In einer Kirche, die das Zweite Vatikanische Konzil fortschreiben möchte, sind Überlegungen zur Neugestaltung von theologischer und pastoraler Verantwortung im Blick auf alle Getauften völlig in Ordnung, zumal es, was den Synodalen Weg ja auch auf den Plan gerufen hat, schwere Krisen zu bewältigen gilt.
Gegen die Idee, als heilsames Steuerungsinstrument einen "Synodalen Rat" einzurichten, wurden freilich Bedenken laut. Es gab formellen Einspruch aus Rom, ein klares Veto: Weder "der 'Synodale Weg' noch ein von ihm eingesetztes Organ noch eine Bischofskonferenz haben die Kompetenz, einen 'Synodalen Rat' auf nationaler, diözesaner oder pfarrlicher Ebene einzurichten". Und wie auf dieser Plattform dokumentiert, hat sich der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper dieser Abwehrhaltung angeschlossen: "Das kann nicht gut ausgehen."
An prominenten Stimmen zur Verteidigung des Vorhabens fehlt es nicht. Thomas Söding preist in seiner Antwort auf Kasper den geplanten Schritt als überfälliges Zeichen für eine gerechtere, geschwisterliche Kirche. Seine Zeilen atmen eine sympathische Leichtfüßigkeit; hier liegt allerdings auch das Problem: Fügt sich die Veränderung wirklich so geschmeidig, so evident therapeutisch in das Tradierte ein? Der Synodale Rat "wäre ohne Zweifel ein Eingriff in die sakramentale Struktur [der Kirche] und würde die Leitungsvollmacht des Bischofs begrenzen oder gar aushebeln", so noch einmal Kardinal Kasper.
Die folgenden Zeilen versuchen eine Peilung: Wie gereift, wie ausgewogen, wie tragfähig ist die Idee "Synodaler Rat"? Transparenz ist ein großes Wort in den Synodaltexten – geht sie weit genug?
Beraten die Getauften mit den Bischöfen oder wie Bischöfe?
Zunächst zum Zweiten Vatikanum. Die Diskussion ist alt und reich verzweigt, aber offensichtlich unentschieden: Wie soll das Konzil gelesen werden? Als modifizierende Bestätigung des Überkommenen oder als Startschuss für völlig Neues?
Wer sich mit dem Konzil auf die Mitverantwortung aller Getauften in Beratungs- und Entscheidungsprozessen beruft, bejaht damit auch die konziliare Lehre über den Leitungsprimat des Episkopats mit dem Papst an der Spitze. In den Synodaltexten wird das nicht in Abrede gestellt, doch was ist damit ausgesagt? Beraten und beschließen die Gläubigen zusammen mit den Bischöfen oder tun sie es wie Bischöfe? Ersteres entspricht der Gedankenwelt des Konzils, letzteres nicht.
Wie steht es um das Verhältnis von charismatischer und institutioneller Autorität in der Kirche? Es gibt in den Synodaltexten eine Unterströmung, wonach generell das Charismatische zählt. Im Grundtext über kirchliche "Macht und Gewaltenteilung" zum Beispiel tritt sie explizit zutage: "Die Einheit des Leibes Christi geht nach Paulus mit der Vielfalt der Glieder einher, die diesen Leib bilden und in ihrer jeweiligen Besonderheit unverzichtbar sind. Paulus bezieht diese Glieder auf die Charismen, die allen Gläubigen geschenkt sind. Auch das apostolische Amt ist in diesem Verständnis ein Charisma, ebenso die Prophetie, das Lehren, das Helfen und Leiten" (Nr. 40).
Wenn jede Autorität in der Kirche charismatisch auszuweisen wäre, hätten die Getauften eine kirchenbegründende Beweislast zu tragen, die sie überfordern würde.
Nun hat die Kirche ihr dogmatisches Innenleben durchaus bibelnah, doch im Reflexionsfluss der frühen Gemeinden und ihrer leitenden Köpfe entfaltet, was die römisch-katholische Physiognomie bis heute prägt. Demnach festigt sich kirchlicher Zusammenhalt auf zwei Schienen: Es gibt die Beauftragung von Getauften zu einem Dienst, der nicht von ihrer persönlichen charismatischen Ausstattung abhängt. Und es gibt – natürlich – eine Vielzahl von Diensten, die ausdrücklich das Persönliche und je Individuelle der pneumatischen Gabe ins Licht stellen.
Wenn jede Autorität in der Kirche charismatisch auszuweisen wäre, hätten die Getauften eine kirchenbegründende Beweislast zu tragen, die sie überfordern würde. Ihr Zusammenspiel hinge von der Stimmungslage, vom seelsorgerlichen Event und vom öffentlichen Zuspruch ab; ein Leib ohne Rückgrat, eine Symphonie ohne Partitur. Kirche bleibt Kirche auch in Zeiten und an Orten mit augenscheinlich oder gefühlt wenig Begeisterung.
Jesus und der Synodale Rat
Von einer gewissen Objektivität her versteht sich auch das sakramentale Wesen der Kirche im Ganzen. Es kommt in konkreten Sakramenten zum Ausdruck, also rituell. Dahinter steht die Überzeugung: Erlösende Kraft in der Kirche schenkt der im Heiligen Geist zum Vater erhöhte Christus. Eine magische Auffassung? Magie würde bedeuten, dass die Kirche mit Riten göttliche Zuwendung erzwingt. Aber es verhält sich genau umgekehrt, denn Riten machen deutlich, dass nicht der Mensch, sondern Gott handelt. Hier ist eine Spiritualität des gläubigen Empfangens und des festen Vertrauens vonnöten. Ein entschiedener, verinnerlichter Glaube anerkennt, dass der Quell pneumatischer Kraft jenseits des kirchlich Machbaren, seiner paritätischen Planbarkeit liegt.
Wie verhält sich der biblische Jesus zum Synodalen Rat? Eine zugegeben eigenartige Frage. Aber es geht noch einmal um die Spiritualität: Sind biblisch gesehen kirchliche Strukturen besser bezeugt als Jesu Ruf an Persönlichkeiten, die er "bestellt" hat, damit sie "mit ihm seien und dass er sie sende zum Verkünden" (Mk 3,14 nach der Übersetzung von Friedolin Stier)?
Kann man "spirituell motiviert" auf ein Kollektiv verpflichtet werden?
Das Synodalprinzip verdankt sich bereits in der Alten Kirche einer ausgeklügelten, rationalen Überlegung im Blick auf die Organisation von Amtsvollzügen. Hingegen ist die erwählende Gebärde Jesu, die auch heute noch mit einigem Recht als Formprinzip des kirchlichen Amtes gelten darf, rational nicht einholbar. Ich denke an ein Wort der Therese von Lisieux: "Gott beruft nicht die, die würdig sind, sondern die, die er will". Und Sören Kierkegaard hat im Rahmen seiner Religionsphilosophie den Unterschied von Aposteln und Genies unterstrichen: Die Apostel waren, meint er vielsagend, keine Genies.
Stichwort Gehorsam. Es ist unbestreitbar, wie fatal, verheerend, ja verbrecherisch sich diese Haltung auswirken kann, wenn sie verballhornt wird und zu einer unkritischen Vasallenmentalität führt. Trotzdem gehört sie, als geistliche Hör- und Tatbereitschaft, zum kirchlichen Leben. Sie bezog sich bislang bei Priestern und Bischöfen auf ein personal konkretisiertes Hierarchiesystem – ein bestimmter Bischof, ein bestimmter Papst.
Die Frage bleibt: Können Getaufte, in welcher Position auch immer, spirituell motiviert – durch "freiwillige Selbstbindung" – auf ein unpersönliches Kollektiv verpflichtet werden? Auf ein Gremium, das sich, freilich durch Verfahren kreiert, sich selbst verdankt?
Wer diese Anfrage für überzogen hält, bedenke den Vorschlag im (vom Synodalen Weg in den Synodalen Ausschuss verwiesenen) Handlungstext "Gemeinsam beraten und entscheiden" für das Prozedere im Synodalen Rat (und dessen Ableger auf Diözesan- und Pfarreiebene) im Konfliktfall: Wenn nach zweimaliger Beratung keine Einigung zustande kommt, kann eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Gremium das bischöfliche Votum überstimmen. Das wäre grundstürzend in der Geschichte der katholischen Kirche.
Obwohl: "Der Rahmen für die Selbstverpflichtung ist die verbindliche Glaubenslehre und Rechtsordnung der Kirche". Wer garantiert sie? Wo findet sie sich? Im katholischen Kosmos, wie man ihn gewohnt war? Aber doch die Reform! Gegenüber einem Bischof oder auch dem Papst konnte sich bislang eine kritische Seele bei Widerspruch zumindest moralisch auf deren Einbindung in den Weltepiskopat, auf Tradition und Liturgie, auf das letzte Konzil oder auch auf einen offiziell approbierten Katechismus berufen.
Es entstehen neue, schwer durchschaubare, systemisch ungelenke Parallelstrukturen. Die kirchliche Verfahrensbürokratie wächst, Obödienzen vervielfachen sich. Gerade das wollte man doch nicht.
Nunmehr ist beim Dissens mit einem Bischof an ein Schlichtungsverfahren gedacht, "dessen Bedingungen vorab festgelegt worden sind und an die alle Beteiligten sich zu halten verpflichten". Klare Rechtswege im Streitfall sind hoch erstrebenswert, aber auch sie brauchen inhaltliche Leitlinien. Woher kommen sie? Will ein Pfarrer dem Rat seiner Seelsorgeeinheit nicht folgen, gibt es ebenfalls ein Schlichtungsverfahren, wobei der Vorgang "der diözesanen Schiedsstelle" vorzulegen ist. Also doch wieder der Hierarch als Letztinstanz? Warum dann der Rat? Es entstehen neue, schwer durchschaubare, systemisch ungelenke Parallelstrukturen. Die kirchliche Verfahrensbürokratie wächst, Obödienzen vervielfachen sich. Gerade das wollte man doch nicht.
Vielleicht ist die momentane, emotional aufgeladene Situation in einer heiklen Angelegenheit der rechte Augenblick, damit sich ein atmosphärisches Grundanliegen des Zweiten Vatikanums zugunsten vieler neu bewähren kann: verändern, aber im respektvollen Wissen um das der Kirche Angestammte; erneuern, doch ohne revolutionären Furor. Und bitte im Auge behalten, dass die für Reformen notwendige dogmatische Knochenarbeit noch nicht abgeschlossen ist.