Wer in der Lehre tätig ist, übt berufsbedingt Kritik und erfährt sie auch selbst. Aber das ist gut für das Denken. So klären sich Standpunkte und womöglich werden Befragte, und die Fragenden mit ihnen, klüger. Zur Fortsetzung des Synodalen Prozesses der Weltkirche hat die Deutsche Bischofskonferenz am 22. Mai 2024 eine "Zusammenfassung der Reflexionsberichte aus den deutschen (Erz-)Diözesen" veröffentlicht. Das Dokument trägt den Titel: "Wie können wir eine synodale Kirche in der Sendung sein?". Es wurde zur Vorbereitung der Bischofssynode, die im Oktober 2024 stattfindet, nach Rom geschickt. Mit dieser Versammlung endet der von Papst 2021 angestoßene weltweite Beratungsprozess.
Vieles darin, eigentlich alles, ist inzwischen altbekannt. Ins Auge fällt allerdings die geflissentliche Häufung des Wörtchens "synodal", variantenreich kombiniert: Der "Synodale Weg" bricht eine Lanze für ein "synodales Kirche-Sein", ein "synodales Bemühen", eine "synodale Praxis", eine "synodale Grundhaltung", für die "synodale Weiterentwicklung" der episkopalen Kirchenstruktur und für eine "Synodalität, die sich der Kirche im 21. Jahrhundert als Aufgabe stellt". Entsteht allmählich die "Confessio Synodalica" der katholischen Kirche in Deutschland?
Systemisches Eigeninteresse
Der Bericht hat ein unverkennbar systemisches Eigeninteresse, erweckt aber den Eindruck, dass alle kirchlich Engagierten in Deutschland hellauf begeistert sind vom Programm der synodalen Initiative. Und wer sich ungelehrig gibt, bekommt zu hören, dass die Kirche hierzulande nur dann eine Zukunft habe, wenn sie sich "grundlegend" verändert. Der Wink mit dem Zaunpfahl zeigt Wirkung – doch nicht unbedingt flächendeckend. An der Universität München wurde in den letzten Jahren eine Reihe von Seminaren zum Synodalen Weg durchgeführt, sogar eine ökumenische Woche hat es zu diesem Thema gegeben, mit vergleichsweise geringem Zuspruch. Ein pfiffiger Kollege aus der evangelischen Fakultät sagte uns damals: "Bitte glaubt nicht, die Leute kehren scharenweise in die Kirche zurück, wenn ihr jetzt alles umstellt. Diese Rechnung geht nicht auf".
Die synodale Sprache klingt abschnittsweise fromm, manchmal prophetisch, so auch, sehr knapp, im vorliegenden Text: Die Kirche sei "kein Bestandteil gutbürgerlicher Lebensweise", sondern Zeugin der "Erlösungsbotschaft des auferstandenen Herrn Jesus Christus". Dabei spricht das Papier der Bischöfe die größte Misere der Kirche klar und offen aus: "Nur 32 Prozent der katholischen Kirchenmitglieder stimmen der Aussage zu: ‚Ich glaube, dass es einen Gott gibt, der sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat‘". Man kommt ins Stutzen. Aber von einer Neuevangelisierung in deutschen Landen, wie Papst Franziskus sie anregt, ist nicht die Rede – gut, vielleicht zwischen den Zeilen, unter der Bedingung, dass sich die grundlegende Veränderung der Kirche umgehend einstellt, dann ja, die Sogwirkung wird unwiderstehlich sein.
Fragen an den Text
Doch um spitze Bemerkungen geht es mir nicht. Ich habe Fragen an diesen Text einfach aus dem Grund, weil ich Verständnis für ihn aufbringen möchte und wissen will, was sich auch künftig akademisch korrekt über Positionen des Synodalen Wegs sagen lässt. Dass ich auswähle, ist selbstverständlich, denn trotz der Kürze des Papiers ist die andrängende Gedankenfülle gewaltig.
Zunächst: Was "Synodalität" im Einzelnen, aber auch generell bedeutet, so heißt es sehr ehrlich, sei "noch nicht genau umrissen". Aber man weiß offensichtlich genau, wohin die Reise gehen soll. Ich werde den Eindruck nicht los, dass es zuvorderst um einen unduldsamen Schub in Richtung Sitzungskatholizismus geht. Kommt Segen von ihm? Wenn er viele Herzen und Hände motiviert, bestimmt. Aber prinzipiell?
Was haben wir, neben viel Bürokratie, anzubieten? Wie wird Kirche im Alltag gelebt? Schenkt sie menschliche Wärme?
Schon im (von Rom vorgegebenen) Titel des Berichts begegnet der inhaltsschwere Begriff "Sendung". Gehe ich recht in der Annahme, dass er an die Apostolizität der Gesamtkirche erinnern soll? Diese bewusst zu machen und zu stärken, ist ein Gebot der Stunde. Die Tradition kennt drei Vollzugsweisen, die von früh an auf viele Schultern verteilt waren: apostolische Lehre, apostolisches Leben, apostolisches Amt. Ist den Gläubigen ihre Verantwortung bewusst? Die Lehre: Was tun Getaufte angesichts der Hinweise, dass eventuell zwei Drittel der deutschen Katholiken oder Katholikinnen nicht an Jesus glauben? Wer steht dafür ein, es zu ändern? Wer fühlt sich bemüßigt zu erklären, warum die Eucharistie im Zentrum gelebter katholischer Spiritualität steht und Buße eine christliche Notwendigkeit ist? Apostolisches Leben: Was haben wir, neben viel Bürokratie, anzubieten? Wie wird Kirche im Alltag gelebt? Schenkt sie menschliche Wärme? Werden Fremde in den Gemeinden aufgenommen? Bleiben alte Leute nach einem Gottesdienst so einsam wie zuvor? Und dann das Amt: Gehört das Sensorium synodaler Beratungen auch seinen dogmatischen Hintergründen oder geht es einfach nur darum, wer das Sagen hat, das Geld, die Macht?
Um bei diesem heiklen Punkt zu bleiben: Erwünscht ist dem Papier nach die "Rückbindung von Entscheidungen der jeweiligen Amtsträger an die Beratungen und Beschlüsse synodaler Gremien", dazu die "Selbstbindung des Bischofs" und seine "Rechenschaftspflicht gegenüber partizipativen Gremien". Man überlege: Wenn die Bischöfe eines Tages integraler Teil eines korporativen Entscheidungsorgans werden, dann stehen sie diesem Gremium nicht mehr gegenüber, also sind sie ihm auch keine Rechenschaft schuldig. Bleibt hingegen ihre hierarchische Stellung erhalten, ist zu klären, wie sie ihrer Marginalisierung entgeht. Oder duldet man sie noch als malerische Zutat in einem ansonsten straff rationalisierten, ausschließlich "demokratisch legitimierten" Religionsparlament?
Zum Thema "Partizipation": Der biblische Begriff lautet griechisch koinonia, lateinisch communio. Ins Wort gebracht ist die Selbstentäußerung des lebendigen Gottes in Jesus Christus und im Heiligen Geist, letztlich die Ungeheuerlichkeit, dass Gott ein für alle Mal zugänglich geworden ist, die größte Revolution in der Weltgeschichte und das am schwersten Denkbare. Und doch bricht das synodale Gebaren dieses große Thema einseitig auf die Ebene von Demokratisierungsdebatten herab. Und warum wirkt niemand der verbürgerlichten Meinung entgegen, dass der Kirchenaustritt eine legitime Weise von Getauften sei, Unmut zu äußern? Ein orthodoxer Kollege an der Münchener Universität bemerkte dazu kürzlich anlässlich eines Ökumene-Seminars: "Bei uns gibt es keine Kirchenmitglieder. Wir haben nur Gläubige – oder wir haben sie nicht".
Man preist die Vielfalt, macht sich aber keine Gedanken darüber, wie in ihr Kohärenz gelingt.
Letzter Punkt, die viel beschworene "Vielfalt", die bunte Kirche – ein Modewort momentan. Wie weit trägt es theologisch? Wenn der unschätzbare Wert der unterschiedlichsten Persönlichkeiten gemeint ist, die je auf ihre Weise und doch gemeinsam den Glauben feiern und bekennen, wunderbar. Oder lautet das Ideal: Ich glaube so, du glaubst anderes, völlig einerlei? Ich weiß es nicht. Mir fällt aber auf: Man preist die Vielfalt, macht sich aber keine Gedanken darüber, wie in ihr Kohärenz gelingt. Es gibt nun einmal Ansichten, die weit vom überlieferten Glaubensgut entfernt sind und sich aufgrund ihrer Aggressivität nicht in eine "finale Entscheidung" integrieren lassen. Was ist denn so ärgerlich daran, wenn katholische Gläubige weltweit an einem relativ einmütigen Bekenntnis erkennbar sind? Ich weiß es nicht; und möchte es gern wissen.