaters setzte sich jedoch durch. Das von Frömmigkeit durchdrungene Mädchen wurde trotz Widerstand zwölfjährig mit dem reichen Römer Lorenzo Ponziani, Besitzer zahlreicher Viehbestände, verheiratet. Damit zog sie in dessen Familienhaus in Trastevere, neben der Kirche S. Cecilia, ein. Der Palazzo steht heute noch. Widerwärtigkeiten wurden ihr nicht erspart. Mit siebzehn Jahren wurde sie zum ersten Mal Mutter. Der zweite Sohn und das dritte Kind, eine Tochter, starben früh. Von diesem Moment an begann ein Engel, Francesca zu begleiten und ihr beizustehen. Das ist jener Engel, der in der Ikonografie zu ihrem Attribut wurde. Auch um das erste Kind, das das Erwachsenenalter erreichte, musste Francesca bangen, als es während politischer Konflikte als Geisel genommen wurde. Ihr Mann dagegen wurde so schwer verletzt, dass er lebenslang daran litt. Wie oft muss Francesca in Gefahr und in Not in S. Maria in Trastevere oder in Aracoeli gebetet haben!
Ihre aktive Nächstenliebe war von einem intensiven geistlichen Leben mit mystischen Erfahrungen begleitet.
Das eigene Leid konnte sie jedoch nicht davon abhalten, sich des Leides anderer anzunehmen. Das damalige Rom hatte den einstmaligen Glanz der Antike längst verloren, und von der barocken Pracht war noch nichts zu ahnen. Im Gegenteil, politische Kämpfe und das Papstschisma belasteten die Christenheit, Rom war ein elender Ort, von Seuchen heimgesucht und von kriegerischen Auseinandersetzungen in Mitleidenschaft gezogen. Francesca kümmerte sich um Arme, Kranke und Notleidende in ihrer Umgebung. Das von ihr eingerichtete Hospital in der Kirche S. Maria in Cappella in Trastevere bewahrt heute noch die Erinnerung an sie.
Ihre aktive Nächstenliebe war von einem intensiven geistlichen Leben mit mystischen Erfahrungen begleitet. Francesca fand ihre geistlichen Begleiter bei den Olivetanern, die zum Benediktinerorden gehören. Nicht vergessen hat sie ihre ersten Ideale eines gottgeweihten Lebens. So nahm sie parallel zu ihrem karitativen Dienst alle Schwierigkeiten einer Klostergründung auf sich. Nach jahrelangem Ringen, am 25. März 1433, zogen neun Frauen, die von der Spiritualität der Francesca angezogen waren, als "Oblatinnen" der Jungfrau Maria geweiht in ein "armes Haus" am Fuße des Kapitols ein, in den sogenannten "Turm der Spiegel" (Tor de'Specchi). Francesca trat erst nach dem Tod ihres Ehemanns, im Jahre 1436, in das von ihr gegründete Kloster ein. Wenn sich die Tore von Tor de'Specchi am 9. März öffnen, können die Besucher das kleine Kämmerlein, in dem Francesca die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte, samt ihren persönlichen Gegenständen sehen. Der Leichnam der heiligen Francesca befindet sich einige Schritte entfernt, am Kolosseum, in der Kirche S. Maria Nova, die heute Basilica S. Francesca Romana heißt. Die Vorliebe der Römer für physische Konkretheit zeigt sich nicht nur darin, dass die leiblichen Überreste ihrer Lieblingsheiligen in einem Glassarg sichtbar sind, sondern dass man in dieser Kirche auch die Knieabdrücke des heiligen Petrus, die sich während eines Gebetes in den Stein eingeprägt haben, an einer Wand bewundern kann.
Unerschütterliche Zuversicht
Die Tore von Tor de'Specchi sind allerdings nicht so verschlossen, wie es auf den ersten Blick erscheint. Wo heute Besucher Schlange stehen, gingen früher Heilige ein und aus. Bereits kurz nach Francescas Tod waren der heilige Bernhardin von Siena und der heilige Johannes von Capistrano Gäste im Kloster. Der heilige Philipp Neri dagegen war nicht als Gast, sondern als Beichtvater und geistlicher Begleiter oft bei den Oblatinnen. Auch der heilige Franz von Sales besuchte das Kloster und war von der Gemeinschaft so beeindruckt, dass er sie zum Modell nahm, um zusammen mit der heiligen Franziska von Chantal den Orden der Heimsuchung zu gründen. Die Jesuiten fassten großes Vertrauen zu den Schwestern von Tor de'Specchi und schenkten ihnen wertvolle Gemälde, weil sie wussten, dass sie bei den Schwestern gut aufbewahrt bleiben. In der Tat hängen diese Gemälde noch heute an den Wänden im Haus. Dass sich Don Bosco in Tor de'Specchi zu Hause fühlte, bezeugen zahlreiche Briefe. Darüber hinaus waren es Päpste, die eine Vorliebe für Tor de'Specchi hatten, nicht zuletzt, weil weibliche Verwandte von ihnen zu der Gemeinschaft der heiligen Francesca gehörten, zum Beispiel die Schwester von Papst Innozenz X. und die Nichten von Papst Pius IX.
Aktuell haben die Schwestern ihre Türen für (mehr oder weniger) junge Ordensschwestern, die in der Nähe an der Benediktinerhochschule in Rom, am Pontificio Ateneo Sant’Anselmo, studieren oder unterrichten, geöffnet, um ihnen während ihrer akademischen Tätigkeit Aufenthalt im klösterliche Rahmen zu bieten. Dieses Zusammenleben von zwei Frauengemeinschaften, der von Tor de'Specchi und der von Sant'Anselmo, die wiederum an Internationalität kaum zu übertreffen ist – es sind zurzeit insgesamt acht Schwestern, die aus Brasilien, Venezuela, USA, Tansania, Kroatien, Ungarn und Italien kommen – veranschaulicht konkret das weite Herz, das auch die heilige Francesca auszeichnete.
Was ist schließlich die bleibende Botschaft der Lieblingsheiligen der Römer? Francesca wirkte zeitlebens zahlreiche Wunder, die Aufsehen erregt haben und im Oratorium in Tor de'Specchi in einem Bilderzyklus aus dem 15. Jahrhundert abgebildet sind. Ihre Stärke offenbart sich jedoch auf eine andere Weise, vielleicht nicht so spektakulär, sondern erst auf den zweiten Blick. Auf der weitverbreiteten Darstellung ist nämlich nicht nur ein Engel zu sehen, sondern ein aufgeschlagenes Buch, das ein Zitat enthält: "Du hast meine Rechte ergriffen. Du leitest mich nach deinem Ratschluss, danach nimmst du mich auf in Herrlichkeit" (Ps 73,23f). Dieser Psalmvers befindet sich in einem Kontext, in dem der Beter von Enttäuschungen, Schmerz, bitterem Leiden niedergedrückt trotzdem am Vertrauen auf Gott festhält. Mehr als Wundertätigkeit ist diese unerschütterliche Zuversicht die eigentliche Botschaft der heiligen Francesca, mit der sie über Rom hinaus ausstrahlt.