Petrus und "Luce" in BerlinEin Streifzug im Heiligen Jahr

Ein Wintertag zwischen Hörsaal, Messe und Buchhandlung: Überall zeigen sich in der preußischen Metropole römische Spuren.

Ansicht des Bebelplatzes in Berlin mit Juristischer Fakultät und Staatsoper
Ansicht des Bebelplatzes in Berlin mit Juristischer Fakultät und Staatsoper© Jan Künzel/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

An einem kalten Samstag im Januar kehre ich nach der Mittagspause im Nebel in meinen Hörsaal zurück. Die neue Unterrichtseinheit beginnt mit der Proklamation des Heiligen Jahrs von 1300 durch Papst Bonifaz VIII Gaetani. Die lebendige Wallfahrtsatmosphäre in den römischen Gassen – lange vor den Umbaumaßnahmen unter den Della Rovere-Päpsten – macht sich an Begriffen wie dem Ablassbrief fest: seit Bonifatius IX. Tomacelli eine Möglichkeit, nicht nur die Leistungen des Jubiläums zu dokumentieren, sondern auch die Teilnahme daran zu virtualisieren, das heißt, die Gnaden des Heiligen Jahres extra urbem, außerhalb der Stadt, erwerben zu können. Der feierliche Segen des Bischofs von Rom gilt nicht nur der Stadt, sondern auch dem ganzen Erdkreis: Urbi et Orbi.

Ich befinde mich 1.500 Kilometer von der urbs entfernt. Am Abend besuche ich die Vorabendmesse in der Berliner St. Hedwigs-Kathedrale, die dem römischen Pantheon nachempfunden ist. Mein Blick bleibt sofort an der mittelalterlichen Petrus-Skulptur hängen, die selbst in ihrer Nische im strahlenden Weiß auffällt. Wenige Minuten später beginnt die Messe; ein alter Camposantiner zelebriert. Nach der Messe entdecke ich in der Kirche Pässe der örtlichen Diözese für das Heilige Jahr, auf denen das berühmte Maskottchen "Luce" abgebildet ist. Mit ihrem unkonventionellen Auftreten – blaue Frisur, knallgelbe Regenjacke, riesiger Rosenkranz am Hals – passt sie besser in die Berliner U-Bahn als auf die Via della Conciliazione. Auch rein klimatisch scheint Berlin dem Regenjacken-Maskottchen ein besseres Zuhause zu bieten, trotz des jährlich wiederkehrenden Winterregens auf der Piazza Pio XII.

Rom-Mimesis

Ich überquere das Forum Fridericianum mit seiner Rom-Mimesis und mache mich auf den Weg zu einer bekannten Buchhandlung in der Nähe. Als ich die Treppe in Richtung der Geisteswissenschaften hinaufsteige, komme ich direkt in die Abteilung "Religion".  Auf den ersten Blick sehe ich, geradeaus gegenüber der Treppe, einen Tisch mit Büchern über Rom. Es reihen sich, jeweils à etwa fünf Exemplare, zwei verschiedenen Autobiografien des Papstes, Das Vermächtnis von Papst Franziskus von Andreas Englisch, Otto Kallscheuers monumentales Papst und Zeit, Sabine Kühnes Zu Fuß durch Rom (mit dem apostolisch klingenden Ansatz von 12 Spaziergängen durch die Ewige Stadt), Rom mit neuen Augen sehen des alten Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz van Elst und Golo Maurers Rom. Stadt fürs Leben. Wie auf den mittelalterlichen Münzen Roms, wo das Stadtbild mit einigen wenigen spezifischen Gebäuden (Kolosseum, Cestius-Pyramide, Pantheon) verbunden war, wird hier ein konkretes Bild Roms anhand einiger weniger Gegenstände und Gebäude dargestellt. Vespas, das Kolosseum, die Trajanssäule und offenbar auch der Nachfolger Petri sind die Bilder, die Rom ausmachen, zumindest für den durchschnittlichen Kunden dieser Buchhandlung.

So wird die epochale Friedrichstraße an einem winterlichen Samstag zu einer preußischen Variante der Via dei Coronari – gewiss Kommerz und Immanenz, aber auch Geist und Transzendenz. Ein paar Samstage später bin ich endlich selbst wieder in Rom.

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