Stummer Zeuge der Petrus-PassionDer Obelisk auf dem Petersplatz

Mitten auf dem neuzeitlichen Petersplatz befindet sich ein spektakuläres Monument aus der Antike: Der ägyptische Obelisk, der schon zur Zeit des Petrus am Vatikan stand – längst, bevor es dort eine Kirche gab. Heute hat er eine "ökumenische" Bedeutung.

Der Obelisk auf dem Petersplatz
© Pixabay

Im Heiligen Jahr strömen Pilger und Touristen zum Petersplatz und zur Peterskirche am Vatikan. Denn mit diesen Orten ist die Erinnerung an den Märtyrertod und das Begräbnis des Apostels Petrus verbunden. Wer sich allerdings Petrus nahe fühlen will, muss mit der Tatsache leben, dass alles, was man heute sieht, viel neuer ist, zumeist 1500 Jahre oder mehr nach der Zeit des Apostels Petrus entstanden. Das gilt gleichermaßen für die Kirche, die Kuppel, die monumen­tale Fassade und die prächtige Platzanlage.

Doch es gibt einen steinernen Zeugen, der schon zur Zeit des Petrus dort war und den Petrus gesehen haben muss, wenn er im Zirkus am Vatikan das Martyrium erlitt. Es ist der große Obelisk, der heute eindrucksvoll das Zentrum des Platzes bildet. Im Jahr 1586 wurde er dorthin gebracht – übrigens zu einer Zeit, als vom heutigen Petersplatz noch nichts vorhanden war. Der Platz ist um die große Steinnadel herumgebaut – nicht umgekehrt.

Der Transport 1586 war für die technischen Möglichkeiten der Zeit eine große Herausforderung, und entsprechend viel beachtet und gelobt wurde die meisterhafte Ingenieurskunst des Domenico Fontana.

Indes, der Obelisk wurde nur über eine kurze Strecke transportiert, nur einige hundert Meter, denn er stand zuvor im Zirkus des Nero direkt neben dem Vatikanhügel, wo Petrus der Überlieferung nach hingerichtet wurde. Dort blieb er auch stehen, als direkt daneben über dem Grab des Hinge­richteten eine große christliche Kirche gebaut wurde. Und er blieb stehen, als vom Zirkus selbst schon nicht mehr viel zu sehen war und als die Menschen mit mons Vaticanus längst nur noch das Petrusgrab verbanden, nicht mehr die Spielstätte am Hang.

Bei aller Hochachtung vor dem Transport im 16. Jahrhundert: Der Obelisk stammt ja nicht aus Rom. Im ersten Jahrhundert (nicht sehr viel vor Petrus' Zeit) war er schon einmal versetzt worden, und zwar nicht nur ein paar hundert Meter. Sondern die ganze Strecke von Ägypten bis nach Rom. Für diese weite Strecke über das Meer war eigens ein Schiff gefertigt worden. Dieser riesige technische Aufwand für so eine Granitnadel war es den Römern wert – um zu zeigen: Auch die stolze alte ägyptische Hochkultur ist nun integriert in und dienstbar gemacht für die römische Weltherrschaft.

Der Obelisk trägt keine hieroglyphische Inschrift, und tatsächlich dürfte er nicht auf die alte Pharaonenzeit zurückgehen. Er ist vermutlich in Ägypten hergestellt worden – schon mit dem Ziel, einem römischen urbanistischen Projekt zu größerem Ruhm zu verhelfen, nämlich in Alexandrien. Jedenfalls ist alles, was er an Inschriften trägt, lateinisch. Am auffälligsten sind die großen Inschriften auf dem Sockel von Papst Sixtus V. Dort erzählt er die Geschichte des Obelisken in triumphalen Ton (er war einst den heidnischen Göttern in gottlosen Riten geweiht, jetzt aber besser und glücklicher dem unbesiegten Kreuz). Doch auf den Obelisken selbst hat er nicht gewagt, eine eigene Inschrift anzubringen. Außer ganz oben an der Spitze des Monuments: für das bloße Auge kaum sichtbar, wird dort noch einmal die Kreuzes-Weihe für die Nachwelt festgehalten.

Inschrift auf dem Obelisken am Petersplatz
Martin Wallraff

Der "getaufte" Obelisk

Es ist nicht nur ein großes Kreuz oben angebracht worden, sondern als sicht­barste Inschrift von allen steht vorn auf dem Sockel, leicht lesbar für alle, die sich nähern: Ecce crux Domini, fugite partes adversae. Seht her, das Kreuz des Herrn, macht euch von dannen, ihr Gegner. Evangelische Leserinnen und Leser dürfen diese Aufforderung durchaus auf sich selbst beziehen, denn die Inschrift stammt aus der Zeit des Konfessionalismus, und die partes adversae der damaligen Papstkirche waren natürlich in erster Linie die Protestanten. Die große Granitnadel war damit zum Grenzstein geworden, zum exklusiven Identitätsmarker: bis hierher und nicht weiter!

Inschrift auf dem Obelisken auf dem Petersplatz
Martin Wallraff

Rom wäre nicht Rom, wenn nicht am Ende doch die inklusive Tendenz gesiegt hätte. Ganz gegen diesen schroff abweisenden Triumphalismus hat Bernini mit seiner großartigen Platzanlage den Obelisken neu kontextualisiert. Nicht mehr als Grenzstein, sondern als "Nabel der Welt" inszeniert, steht er nun im Mittelpunkt der weit ausgreifenden und alles umarmenden Kolonnaden. Er ist gewissermaßen das Zentrum dieser neuen "Ökumene", weithin sichtbare Orientie­rungs­marke und Weg-Ziel für Pilger und Touristen, Gläubige und Ungläubige, Katholi­ken und Protestanten (und wer sonst noch des Weges kommt).

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