Bischöfe sind gebunden. Bei ihrer Weihe versprechen sie dem Papst Respekt und Gehorsam. Der Bischof von Rom kann das Dienstamt der Einheit in der kulturell polyzentrischen Weltkirche nur wahrnehmen, wenn er sich auf die Loyalität der Bischöfe verlassen kann. Seine Stellung als Haupt des Bischofskollegiums würde angetastet, wenn einzelne Bischöfe, die eigenständige Hirten ihrer Diözesen sind, andere Wege beschritten, als er es vorsieht.
Nun will sich die Mehrheit der Bischöfe in Deutschland zugleich an die Voten von gemischt besetzten Synodalräten binden – freiwillig. Loyalitätskonflikte sind vorprogrammiert. Es ist bekannt, dass weltkirchliche Vorgaben in Deutschland nicht nur Zustimmung finden. Ein Beispiel? Die jüngste Erklärung "Fiducia supplicans" ermöglicht einen spontanen Segen für homosexuelle Paare, verbietet aber ausdrücklich liturgische Feiern für solche Segnungen. Die Differenz zum Sakrament der Ehe zwischen Mann und Frau soll nicht verwischt werden. Was, wenn ein Synodalrat mehrheitlich die Verwendung liturgischer Formulare beschließt, die Rom kategorisch verbietet? Was soll der Bischof in einer solchen Zwickmühle tun? Übergeht er das Votum des Synodalrats, degradiert er es zu einem "Partizipationsavatar" (Norbert Lüdecke) und provoziert kollektive Empörung – missachtet er die Vorgaben des Papstes, setzt er einen Akt bischöflichen Ungehorsams und riskiert Risse in der Communio der Weltkirche. Aus der "heilsamen Dezentralisierung" könnte eine heillose Zersplitterung folgen, wenn es Schule macht, dass sich Bischöfe über ausdrückliche Voten des Papstes hinwegsetzen.
Essener "Gemeinsamer Rat" wirft Rückfragen auf
Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hat nun angekündigt, in seiner Diözese einen "Gemeinsamen Rat" einzuführen. Dieser soll "mehr Beteiligung an Beratungs- und Entscheidungsprozessen ermöglichen". Der Rat ist gemischt besetzt, er wird aus Laien und Priestern bestehen und 21 Mitglieder umfassen, mindestens 13 davon sollen Laien sein. Diversität ist garantiert.
Die Essener Entscheidung wirft mehrere Rückfragen auf:
Die erste betrifft den Zeitpunkt: Offensichtlich sollen durch die Schaffung des "Gemeinsamen Rates" bereits Fakten gesetzt werden, bevor der Synodale Prozess der Weltkirche im kommenden Oktober mit der zweiten Session in die finale Phase geht. Warum diese Ungeduld? Will Bischof Overbeck – den Gegenwind aus Rom im Rücken – als Pionier der Rätekirche in Deutschland in die Geschichte eingehen?
Die zweite betrifft die kreative Hermeneutik römischer Interventionen. Schon im Juli 2022 war ein Schreiben aus dem Vatikan gekommen, der Synodale Weg in Deutschland sei "nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtung der Lehre und der Moral zu verpflichten." Im Januar 2023 hatte ein Schreiben dreier Kurienkardinäle im Auftrag des Papstes erneut bekräftigt, "dass weder der Synodale Weg noch ein von ihm eingesetztes Organ noch eine Bischofskonferenz die Kompetenz haben, den 'Synodalen Rat' auf nationaler, diözesaner oder pfarrlicher Ebene einzurichten". Papst Franziskus hat diesen Vorbehalt in einem persönlichen Brief an vier ausgetretene Synodalinnen noch einmal bestätigt. Auffällig an den römischen Einsprüchen ist, dass sie den Synodalen Weg oder die Bischofskonferenz nennen, nicht aber den Ortsordinarius einer Diözese. Ist die Leerstelle von Rom absichtlich gesetzt? Oder will man in Essen die Lücke in der Stellungnahme unbotmäßig ausnutzen – nach der Devise: Was dem Synodalen Weg oder der Bischofskonferenz verboten ist, das muss dem Bischof einer Diözese erlaubt sein. Sprachlich fällt überdies ins Auge: Das neue Gremium in Essen soll nicht "Synodaler Rat", sondern "Gemeinsamer Rat" heißen. Glaubt man, durch den Trick einer solchen Umbenennung von der Serie der römischen Einsprüche nicht mehr getroffen zu werden und so das "römische Gütesiegel" (Thomas Söding) zu erhalten?
Die Förderung einer synodalen Partizipationskultur in Deutschland wird nicht gegen, sondern nur mit Rom vorankommen. Rom muss dazu seinen Part beitragen – und einerseits klarstellen, wie eine verbindliche synodale Einbettung des Bischofsamtes aussehen, und andererseits wie wirksame Kontrollorgane gegen missbräuchliche Amtsführung implementiert werden können.
Die dritte Anfrage betrifft das zunehmend unübersichtliche Kompetenzgefüge. Es gibt seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den allermeisten Diözesen synodale Gremien wie den Diözesanrat, den Priesterrat oder den Pastoralrat. Sie alle haben die Funktion, den Bischof in seiner Amtsführung zu beraten. Gleichzeitig gibt es den Generalvikar, der in Essen im neuen "Gemeinsamen Rat" zwar Mitglied sein soll, aber ohne Stimmrecht. Statt Strukturverschlankung in Zeiten sinkender Einnahmen droht hier eine Strukturaufblähung mit potentiellen Kompetenzüberschneidungen und Konflikten.
Die vierte Anfrage betrifft schließlich den Nachfolger von Bischof Overbeck. Ist seine Ordination an die Einbindung an den Gemeinsamen Rat gebunden? Was, wenn er von der Freiheit Gebrauch macht, dass er die bischöfliche Amtsführung auf andere Weise wahrnehmen will?
Ob es zukunftsträchtig ist, unter Berufung auf Synodalität jetzt neue Strukturen zu schaffen, ist fraglich. Eher geht es darum, "die bestehenden Strukturen im Sinn der Synodalität neu auszurichten und sie weniger bürokratisch, sondern mehr geistlich auszugestalten" (Walter Kardinal Kasper). Die Förderung einer synodalen Partizipationskultur in Deutschland wird nicht gegen, sondern nur mit Rom vorankommen. Rom muss dazu seinen Part beitragen – und einerseits klarstellen, wie eine verbindliche synodale Einbettung des Bischofsamtes aussehen, und andererseits wie wirksame Kontrollorgane gegen missbräuchliche Amtsführung implementiert werden können. Vorpreschende Alleingänge – ob auf diözesaner oder nationaler Ebene – sind dabei nicht zielführend.