Politikverdrossenheit wächst, wenn der "kleine Mann" den Eindruck bekommt, dass eine Elite "da oben" entscheidet, während er selbst mit seinen Einschätzungen nicht vorkommt. Für eine "Kirchenverdrossenheit" könnte das am Mittwoch veröffentlichte Dokument der Deutschen Bischofskonferenz "Wie können wir eine synodale Kirche in der Sendung sein?" sorgen. Es fasst Reflexionsberichte der deutschen Bistümer, katholischer Verbände und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen. Das Papier wird nach Rom geschickt und dient der Vorbereitung der 16. ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, die im Oktober 2024 in Rom stattfindet. Das Treffen bildet den Abschluss des weltweiten Synodalen Prozesses, den Papst Franziskus 2021 angestoßen hatte.
Die Aufgabe aus dem Vatikan lautete, sich vor Ort zu fragen, wie man "Chiesa sinodale in missione" sein könne. Der Grundtenor des deutschen Textes: durch die Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Wegs.
Hundert Prozent Zustimmung?
In diesem Sinne wird etwa das Erzbistum Paderborn zitiert: "Die 15 Beschlüsse des Synodalen Wegs haben aus unserer Sicht auch Potenzial, die notwendigen Voraussetzungen für eine 'synodale Kirche in der Sendung' zu stärken." Am Schluss heißt es in aller Deutlichkeit: "Deshalb ist es den Katholikinnen und Katholiken in Deutschland ein besonderes Anliegen, diese Themen […] immer wieder und insbesondere auch im Hinblick auf die Synodensitzung 2024 […] in den Diskurs der Weltkirche einzubringen und die auf dem Synodalen Weg erarbeiteten Positionen zu vertreten." Konkret werden klassische Reformforderungen genannt, die von der Stärkung der Gewaltenteilung in der Kirche über die Öffnung des Diakonats für Frauen bis hin zur Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre zu Anthropologie und Sexualität reichen.
Man fragt sich: Habe ich da eine Abstimmung verpasst? Eine repräsentative Umfrage? Oder wenigstens irgendein breiter angelegtes Beteiligungsformat unter aktiven Katholiken? Laut Einleitung hätten sich "die Katholikinnen und Katholiken in den deutschen (Erz-)Diözesen und auch in den katholischen Verbänden mit den Impulsen und Perspektiven des Syntheseberichts der Synodensitzung 2023 befasst". Neben ihren Berichten seien in den Text noch "die Perspektiven des Synodalen Weges der Kirche in Deutschland, die Beratungen auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz und die Impulse des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)" eingeflossen.
Dass "die" Katholiken Deutschlands nicht einfach im Synodalen Weg das Geheimrezept für die Kirche von morgen sehen, müsste inzwischen mehr als deutlich geworden sein.
Entweder wurden nur Katholiken mit einer bestimmten Meinung einbezogen. Oder am Ende ist allein das Votum des Synodalen Wegs und des ZdK übrig geblieben. Dass "die" Katholiken Deutschlands nicht einfach im Synodalen Weg das Geheimrezept für die Kirche von morgen sehen, müsste inzwischen mehr als deutlich geworden sein. Es gab und gibt prominente Kritik, bis hin zum persönlichen Ausscheiden aus den Beratungen. Es gibt ganze Initiativen, die kritisch-konstruktiv alternative Reformideen in den Diskurs einbringen. Und nicht zuletzt gibt es die bekannten Bedenken aus dem Vatikan, die in Deutschland auch auf positive Resonanz stießen. Ganz aktuell hat eine – ebenfalls von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene – Priesterstudie gezeigt, dass junge Priester mehrheitlich nicht hinter den klassischen Reformforderungen stehen.
Auch wenn sich möglicherweise eine Mehrheit der katholischen Kirchenmitglieder in Deutschland – von denen, wie der Text ebenfalls deutlich macht, nur noch etwa ein Drittel der Aussage "Ich glaube, dass es einen Gott gibt, der sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat" zustimmt – für die typischen Reformthemen ausspricht: Keine repräsentative Umfrage hätte einhundert Prozent Zustimmung für die Positionen des Synodalen Wegs erzielt, wie es der Text suggeriert.
Immer neue Gremien
Auch zwischen dem Synodalen Weg und der Weltsynode zeichnet die Zusammenfassung eine Harmonie, die kaum der Realität entspricht. Die deutschen Synodalen hätten sich immer wieder an dem Brief von Papst Franziskus orientiert und es sei "immer mehr eine Konvergenz deutlich geworden, in der die beiden Initiativen sich gegenseitig bestärken und bekräftigen". In dem aktuellen Text der deutschen Bischöfe findet sich als Zauberformel für die Zukunft die bewährte Gremienstruktur: "In manchen Diözesen werden deshalb neue synodale Gremien eingerichtet, (…) in anderen Diözesen werden die bestehenden Gremien daraufhin überprüft, ob es möglich ist, in stärkerer Weise synodal zu beraten und entscheiden." Dagegen schrieb Papst Franziskus Ende letzten Jahres in seinem Brief an vier katholische Frauen, die ihre Bedenken geäußert hatten: "Anstatt das 'Heil' in immer neuen Gremien zu suchen und in einer gewissen Selbstbezogenheit die immer gleichen Themen zu erörtern, wollte ich in meinem 'Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland' die Notwendigkeit des Gebets, der Buße und der Anbetung in Erinnerung rufen und einladen, sich zu öffnen und hinauszugehen, 'um unseren Brüdern und Schwestern zu begegnen, besonders jenen, die an den Schwellen unserer Kirchentüren, auf den Straßen, in den Gefängnissen, in den Krankenhäusern, auf den Plätzen und in den Städten zu finden sind'".
Auch wenn es aktuell eine Minderheit ist, die zweifelt, dass Strukturreformen allein die Lösung sind und vielmehr nach Wegen aus der Glaubenskrise sucht, würde Synodalität bedeuten, auch ihr zuzuhören und einen Platz einzuräumen.
In der Zusammenfassung der Reflexionsberichte ist zu lesen: "Die Perspektive, die sich aus der gesamtkirchlichen Tendenz ergibt, einander synodal zuzuhören und die Erfahrungen und den sensus fidei [Glaubenssinn] der Gläubigen ernst zu nehmen, hat hier eine spürbare Wirkung". Es scheint, als ob die Autoren des Textes genau das nicht umgesetzt hätten. Anders ist es nicht zu erklären, dass dem Vatikan als offizielle deutsche Stimme die einmütige Zustimmung "der" Katholiken zum Synodalen Weg gesendet wird. Auch wenn es aktuell eine Minderheit ist, die zweifelt, dass Strukturreformen allein die Lösung sind und vielmehr nach Wegen aus der Glaubenskrise sucht, würde Synodalität bedeuten, auch ihr zuzuhören und einen Platz einzuräumen.
Authentisch und korrekt wäre es gewesen, die Situation differenziert darzustellen: dass in Deutschland um die Kirche von morgen gerungen wird. Und dass die vielleicht größte Herausforderung für "eine synodale Kirche in der Sendung" genau im Fragen danach besteht, wie der Dialog untereinander gefördert und überhaupt wieder eine gemeinsame Vision entwickelt werden kann.