Die Anschrift der Benediktineruniversität auf dem Aventin heißt "Piazza Cavalieri di Malta". Dieser Platz der Malteserritter ist von Piranesi 1770 gestaltet und rechtzeitig zum Heiligen Jahr prächtig renoviert worden. Die meisten Besucher würdigen den Platz allerdings kaum. Sie reihen sich lieber in die lange Schlange ein, die sich hier Tag für Tag und manchmal auch nachts bildet. Hier stehen Menschen aus vielen Ländern geduldig an, um schließlich einen Blick durch das Schlüsselloch des Gartentors zu erhaschen. Da gibt es einen hübschen Blick auf den Petersdom, der von einer kleinen Allee gesäumt wird. Den gleichen Blick, nur ohne Loch, Allee und Schlange gibt es auch anderswo auf dem Aventin. Aber das ist offenbar kein anerkanntes Instagram-Motiv, und so verwenden viele Reisende eine Stunde ihrer kostbaren römischen Zeit darauf, hier Schlange zu stehen. Innehalten und Verschnaufenkönnen, das wünscht man jedem Romreisenden. Schlange stehen nicht unbedingt. Die Anwohner jedenfalls staunen eher.
Die Malteserplatzschlüssellochschlange ist vergleichsweise neu. Eine längere Tradition, wenngleich ähnlich sinnlos, hat die in der Nähe gelegene Bocca della Verità. Auch hier werden Touristenscharen dem Straßengetümmel für eine kontemplative halbe Stunde entzogen. Das schützt weit bedeutendere Monumente in unmittelbarer Nachbarschaft vor zu großem Andrang. San Giorgio in Velabro bleibt so ein stiller Geheimtipp.
Die Schlangen-Monumente sind zwar gratis, spielen für die stadtrömische Tourismusökonomie aber doch eine Rolle: Die örtliche Imbisswagenszene hat die Menschenschlangen als dankbare Abnehmer erschlossen. Und elektronisch verstärkte Straßenmusikanten verkürzen den Schlangenstehern die Wartezeit mit – nun ja – "internationaler Unterhaltungsmusik".
Die väterliche Fürsorge des Vatikans
Ganz anders, nämlich wirklich exklusiv, geht es ein paar hundert Meter weiter zu. Das Kloster Tor de' Specchi in der Via del Teatro di Marcello 32 öffnet nämlich nur selten. Sehr selten sogar, nämlich einmal im Jahr, am 9. März. Dann bildet sich auch dort eine Schlange. Und die besteht aus Hiesigen: andächtigen Römern und kunstbeflissenen Wahlrömern. Tor de Specchi ist das Kloster, das 1433 von der Heiligen Francesca Ponziani gegründet wurde, die hier aber immer Santa Francesca Romana genannt wird. Sie war Gattin, Mutter, Klostergründerin, dann Witwe und schließlich selbst Klosterschwester. Sie half und heilte – und wirkte dazu noch Wunder. Ihr Leichnam ist in der nach ihr benannten Kirche auf dem Forum das Ziel vieler Pilger. Aber ihr Charisma wurde und wird bis heute von den Oblatinnen der Heiligen Franziska von Rom weitergetragen, eben im Kloster Tor de' Specchi. In dieses Haus sind über Jahrhunderte hinweg Damen aus der römischen Oberschicht eingetreten, durch deren Mitgift und Erbschaften das Kloster allmählich ein veritables Schatzhaus geworden ist, mit Innenräumen aus Renaissance und Barock, die den Besuchern am 9. März den Atem stocken lassen. Die Schwestern folgen der Regel des heiligen Benedikt, waren aber nie streng klausuriert. Sie haben sich immer der Fürsorge an Mädchen und jungen Frauen gewidmet, und heute beherbergen sie Nonnen aus der ganzen Welt, die studienhalber in Rom wohnen.
Seit einiger Zeit ist dieses Haus allerdings von Kämpfen umtobt. Die Oblatinnen sind wenige und alt. Die schöne Immobilie mitten in der Altstadt weckt vielerlei Begehrlichkeiten. Der Heilige Stuhl hat in väterlicher Fürsorge schon einen Kardinal zum Kommissar ernannt. Der gute Magen, von dem Mephistopheles dem Dr. Faust erzählt, speichelt schon.