Vor einiger Zeit gab es im Bistum Würzburg Streit zwischen einem Pfarrer und einem Diakon. Der Pfarrer hatte eine strenge Regelung für Gottesdienstzeiten festgelegt, der Diakon, ein ehemaliger Bürgermeister, sah es aber nicht ein, Taufen, Trauungen und Beerdigungen nur an bestimmten fixen Tagen und Uhrzeiten abzuhalten und setzte sich über die Vorgaben des Pfarrers hinweg.
Man würde meinen, dass sich so eine Auseinandersetzung irgendwie beilegen ließe. Stattdessen lief sie aus dem Ruder. Der Bischof von Würzburg verbot dem Diakon zunächst im Herbst 2022 die Ausübung seines Amtes an seinem bisherigen Einsatzort; Anfang 2023 suspendierte er ihn dann wegen Ungehorsams. Im vergangenen November wies das vatikanische Klerusdikasterium diesbezügliche Beschwerden des Diakons zurück. Inzwischen hatte dieser einen "Verein für christliche Seelsorge in Freiheit" gegründet und bot in diesem Rahmen rituelle Dienstleistungen an. "Der Diakon tauft, traut und beerdigt weiter", hieß es in der Lokalpresse.
Mittlerweile ist der Mann nicht mehr allein unterwegs. Er hat sich mit einem ebenfalls suspendierten Priester zusammengetan, der 2017 sein Amt nur ein Jahr nach der Weihe aufgegeben hatte, um mit einer Frau zusammenzuleben. Der wiederum fungiert seit einiger Zeit als "Propst" eines neu gegründeten "Souveränen und höchst ehrenhaften Ritterordens 'Vom guten Hirten'", der in einer Schlosskapelle in der Region, die jeder mieten kann, regelmäßig Gottesdienste abhält. Von einem Mitarbeiter des Jobcenters im Landkreis Paderborn, der in seiner Freizeit als Erzbischof eines "Katholischen Bruderbundes" fungiert, wurde dort kürzlich der Betreiber eines privaten Waldfriedhofes, bislang Diakon der "Nordisch-Katholischen Kirche", zum Priester geweiht. Weitere Kandidaten bereiten sich dem Vernehmen nach unter der Anleitung des suspendierten Priesters auf die Diakonen- oder Priesterweihe vor.
Bevor kirchliche Obere zum großen kirchenrechtlichen Besteck greifen und ihre Amtsautorität ausreizen, sollten sie sich über mögliche unbeabsichtigte Nebeneffekte ihrer Entscheidungen Gedanken machen.
Man müsste derartige Entwicklungen nicht weiter ernst nehmen, wenn in der betroffenen Region nicht zuletzt Hunderte von Katholiken aus der Kirche ausgetreten wären und die Gottesdienste der Vagantenkleriker nicht auf so großen Anklang stoßen würden. Aus einem Streit um Gottesdienstzeiten ist im Bistum Würzburg ein eigenes, kleines Schisma geworden.
Die Posse zeigt: Bevor kirchliche Obere zum großen kirchenrechtlichen Besteck greifen und ihre Amtsautorität ausreizen, sollten sie sich über mögliche unbeabsichtigte Nebeneffekte ihrer Entscheidungen Gedanken machen.
Ob in der vatikanischen Gottesdienstkongregation derartige Erwägungen eine Rolle spielen? Seitdem Papst Franziskus 2021 den Gebrauch der traditionellen lateinischen Liturgie kirchenrechtlich stark eingeschränkt hat (nachdem sein Vorgänger Benedikt XVI. sie 2007 weitgehend freigegeben hatte) widmet man sich dort dem Mikromanagement: Der Vatikan hat die Entscheidungskompetenz darüber an sich gezogen, an welchen Orten in den Bistümern Gottesdienste in der überlieferten Form stattfinden dürfen und wer sie zelebrieren darf. Entsprechende Genehmigungen werden zeitlich befristet erteilt und sind mit einer Art Umerziehungsauftrag verbunden: Die Bischöfe werden verpflichtet, die Anhänger der überlieferten Liturgie an die moderne Form "heranzuführen". Die vatikanischen Regelungen wirken, als wolle man die Ausbreitung eines gefährlichen Virus verhindern.
Die Bearbeitung entsprechender Anträge aus der ganzen Welt ist für die Mitarbeiter der zuständigen Behörde sicher zeitraubend. Da mag der Gedanke aufgekommen sein, die historische Aufführungspraxis des römischen Ritus einfach komplett zu verbieten – oder jedenfalls noch weiter einzuschränken. Medien, die in derartigen Angelegenheiten für gewöhnlich sehr gut informiert sind, hatten in den letzten Wochen über entsprechende Pläne berichtet. Die französische Tageszeitung "La Croix" hingegen vermeldete unter Bezugnahme auf vatikanische Quellen, an den Gerüchten sei nichts dran; es handle sich um ein Missverständnis.
Synodaler Weg: Lange blieb es bei Mahnschreiben
Da war schon die Petition prominenter Stimmen aus Politik, Medien und Kunst in der Londoner "Times" erschienen, die sich gegen eine weitere Einschränkung der alten Liturgie aussprach. Die überlieferte lateinische Liturgie sei eine "Kathedrale" aus Texten und Gesten, schrieben die Verfasser. "Nicht jeder bringt ihr Wertschätzung entgegen, und das ist in Ordnung. Aber sie zu verbieten wäre ein unnötiger und unsensibler Akt in einer Welt, in der Geschichte allzu leicht in Vergessenheit geraten kann." Zu den Unterzeichner gehören eminente Persönlichkeiten, insbesondere aus dem Bereich der Musik, wie András Schiff, Igor Levit, Ian Bostridge, Mitsuko Uchida, Kiri Te Kanawa oder auch Andrew Lloyd Webber.
Bei den Betroffenen, zumeist hochengagierte Katholiken, die viel dafür getan haben, die "Kathedrale" der alten Liturgie zu bewahren, sorgen die Schikanen aus der Zentrale naturgemäß für Frust und Verbitterung. Was eine vollständige Unterdrückung bewirken würde, kann man sich leicht ausmalen. Wird es der Vatikan darauf ankommen lassen?
Ein Verbot des Synodalen Rates ist damit vom Tisch; wie viel am Ende von den hochfliegenden deutschen Plänen übrigbleibt, wird sich zeigen.
Dass in anderen Fällen Opportunitätserwägungen durchaus eine Rolle spielen, zeigt der Umgang des Vatikans mit dem deutschen Synodalen Weg. Der Plan der mächtigen und finanzstarken katholischen Kirche in Deutschland, mit dem "Synodalen Rat" ein aus Laienfunktionären und Bischöfen zusammengesetztes Beratungs- und Leitungsgremium einzuführen, stößt bei Papst und Kurie nicht auf Gegenliebe. Das ist nachvollziehbar, denn mit einem solchen Gremium wäre eine Instanz geschaffen, die außerhalb des Gefüges der kirchlichen Hierarchie stünde und dem Zugriff Roms entzogen wäre. Dennoch beließ man es lange bei Mahnschreiben. Derzeit verfolgt die Kurie eine Eindämmungsstrategie: Man lässt eine Delegation deutscher Bischöfe zu Gesprächsrunden nach Rom kommen und bewegt sie dann zu Zugeständnissen, die dem Vorhaben die Spitze nehmen. Bei einem Treffen mit Kurienoberen am 28. Juni 2024 mussten die Deutschen versprechen, die Planungen für ein "nationales synodales Gremium" zukünftig in Abstimmung mit einer Kommission von Vatikan-Mitarbeitern weiterzuverfolgen. Ein Verbot des Synodalen Rates ist damit vom Tisch; wie viel am Ende von den hochfliegenden deutschen Plänen übrigbleibt, wird sich zeigen.
Der Kirchenrechtler Heribert Hallermann hat das tastende Vorgehen des Vatikans mit den Worten kommentiert: "Was soll Rom auch tun? Die Bischöfe allesamt absetzen?" Theoretisch wäre das sogar möglich. Doch die Folgekosten einer solchen Strafaktion sind unabsehbar. Die Autorität des Papstes und der Instanzen, die in seinem Namen agieren, ist nur in der Theorie schrankenlos. In der politischen Praxis stößt sie rasch an Grenzen. Der Präfekt des Glaubensdikasteriums, Víctor Manuel Fernández, kann ein Lied davon singen. Nachdem vor allem afrikanische Katholiken den Aufstand gegen die Erklärung "Fiducia Supplicans" geprobt hatten (das Papier sollte unter bestimmten Bedingungen die Segnung homosexueller Paare ermöglichen) musste Fernández zurückrudern – und redete mit großem Aufwand das eigene Segnungspapier klein. Mit dem Widerstand hatte er offensichtlich nicht gerechnet.
Bei den Anhängern der alten Liturgie trauen römische Akteure sich offensichtlich eine harte Gangart zu. Ob die Rechnung aufgeht?