Markus Graulich hat sicher nicht nur Freunde unter den deutschen Bischöfen. Zu sehr dürfte der Kurienmitarbeiter ihnen auf die Nerven gegangen sein mit seiner Kritik, die er immer wieder öffentlich äußerte: sei es an der Satzung des Synodalen Weges und am Konstrukt eines "Synodalen Rates", sei es am Ökumene-Papier "Gemeinsam am Tisch des Herrn" oder am neuen kirchlichen Arbeitsrecht in Deutschland. Im Jahr 2014 hatte Papst Franziskus den Salesianerpater zum Untersekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte ernannt. Nun, nach zwei fünfjährigen Amtszeiten, wurde sein Mandat von Papst Franziskus nicht verlängert.
Kirchenpolitisch ist für deutsche Reformkatholiken durch den Abgang von Graulich wahrscheinlich nicht viel gewonnen.
Trotzdem sollte man sich hierzulande jetzt nicht ins Fäustchen lachen. Denn mit Markus Graulich verlässt ein weiterer qualifizierter Deutschsprachiger die Kurie. Seinen Posten übernimmt der Finne Tuomo Vimpari. Damit gehen der deutschen Kirche zunehmend die Ansprechpartner im Vatikan aus. Derzeit leitet der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch noch das Dikasterium für die Einheit der Christen. Er wird im nächsten Jahr 75 und muss dann seinen Rücktritt anbieten. Danach wird es auf der vatikanischen Führungsebene der Präfekten, Sekretäre und Untersekretäre nur noch den Passauer Diözesanpriester Matthias Ambros geben, Untersekretär im Dikasterium für Kultur und Bildung, sowie Daniel Pacho, einer der Untersekretäre im Staatssekretariat. Der deutschsprachige Katholizismus verliert in der Weltkirche zunehmend an Bedeutung.
Kirchenpolitisch ist für deutsche Reformkatholiken durch den Abgang von Graulich wahrscheinlich nicht viel gewonnen. Kenner des nordeuropäischen Katholizismus charakterisieren seinen Nachfolger Tuomo Vimpari als eher konservativen Kleriker. Vimpari war bislang im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls tätig. Er war 2003 der erste Finne, der an der Päpstlichen Universität Gregoriana einen Doktor in Kirchenrecht machte. 2006 schloss er, ebenfalls als erster Finne, die Ausbildung an der Päpstlichen Diplomatenakademie ab. Der Zeitung "Helsingin Sanomat" sagte er 2018: "Die Kirche ist charismatisch und hierarchisch, und manche verbinden Letzteres mit Karrierismus. Doch das ist für die Kirche eine fremde Perspektive." Und er betonte: "Als ich zum Priester geweiht wurde, habe ich beschlossen, dass ich niemals nein zu dem sagen werde, was die Kirche von mir verlangt." Neben Stationen in Indien, der Ukraine oder Nigeria war Vimpari Anfang der 2010er-Jahre auch für einige Zeit an der Apostolischen Nuntiatur in Berlin tätig. Öffentliche Debattenbeiträge sind von ihm wohl nicht zu erwarten. Der Journalist des "Helsingin Sanomat" notierte 2018: "Vimpari zögert, sich zum Inhalt seiner Arbeit oder zu Papst Franziskus zu äußern, da er direkt bei ihm angestellt ist."
Der Artikel wurde am 8.8.2024 um 19:45 ergänzt um den Hinweis auf Ambros und Pacho.