Paskalis Bruno Syukur will nicht Kardinal werdenDer überraschende Verzicht enthüllt Schwächen der Personalpolitik des Papstes

Der Bischof von Bogor in Indonesien lehnt die Erhebung zum Kardinal ab – mit einer dubiosen Begründung. Die Art und Weise, wie Papst Franziskus neue Purpurträger auswählt, hat das Kardinalskollegium geschwächt. Seine Methode hat sechs gravierende Nachteile.

Kardinäle beim Konsistorium am 30. September 2023 auf dem Petersplatz im Vatikan
Kardinäle beim Konsistorium am 30. September 2023 auf dem Petersplatz im Vatikan© Cristian Gennari/Romano Siciliani/KNA

Der indonesische Bischof Paskalis Bruno Syukur hat die Erhebung zum Kardinal durch Papst Franziskus abgelehnt. Die Begründung klingt sonderbar. Der Bischof von Bogor ziehe es vor, "in seinem Leben als Priester und im Dienst an der Kirche und am Volk Gottes weiter zu wachsen", teilte der Vatikan am Dienstagabend mit. Der Papst hatte am 6. Oktober die Namen der Kirchenmänner bekannt gegeben, die er am 7. Dezember zu Kardinälen machen will.

Italienische Medien berichteten über angeblich im Vatikan kursierende Gerüchte über das Privatleben des Bischofs. In diesem Zusammenhang wurde darauf verwiesen, dass Papst Franziskus bei der Auswahl der Kardinäle auf eine gründliche Überprüfung der Kandidaten durch das Staatssekretariat und die jeweilige Nuntiatur verzichte; oft würden die neuen Kardinäle in Santa Maria "ohne weitere Schritte oder Absprachen" ausgewählt. Tatsächlich scheint es unter Franziskus gängige Praxis zu sein, dass die Kardinäle vorab nicht informiert werden, wie die Betroffenen selbst in Interviews berichten. Nicht selten erfahren die neuen Kardinäle demnach von ihrer Ernennung über die Medien.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Bischof unter Papst Franziskus die Kardinalswürde ausschlägt. 2022 bat der emeritierte Bischof von Gent, Lucas Van Looy, Papst Franziskus, ihn nicht wie geplant in das Kardinalskollegium aufzunehmen. Die belgische Bischofskonferenz erklärte das mit kritischen Äußerungen, denen zufolge Van Looy "nicht immer entschlossen genug" gegen Missbrauch vorgegangen sei. Der Verzicht solle verhindern, "dass Opfer eines solchen Missbrauchs durch sein Kardinalat erneut verletzt werden". 

Kardinäle von der "Peripherie"

Seit Beginn des Pontifikats ist in den Kardinalsernennungen von Franziskus ein Muster erkennbar: Der Papst macht immer wieder Personen zu Kardinälen, die nach bislang geltenden Logik eher nicht Kardinal geworden wären, und übergeht gerne diejenigen, mit deren Amt normalerweise der Kardinalstitel verbunden wäre.

Mario Delpini, der seit 2017 als Erzbischof von Mailand eine der größten und bedeutendsten Diözesen der Welt leitet, ist auch dieses Mal nicht zum Kardinal ernannt worden, während mit Oscar Cantoni der Bischof von Como, eines Suffraganbistums von Mailand, seit 2022 das Kardinalsbirett trägt. 2023 erhob Franziskus nicht den Patriarchen von Lissabon zum Kardinal, sondern den gerade erst neu ernannten Bischof des kleinen Suffraganbistums Setúbal. Auch den Patriarchen von Venedig hat Franziskus immer wieder übergangen.

Der Papst scheint nach dem biblischen Motto zu agieren: "Er stürzt die Mächtigen von Thron und erhöht die Niedrigen." Bischöfe aus fernen Ländern wurden zu Kardinälen. Der Bischof von Tonga. Der Bischof von Penang in Malaysia. Der Erzbischof von Juba im Südsudan. Der Apostolische Präfekt von Ulaanbaatar in der Mongolei. Der emeritierte Erzbischof von Karatschi in Pakistan.

Auch bei der neuesten Runde von Kardinalernennungen bleibt der Papst diesem Prinzip treu. So ernannte der Papst einen Untersekretär des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen zum Kardinal, während der eigentlich höherrangige Ko-Präfekt des Dikasteriums für die Evangelisierung leer ausging. Der Papst machte außerdem einen für die ukrainischen Katholiken in Australien zuständigen Weihbischof zum Kardinal, ebenso wie den lateinischen Erzbischof von Teheran-Isfahan.

Dem Papst ist es ein großes Anliegen, den Blick auf die "Ränder" zu richten: die "Ränder" der Gesellschaft, der Weltpolitik, aber auch der Kirche. Das spiegelt sich in der Auswahl seiner Reiseziele genauso wider, wie in den Kardinalsernennungen.

Ein Schlagwort, das Franziskus immer wieder bemüht hat, ist die "Peripherie". Dem Papst ist es ein großes Anliegen, den Blick auf die "Ränder" zu richten: die "Ränder" der Gesellschaft, der Weltpolitik, aber auch der Kirche. Die "Peripherien", so fordert der Papst 2020 in seiner Enzyklika "Fratelli tutti", müssten "mit einbezogen werden". Denn: "Wer in ihnen lebt, hat einen anderen Blickwinkel, sieht Aspekte der Realität, die man von den Machtzentren aus, in denen die maßgeblichen Entscheidungen getroffen werden, nicht erkennen kann." Dieses Anliegen des Papstes spiegelt sich in der Auswahl seiner Reiseziele genauso wider, wie in den Kardinalsernennungen.

Auf diese Weise ist das Kardinalskollegium internationaler und vielfältiger geworden. Die katholische Kirche im 21. Jahrhundert hat sich in die entlegensten Winkel des Erdballs ausgedehnt, sie ist wirklich eine Weltkirche. Die Zusammensetzung des "Senats des Papstes" bringt diese Realität zum Ausdruck.

Sechs Nachteile der Methode Franziskus

Doch das, was auf den ersten Blick sympathisch wirkt, hat auch schwerwiegende Nachteile – und wird sich wohl noch lange nach dem Franziskus-Pontifikat auf die Entwicklung der katholischen Kirche auswirken.

1. Die Kardinäle kennen sich kaum.

Wenn der jetzige Papst irgendwann stirbt oder zurücktritt, haben die Kardinäle beim Konklave entweder die Möglichkeit, auf gut Glück einen Nachfolger zu wählen, über den sie wenig wissen – oder, was wahrscheinlicher ist: Sie entscheiden sich doch für einen Vertreter einer bedeutenden Ortskirche oder den Inhaber eines bedeutenden Kurienamtes. Doch hier ist die Auswahl kleiner geworden. Der Patriarch von Venedig und der Erzbischof von Mailand fehlen im Kardinalskollegium, obwohl diese beiden Diözesen in der Vergangenheit zahlreiche Päpste gestellt haben.

2. Viele Kardinäle kommen als Papst gar nicht infrage.

Die Kardinäle, die als Oberhirten kleiner Ortskirchen mit einer Handvoll Priester fungieren, verfügen über keinerlei Erfahrung in der Leitung großer Organisationen. Kardinal Giorgio Marengo, der Apostolische Präfekt von Ulaanbaatar, ist für rund 1.300 Katholiken zuständig; sein Diözesanklerus besteht aus fünf Priestern. Würden diese Kardinäle sich selbst oder anderen in ihrer Lage zutrauen, die Weltkirche zu leiten? Zudem sprechen einige der neuen Kardinäle kein Italienisch. Der kürzlich zum Kardinal erhobene Erzbischof von Tokio berichtete in einem Interview, dass er einen Dolmetscher braucht, wenn er mit Papst Franziskus reden will. Italienisch ist die Arbeitssprache in der Kurie. Ein Papst, der die Sprache nicht versteht, die in seinen Behörden verwendet wird – das ist schwer vorstellbar.

3. Die Kardinäle verstehen sich schlecht.

Daraus ergibt sich ein weiteres Problem: Wie wird man sich beim nächsten Konklave verständigen? Latein, die ehemalige Lingua Franca der katholischen Kirche, beherrschen nur noch die wenigsten verhandlungssicher. Viele werden beim nächsten Konklave wohl auf Englisch zurückgreifen. Das sprechen wiederum viele Italiener schlecht.

4. Das Risiko von schwarzen Schafen unter den Purpurträgern steigt.

Bischof Van Looy hat 2022 die Kardinalswürde abgelehnt, weil die belgische Öffentlichkeit kritisch auf die Ernennung reagiert hat. Andere Kardinäle aus der "Peripherie" stehen nicht unter Beobachtung der Öffentlichkeit. Und wenn es stimmt, dass Papst Franziskus auf ein Screening der Kandidaten verzichtet, ist es nicht auszuschließen, dass manche die Ernennung angenommen haben, die sie besser abgelehnt hätten. Diese Leute sind erpressbar.

5. Die Kardinäle sind beeinflussbarer geworden.

Kardinäle ohne eigene Ressourcen können nicht unabhängig agieren. Um nach Rom zu kommen, muss der Bischof von Tonga einen 45-Stunden-Flug buchen, der mehrere Tausend Euro kostet. Wer bezahlt das? Kardinäle aus armen Ländern, die kleinen Kirchen vorstehen, sind auf Sponsoren angewiesen, die auch kirchenpolitisch Einfluss nehmen könnten. Auch die Oberhirten kleiner Suffraganbistümer in Europa können weniger unabhängig agieren als die Vorsteher "mächtiger" Diözesen mit einer gewissen Hausmacht.

6. Der "Senat des Papstes" hat an Bedeutung verloren.

Das Kardinalskollegium ist eigentlich mehr als ein Papstwahlverein. Laut dem Kirchenrecht "stehen die Kardinäle dem Papst zur Seite, und zwar entweder durch kollegiales Handeln, wenn sie zur Behandlung wichtigerer Fragen zusammengerufen werden, oder als einzelne in Ausübung verschiedener Ämter, womit sie dem Papst vornehmlich in der täglichen Sorge für die Gesamtkirche Hilfe leisten." Doch ein "außerordentliches Konsistorium", zu dem alle Kardinäle eingeladen werden, um wichtige Angelegenheiten der Kirche zu diskutieren, hat Papst Franziskus überhaupt nur drei Mal einberufen: 2014, 2015 und 2022. Als Beratungsgremium nutzt der Papst andere Instanzen, etwa die von ihm aufgewertete Bischofssynode.

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