Das Präsidium des Zentralkomitees der deutschen Katholiken war in Rom. ZdK-Vize Thomas Söding sagt: "Wir haben hier an keiner Stelle Prinzipienreiterei wahrgenommen."

Benjamin Leven: Eine Organisation, wie das ZdK, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, gibt es so in anderen Ländern nicht. Konnten Sie Ihren römischen Gesprächspartnern verständlich machen, worum es sich handelt?

Thomas Söding: Unsere Gesprächspartner – wir haben mit vielen Dikasterien gesprochen – waren sehr gut informiert. Sie schätzen die kirchlichen Hilfswerke, deren Spitzen im ZdK organisiert sind. Sie wissen, dass es die Besonderheit in Deutschland mit einer starken Organisation des Laienapostolates gibt. Wir konnten vermitteln, dass wir nicht die Opposition zur Bischofskonferenz sind, sondern auf politischem wie kirchlichem Feld viele Gemeinsamkeiten haben, auch wenn wir unabhängig sind und bleiben. Was noch Zeit braucht: dass eine Doppelspitze den Bischöfen nichts nimmt, sondern viel gibt.

Ein Arbeitsbesuch

Leven: Zuletzt war Thomas Sternberg als ZdK-Präsident im Jahr 2016 in Rom. Damals traf er wichtige Kurienvertreter. Nun sind viele Kuriale gar nicht da, sondern zusammen mit Papst Franziskus in Indonesien. Ein Planungsfehler?

Söding: Das ZdK hat diesmal von Anfang an einen reinen Arbeitsbesuch geplant. Deshalb war die Begegnungsebene die richtige. Wir haben viele konstruktive Gespräche geführt. 

"Es gibt ein gemeinsames katholisches Ethos, das mit vielen verbindet und manche Konflikte auflöst: die Stärkung der Schwachen."

Leven: Die Liste der Gesprächsthemen, die das ZdK vorab veröffentlicht hat, war lang – vom Klimaschutz bis zum Dialog mit dem Judentum. Das wichtigste Streitthema zwischen Deutschland und Rom ist der Synodale Weg. Inwiefern war das Thema?

Söding: Tatsächlich ist bei der Planung von Anfang unseres Besuches an prägend gewesen, dass das ZdK keineswegs nur im kirchlichen Feld, sondern vor allem auf politischem Gebiet engagiert. Und dass man hier in Rom keineswegs nur die kirchliche Binnenperspektive verfolgt. Wir haben ökologische und soziale Fragen, nicht zuletzt auch die Friedensinitiativen besprochen, unter anderem mit dem Dikasterium für die Evangelisierung (der "Propaganda fide", wie sie früher hieß), und der Akademie für das Leben, aber auch mit den Maltesern und mit Sant'Egidio, die Botschaften beim Heiligen Stuhl und beim Quirinal nicht zu vergessen. Es gibt ein gemeinsames katholisches Ethos, das mit vielen verbindet und manche Konflikte mit anderen gesellschaftlichen Gruppen auslöst: die Stärkung der Schwachen. Wir haben hier an keiner Stelle Prinzipienreiterei wahrgenommen, sondern viel Kenntnisse und viel Verständnis dafür, dass die Umsetzungen vor Ort immer die reflektierte Zeitgenossenschaft voraussetzen und nie ohne gute Bündnispartner gelingen werden. Unsere Partnerschaft mit der Konrad-Adenauer-Stiftung auf dieser Reise war ein großer Gewinn. Wir haben den Jewish World Congress besucht, vertreten durch Maram Stern, seinen Executive Vice Director, der aus New York gekommen war, um sich für den Einsatz des ZdK und der gesamten katholischen Kirche in Deutschland gegen den Antisemitismus zu bedanken. Im Dikasterium für die Gesetzestexte und im Dikasterium für die Glaubenslehre haben wir sehr konstruktive Gespräch über den Synodalen Weg in Deutschland und weltweit geführt. Die Missbrauchsthematik ist kein Tabu mehr, auch wenn die Akzente zwischen Safeguarding, Strafrecht und systemischen Konsequenzen unterschiedlich gesetzt werden. Von "sogenanntem" Missbrauch oder "sogenannten" systemischen Zusammenhängen hat niemand gesprochen.

"Die Pointe ist garantierte und nicht nur gutwillig gewährte Partizipation."

Leven: In der Kurie gibt es Bedenken gegen die Einführung neuer Kirchengremien in Deutschland. Ist es Ihnen gelungen, diese Bedenken ein Stück weit auszuräumen?

Söding: Wir wollen nicht neue Gremien schaffen, sondern die bestehenden so weiter entwickeln, dass die Transparenz und Kontrolle, die jetzt auch im "Instrumentum Laboris" der zweiten Tagung der Weltsynode im Oktober angesprochen werden, garantiert sind. Das ZdK sieht genau, dass die Kommunikationsformen und -organisationen, die sich in Deutschland entwickelt haben und weiter entwickeln, nicht einfach auf die Weltkirche übertragen werden können. Aber für die katholische Kirche in Deutschland sind sie der konsequent nächste Schritt, von dem weltweit viele hoffen, dass er auch bei ihnen gegangen wird. Lateinamerika, besonders Amazonien, ist weit voraus. Beraten und Entscheidung gehören zusammen, die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten werden nicht geleugnet, die bischöfliche Gesamtverantwortung ist anerkannt. Aber die Pointe ist garantierte und nicht nur gutwillig gewährte Partizipation. Wir werden sehen, welche Dynamik die Weltsynode Teil II entwickelt. Wir sehen positive Entwicklungen in vielen Teil der Welt. Und nicht nur für das kleine Deutschland gilt:  Karikaturen helfen nichts, besser ist das Gespräch mit den Originalen. 

"Was heißt Kontrolle? Das ZdK zielt darauf, Synodalität auf Dauer zu stellen. Dazu braucht es die Verständigung mit Rom. Synodalität ist kein Wunschkonzert, sondern ein geistlicher Prozess mit harter Arbeit und kommunikativer Kompetenz."

Leven: In Deutschland setzt ein "Synodaler Ausschuss" die Arbeit des Synodalen Weges fort. Unter anderem sollte er einen dauerhaften "Synodalen Rat" vorbereiten. Ende Juli hat eine Delegation deutscher Bischöfe mit Kurienvertretern vereinbart, dass diesbezügliche Pläne im "engen Kontakt" mit einer Kommission von Kurialen erarbeitet werden sollen. Konnten Sie darüber Näheres erfahren? Und akzeptiert das ZdK diese Kontrolle durch Rom?

Söding: Was heißt Kontrolle? Das ZdK zielt darauf, Synodalität auf Dauer zu stellen. Dazu braucht es die Verständigung mit Rom. Synodalität ist kein Wunschkonzert, sondern ein geistlicher Prozess mit harter Arbeit und kommunikativer Kompetenz. Zusammensetzung, Mandat und Kooperation sind die Schlüsselthemen. Im Synodalen Ausschuss arbeiten wir mit allen Diözesanbischöfen zusammen, die sich nicht verweigern. Warum sollen wir keine gemeinsame Lösung hinbekommen, am Ende auch mit den vier Bischöfen, die derzeit nicht mitmachen? 

Leven: Was hat Sie bei Ihrem Besuch in Rom am meisten überrascht?

Söding: Ich bin persönlich recht oft in Rom. Ich weiß, dass es die Weltkirche ohne Rom nicht gäbe. Ich war allerdings bislang vor allem in synodalen und ökumenischen Angelegenheiten unterwegs, vorher in der Internationalen Theologischen Kommission. Wie stark der Vatikan mit vergleichsweise wenigen Kräften auf der weltpolitischen Bühne präsent ist, wusste ich – aber es ist schön, diesen Eindruck bestätigt zu bekommen und neue persönliche Kontakte zu Dikasterien zu knüpfen, die ich bislang noch nicht so gut kannte. 

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