Mach den Facchino!Weitergeben, was am Leben erhält

Seit Jahren begegnen wir uns – täglich, wortlos, doch vertraut. Facchino, der Wasserträger, eine der "sprechenden Statuen" Roms, lässt bei mir die Frage aufkommen: Wer sorgt heute dafür, dass das kirchliche Leben nicht vertrocknet?

Statue des
Statue des Facchino in der Via Lata© Carlomorino/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Wir kennen uns eigentlich schon eine ganze Weile. Und das verwundert auch nicht, sehen wir uns doch fast jeden Tag. Schon seit nahezu fünf Jahren. Ich auf dem Weg zur Arbeit an der Universität oder der Villa Malta auf dem Pincio, dem Hügel hinter der Spanischen Treppe, und er, der Fels in der Brandung, immer an derselben Stelle, unbeweglich im Gewusel der Touristen und dem Verkehrslärm des Corso – jener Verbindungsstraße zwischen der Piazza del Popolo und dem Vittoriale, dem unübersehbaren Nationaldenkmal an der Piazza Venezia für Vittorio Emanuele II., der entgegen seiner Namensbezeichnung der erste der Könige des neu gegründeten Italiens war. Da steht er also, mein Bekannter, mit dem mich – das darf ich jetzt zumindest von meiner Seite aus aufgrund der alltäglichen Begegnungsroutine und der damit zwangsläufig einhergehenden Vertrautheit sagen – schon fast freundschaftliche Bande verbinden. Ob er selbst das auch so sieht, weiß ich nicht. Wir reden nicht miteinander, zumindest nicht so, wie man es normalerweise kennt – mit hörbar ausgesprochenen Worten und Sätzen, mit Gesten und Mimik.

Ja, es stimmt. Er ist eher ein verschlossener Typ. Irgendwie ein scheinbar aus der Zeit gefallenes Gegenstück zu den vielen Dampfplauderern, Vielschwätzern, Parolenschwingern und Worthülsenakrobaten unserer Tage. Die, die ihn kennen, schätzen genau das an ihm. Nicht trotz, sondern gerade wegen seiner zunächst etwas befremdlich wirkenden Verschwiegenheit vertrauen sie sich ihm an, erzählen ihm, was ihnen Sorgen macht, was sie aufregt, was sie ärgert, was sie empört. Er bleibt dabei ganz cool, äußerlich ohne jegliche Regung oder auch nur den kleinsten Hinweis darauf, was er von dem Gehörten hält und wie es in ihm aussieht. Das kann einen schon verunsichern, und so verwundert es nicht, dass manche ihm sicherheitshalber das noch auf einem Zettel oder einem Blatt Papier schriftlich zustecken, was sie bei ihm loswerden wollten. Sollte er etwas nicht verstanden oder überhört haben, kann er nachlesen. Man weiß ja nie. Schriftliches wirkt immer verbindlicher, und manchen – wahrscheinlich den meisten – ist es ganz recht, wenn er, der schweigsame Stumme, ihre Zettel weitergibt, anderen zeigt und so für ihre Sicht der Dinge wirbt.

Facchinos Botschaft

Er ist nicht der Einzige in Rom, dem es so ergeht. Er hat noch fünf, sagen wir einmal, andere "Kollegen" beziehungsweise eine "Kollegin": Marforio, Babuino, Luigi, Lucrezia und Pasquino. Man sieht sie zwar nie zusammen – jeder hat seinen eigenen festen Platz im römischen Stadtzentrum –, und dennoch bieten sie Einheimischen wie Fremden gemeinsam die Gelegenheit, sich zunächst ihnen und dann über sie vermittelt anderen gegenüber unwidersprochen Luft zu machen. Mein stiller Freund – Facchino heißt er übrigens – ist meines Wissens der Jüngste von besagter Truppe, und dennoch sieht er doch schon ziemlich mitgenommen aus: krumme Finger, eingefallene Augen, keine Zähne mehr und die Nase – nicht krumm und schief, sondern gar nicht mehr vorhanden. Eigentlich kein Wunder. Er ist ja auch schon über 500 Jahre alt und gehört zur Gruppe der sechs "statue parlanti", der sprechenden Statuen oder Figuren. Facchino stellt einen Wasserträger mit einem kleinen Fass in den Händen dar, aus dem stetig, Tag für Tag, ein dünner Wasserstrahl läuft. Facchino wird damit zu einer Brunnenfigur, die nach einer weitverbreiteten Deutung für all diejenigen steht, die nach dem Zusammenbruch der öffentlichen Wasserversorgung Roms durch die allmählich zerfallenen Aquädukte der Antike Wasser auf die römischen Straßen und in die römischen Häuser brachten und verkauften. Nicht alle scheinen mit dieser Deutung Facchinos vertraut gewesen zu sein. Eine Legende berichtet, dass einige offenbar weniger motivierte Freunde gepflegter Ökumene in Facchino den Reformator Martin Luther zu erkennen glaubten und ihn dann mit Steinen bewarfen. Daher auch die fehlende Nase.

Es wird nur so gehen, wie es die gemacht haben, für die er steht, und wie er uns heute noch begegnet: mit persönlichem Einsatz, offenem Ohr, standfest, nah an den Menschen – das weitergeben, was sie nicht nur erfrischt, sondern zuverlässig am Leben erhält.

Facchino, der Wasserträger – eine Figur mit allgemein theologisch-religiösem oder spirituellem Bezug? Im Heiligen Jahr 2025 sei zumindest die Frage danach erlaubt. Und tatsächlich, mit einer gewissen gedanklichen Weite lässt sich diese Frage mit einer Art Anschlussfrage produktiv weiterführen: Wer und wo sind sie, die kirchlichen Wasserträger, die dafür sorgen, dass das kirchliche Leben nicht vertrocknet, nachdem die bisherigen theologischen und spirituellen Aquädukte angesichts neuer Herausforderungen und Unübersichtlichkeiten zu bröckeln anfangen, die sonst üblichen Verbindungen zu den Quellen christlichen Glaubens wackelig geworden sind? Facchino gibt Hinweise. Es wird nur so gehen, wie es die gemacht haben, für die er steht, und wie er uns heute noch begegnet: mit persönlichem Einsatz, offenem Ohr, standfest, nah an den Menschen – das weitergeben, was sie nicht nur erfrischt, sondern zuverlässig am Leben erhält. Wer das kann? Jeder. Du auch. Mach den Facchino!

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