Ein Fest an der SchwelleAm 2. Februar feiert die Kirche "Mariä Lichtmess" – Darstellung des Herrn

Innerhalb des Kirchenjahres steht das Fest als Brücke zwischen dem Weihnachts- und Osterfestkreis. Es steht außerdem an der Schnittstelle zwischen Altem und Neuem Testament und lädt so dazu ein, die jüdischen Wurzeln der Liturgie neu zu entdecken.

Kerzen
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Am 2. Februar, dem 40. Tag nach Weihnachten, feiert die Kirche Darstellung des Herrn. Kaum ein anderes Fest im liturgischen Kalender verfügt über so viele unterschiedliche Bezeichnungen. Der offizielle Name, "Darstellung des Herrn" oder auch "Darbringung Jesu im Tempel", klingt für heutige Ohren ungewöhnlich. Viel geläufiger ist die Bezeichnung "Mariä Lichtmess" (früher auch "Unser Lieben Frauen Lichtweihe"). Sie weist darauf hin, dass der Festtag im Westen lange als Marienfest begangen wurde und zu dem Termin eine Lichterprozession und die Kerzenweihe gehörte. "Mariä Reinigung" (Purificatio Beatae Mariae Virginis) lautete auch der offizielle Titel in der vorkonziliaren Liturgie. In der Ostkirche wird der Tage seit jeher als Herrenfest mit dem Namen "Begegnung des Herrn" (hypapante tou kyriou) gefeiert.

Zur Tradition der Kirche gehört, dass sich liturgische Festgeheimnisse nicht auf einen einzigen Inhalt beschränken lassen. Die Liturgie will das Christusmysterium in seiner ganzen Breite zum Leuchten bringen. Im Zentrum des Festes stehen gleich mehrere Ereignisse, die in Zusammenhang mit der Geburt Jesu stehen und Einblick in seine jüdische Herkunft geben, wie der Evangelist Lukas im Tagesevangelium (Lk 2, 22–40) berichtet.

Nach jüdischem Gesetz folgen auf die Geburt des Erstgeborenen neben Beschneidung und Namensgebung die kultische Reinigung der Mutter sowie die sog. Heiligung der Erstgeburt im Tempel (Lev 12). Lukas zieht die beiden letztgenannten Riten zusammen, indem er zunächst über das Reinigungsopfer Mariens berichtet, das die Gottesmutter in Form von zwei Tauben darbringt. Denn nach dem Gesetz Mose gelten Frauen 40 Tage nach der Geburt eines Knaben als kultunfähig. Ferner vollziehen Josef und Maria in ihrer Rolle als Eltern Jesu die sogenannte Erstgeburtsweihe (Ex 13). In Gedenken an die Pesachnacht wird der Erstgeborene als Eigentum Gottes betrachtet und ihm im Tempel übergeben ("dargestellt"), wo er durch ein Geldopfer auszulösen ist (Num 18,16).

Die anschließend geschilderte Begegnung zwischen Simeon und Hanna wurde namensgebend für das Fest im Osten. Beide Propheten erkennen in Jesus den lang ersehnten Messias. Der "Lobgesang des Simeon" ging zudem als Nunc dimittis (Lk 2,29–32) in die Liturgie sowohl der Ost- wie auch der Westkirche ein. Das Canticum wird in der lateinischen Liturgie bereits vor der Messe während der Prozession nach der Kerzensegnung gesungen. Noch prominenter ist sein Gebrauch im Nachtgebet der Kirche. Als viertes neutestamentliches Canticum des Lukasevangeliums neben Benedictus, Magnificat und Gloria wurde es zum festen Bestandteil der (nichtmonastischen) Komplet. Die Betenden erhalten Anteil an jener Freude, die Simeon am Lebensende zuteilwurde, als er das Messiaskind in Armen hielt, war ihm doch vom Heiligen Geist die Zusage gemacht worden, "er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe." (Lk 2,26)

Darstellung des Herrn ist ein Fest an gleich mehreren Schwellen. Innerhalb des Kirchenjahres steht es als Brücke zwischen dem Weihnachts- und Osterfestkreis. Während die Reinigung der Mutter zurück auf Weihnachten verweist, deutet die Heiligung der Erstgeburt bereits auf Ostern hin. Ohne Pesachnacht und Exoduserfahrung bleibt das christliche Osterfest kontextlos. Die frühen Christen interpretierten den Hinübergang Jesu aus dieser Welt zum Vater (Joh 13,1) und seinen Durchgang durch den Tod ins Leben, als Exo­duserfahrung. Das christliche Osterfest schreibt damit das jüdische Pesachfest fort.

Ein Fest an der Schnittstelle zwischen Altem und Neuem Testament

Darstellung des Herrn steht damit aber auch an der Schnittstelle zwischen Altem und Neuen Testament, zwischen Israel und der Kirche, indem es auf Jesu jüdische Wurzeln verweist. Seit einigen Jahren wird darüber diskutiert, wie in der Liturgie das jüdische Erbe wieder deutlicher sichtbar gemacht werden könnte. Ein Vorschlag aus jüngerer Zeit lautet, das alte Beschneidungsfest (Circumcisio Domini) unter neuen Vorzeichen wiedereinzuführen, um so gegen die "latente Israelvergessenheit der Kirche" (Jan-Heiner Tück) anzugehen.

Bis zu den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils beging die römische Kirche am 1. Januar, dem Oktavtag von Weihnachten, die Beschneidung Jesu. Seither wird der Neujahrstag als Hochfest der Gottesmutter begangen, das zwar über alte römische Wurzeln verfügt, den Bogen von Geburt, Beschneidung, Namensgebung und Darstellung Jesu aber unterbricht. Eine mögliche Wiedereinführung des Festes ist jedoch umstritten, da mit ihm jahrhundertelang antijüdische Stereotype und Substitutionstheorien einhergingen, von denen sich das Zweite Vatikanum im Konzilsdokument "Nostra aetate" endgültig verabschiedete. Eine Wiedereinführung müsste mit einer theologischen Neubestimmung des Festes verbunden werden. Auch wenn sich Papst Franziskus für die Wiederbelebung des Beschneidungsfestes offen zeigte, ist eine Neuauflage derzeit unwahrscheinlich.

Die Feier des Darstellungsfestes kann dazu beitragen, die jüdischen Wurzeln in der Liturgie neu zu akzentuieren.

Von der theologischen Bedeutung liegen Beschneidung und Darstellung nicht auf einer Ebene. Inhaltlich betrachtet könnte die Feier des Darstellungsfestes aber dennoch dazu beitragen, die jüdischen Wurzeln in der Liturgie neu zu akzentuieren. Damit sind zwei Punkte verknüpft. Einerseits geht es um die Rückbindung der christlichen Liturgie an ihr jüdisches Erbe und damit um die Hochachtung vor der Herkunft Jesu. Die Kirche bekräftigt seit Johannes Paul II., dass Gottes Bund mit dem jüdischen Volk bis heute Gültigkeit besitzt. Neben persönlicher Begegnung und Dialog ist die Liturgie ein hervorgehobener Ort, das kollektive Erbe von Juden und Christen erlebbar zu machen. Anderseits gibt das Fest auch Anlass, sich jenseits der gottesdienstlichen Erinnerungskultur immer wieder neu mit den Jüdinnen und Juden von heute solidarisch zu zeigen. Oder wie Christian Rutishauser es am 17. Januar 2024, dem Tag des Judentums, angesichts des Pogroms der Hamas vom 7. Oktober 2023 formulierte: "Juden und Jüdinnen verdienen aktive Solidarität und konkreten Beistand von Christen, weil sie Mitmenschen, aber auch weil sie Glieder des Volks des ungekündigten Bundes mit Gott sind."

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