Wundersame PilgervermehrungRoms Start in das Heilige Jahr 2025

Pilgern auf der Überholspur: Der Gang durch die Heilige Pforte und der Besuch am Petrusgrab lässt sich in 20 Minuten absolvieren. Die hohen Pilgerzahlen, die der Vatikan nennt, ergeben sich durch ein fragwürdiges Zählverfahren.

Severina Bartonitschek
© privat

Heilig-Jahr-Pilgern im Schnelldurchlauf: Anmelden, die Via della Conciliazione runter und ab durch die Heilige Pforte des Petersdoms – innerhalb von rund 20 Minuten. Ich hatte es mir besinnlicher vorgestellt. Doch am Ende ist wie überall im Leben auch beim Pilgern das "Team" entscheidend. Meines wurde angeführt von einem portugiesischen Familienvater mit akutem Drang zur Selbstdarstellung.

Aber von vorn: Am 24. Dezember öffnete Papst Franziskus die Heilige Pforte im Petersdom. Damit fiel der Startschuss für das Heilige Jahr 2025, zu dem mehr als 30 Millionen Pilger in der Ewigen Stadt erwartet werden. Regelmäßig geben der Vatikan und die Stadt Rom nun die aktuellen Pilgerzahlen bekannt – nicht ohne Stolz, aber immer mit der vatikanischen Ergänzung, bei diesem religiösen Ereignis seien nicht die Zahlen Kriterium für Erfolg oder Misserfolg.

Jubiläum tröpfchenweise

Bis Anfang Februar sollen bereits 1,3 Millionen Pilger den Petersdom durch die Heilige Pforte betreten haben. Eine stolze Zahl, dabei ist die eigens geschaffene Pilgerroute zwischen der Piazza Pia an der Engelsburg und dem Petersdom nicht gefährdet, wegen Überfüllung geschlossen zu werden. Abgesehen von den Einzeljubiläen unterschiedlichster Gesellschafts- und Berufszweige, bewegen sich kleinere Pilgergruppen mehr tröpfchenweise zwischen den bepflanzten Betonklötzen auf der Via della Conciliazione Richtung Basilika.

So auch meine – dafür im Sauseschritt. Am Vortag hatte ich mich über die Jubiläums-App angemeldet. Ausgebuchte Daten? Fehlanzeige. Bei der Anmeldung nimmt man es noch genau mit den persönlichen Daten inklusive Ausweisnummer, am gläsernen Pilger-Anmeldehäuschen auf der Piazza Pia reicht der QR-Code in der App – ohne weitere Personenüberprüfung.

Schnell muss es hier gehen. Den Gebetszettel – ein gefaltetes Din-A4-Blatt – gibt's nicht auf Deutsch. Sein Vorrat sei bereits erschöpft, sagt mir die ehrenamtliche Pilgerbegleiterin. Auf die verwunderte Nachfrage, ob schon so viele deutschsprachige Pilger hier gewesen seien, erhalte ich ein hektisches "Ja" und mir werden die verfügbaren Sprachen runtergerattert. Dass bislang niemand in Rom einen deutschsprachigen Gebetszettel zu Gesicht bekam, mag darauf hindeuten, dass die "vergriffenen Blätter" wohl eher eine Ausrede sind.

Doch keine Zeit für weitere Nachfragen: Es steht schon eine Gruppe bereit, der man sich anschließen möge. Bereits erwähnter Familienvater hält das im Pilger-Anmeldehäuschen geliehene Holzkreuz bereits stolz in seinen Händen. Auch hier keine Zeit für Diskussionen. Und so folgen wir dem Mann, der seinen Gang gen Petersdom aus allen Perspektiven von seiner Tochter mit dem Smartphone filmen lässt. Während wir rund 50 Freiwillige in grünen Jacken passieren, die uns die schwarzen Absperrgitter öffnen, die die Touristen eigentlich vom Pilgerweg fernhalten sollen, beten zwei Italienerinnen leise die Allerheiligenlitanei. Gelegentlich gestört vom doch auftretenden Gegenverkehr.

Während wir uns im Petersdom aufhalten, haben weitere Hunderte die Heilige Pforte passiert, Einzeltouristen und Reisegruppen aus aller Welt. Sie werden ebenfalls bei ihrem Durchgang gezählt – was die hohen "Pilgerzahlen" erklärt.

Nach der obligatorischen Sicherheitskontrolle in den Kolonnaden des Petersplatzes legt der Familienfilm-Protagonist eine unerwartete Pause ein – aber keinesfalls das Kreuz ab. Umständlich installiert er sein Bluetooth-Mikrofon am Jackenkragen, denn ab jetzt wird gebetet. Von ihm. Während er gen Heilige Pforte prescht, gefolgt von der hinterhereilenden zusammengewürfelten Pilgergruppe. Kaum im Petersdom wird noch schnell in einer Ecke gegenüber Michelangelos Pietà der auf dem Weg vernachlässigte Gebetszettel abgearbeitet. Es folgt ein strammer Marsch zum Petrusgrab, wo unsere kurze wie denkwürdige Pilgerreise ihr Ende nimmt.

Während wir uns im Petersdom aufhalten, haben weitere Hunderte die Heilige Pforte passiert, Einzeltouristen und Reisegruppen aus aller Welt. Sie werden ebenfalls bei ihrem Durchgang gezählt – was die hohen "Pilgerzahlen" erklärt.

Die meisten haben sich statt über den Pilgerweg durch die zahlreichen neuen Absperrungen rund um den Vatikan zur Pforte vorgekämpft. Extra zum Heiligen Jahr gilt es, Hindernisse aus beige-gestrichenem Holz, grauem Metall oder in der Variante "schwarzer Stahl trifft bepflanzten Betonklotz" zu überwinden. Anders als sonst ist der Petersplatz nur noch von der linken Seite aus ohne Kontrollen zu betreten. Der Zugang zum Petersdom samt Metalldetektoren liegt rechts unweit der Porta Sant'Anna. Die Via della Conciliazione lässt sich aufgrund des extra angelegten Pilgerwegs nur noch punktuell überqueren. So nimmt auch der Otto-Normal-Besucher des Petersdoms eine kleine Pilgerreise auf sich, um ans Ziel zu kommen. Ganz abgesehen von den Römerinnen und Römern, die einfach nur von A nach B kommen wollen.  

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