Zum Heiligen Jahr 2025 wurde auch in Roms "Weihnachtskirche" Santa Maria Maggiore eine Heilige Pforte eröffnet. Die prachtvollen Mosaiken der Kirche zeigen das Jesuskind als kaiserlichen Herrscher – eine politische Botschaft in einer Zeit des Umbruchs.

Am 1. Januar wurde die Heilige Pforte in Santa Maria Maggiore geöffnet. Damit wird auch das zivile Jahr 2025 zum "Heiligen Jahr". Doch ist dies nicht der Hauptgrund für die Wahl des Termins. Es ist vielmehr der Bezug zum Weihnachtsfest: Eine Woche, also acht Tage nach seiner Geburt, erhielt das kleine Kind den Namen Jesus (Lk 2,21). Santa Maria Maggiore beherbergt seit alter Zeit eine Krippenreliquie. Sie ist die Weihnachtskirche unter den römischen Hauptkirchen, oder – theologisch formuliert – die Inkarnations­kirche. Dieses Thema wird in den wunderbaren spätantiken Mosaiken auf dem Triumphbogen der Kirche breit entfaltet – im Anschluss an die biblischen Berichte, aber doch auch mit charakteristischen Unterschieden.

Das fällt besonders auf bei der Szene, in der die Magier aus dem Morgenland kommen, um das Jesuskind anzubeten. "Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm." Wie immer und wo immer man sich diese Szene vorstellen mag – wer diesen Satz aus dem Matthäusevangelium (2,11) liest, wird vor seinem geistigen Auge nicht ein Bild entstehen sehen wie in Santa Maria Maggiore. Ein neugeborenes Kind sitzt nicht so, und eine frisch gebackene Mutter verhält sich nicht so. Man muss gar nicht an die bewusst bescheidene Szenerie eines Stalls und einer Krippe denken, wie sie bei Lukas beschrieben wird, um zu bemerken: Eine solche Sitzgelegenheit gab es dort gewiss nicht; es gibt sie in unseren Kinderzimmern nicht, und es gab sie ganz sicher auch nicht in dem Haus, an das Matthäus dachte. Es ist ja nicht weniger als ein prächtiger Kaiserthron, auf dem das Jesuskind da sitzt, und Maria (vom Betrachter aus rechts) hält sich in respektvoller Entfernung. Der Thron ist aus Gold, mit Edelsteinen besetzt und von kostbaren Kissen bedeckt. Dahinter erscheinen geflügelte Wesen, die gleichfalls keinen Anhalt im biblischen Text haben, sehr wohl aber sind es Assistenzfiguren, wie man sie sich in Thronszenen gut vorstellen kann.

Das Kind als Kaiser

Mit anderen Worten: Gerade hier, gerade in der Hauptstadt des Imperium Romanum, erscheint das Jesuskind in imperialer Bildsprache. Im fünften Jahr­hundert, als die Mosaiken entstanden, haben die Menschen diese Bildsprache verstanden. Auch wenn die Stadt nicht mehr regelmäßig als reale Kaiserresidenz fungierte, war die Verbindung zwischen Rom und Kaiser in den Köpfen doch fest verdrahtet.

Wie unglaublich fest verdrahtet, wird deutlich, wenn man sich die Zeitumstände genauer vor Augen führt. Denn wenige Jahre zuvor war Rom gefallen, genauer: zum ersten Mal seit Jahrhunderten hatten feindliche Horden die Stadt überrannt und geplündert. Der Einfall der Westgoten unter Alarich im Jahr 410 mag real weniger dramatisch gewesen sein, als man zunächst dachte, aber mental hat er gewaltige Schockwellen ins ganze Reich ausgesendet.

Eine mögliche Reaktion auf diese Katastrophe war diese: Am jetzt so offensichtlichen Niedergang der Stadt sind die Christen schuld. Rom hat seine althergebrachte Religion verlassen und wird dafür von den Göttern bestraft. Auf diesem Hintergrund ist es gar nicht selbstverständlich, dass die Christen auch nach diesem Trauma weiter Thron, Reich und Kaiser in ihren Bildern und Gedanken aufnahmen. Ja, sogar: jetzt erst recht. Das Bild in Santa Maria Maggiore sagt ja auch: Wenn das irdische Reich fällt, bleibt Christus als der wahre Kaiser. Man zieht sich nicht zurück vom Imperium, sondern wendet und überbietet es christlich.

Anbetung der Magier (vollständige Darstellung), 5. Jahrhundert, Triumphbogen in Santa Maria Maggiore, Rom
Anbetung der Magier (vollständige Darstellung), 5. Jahrhundert, Triumphbogen in Santa Maria Maggiore, Rom Fabrizio Garrisi/Wikimedia Commons, CC0 1.0

Es mag sein, dass auch aus solchen Gründen die biblischen Magier nach und nach in den Raum des Politischen übersetzt und zu den "Heiligen drei Königen" trans­formiert wurden. Im Bild in Santa Maria Maggiore ist ihre östliche Herkunft deutlich: Die Kopfbedeckung (phrygische Mütze) und die Beinkleider (beinahe wie heutige Leggings) zeigen das. Doch als Könige erscheinen sie hier noch nicht.

Wie unglaublich fest auch in christlichen Zeiten die mentale Verbindung von Rom und Kaisertum blieb – viel fester als irgendein realer politischer Zustand –, sollten die nachfolgenden Jahrhunderte zeigen. Man muss nicht alles gut finden, was in, mit und unter dieser christlich gewendeten Reichsidee geschah. Aber sich in eine vermeintlich heile biblische Welt zurückzuziehen, war nach der Katastrophe von 410 offenbar keine Option. Und es ist auch heute keine Option.

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