"Herr Ratzinger ist nicht geeignet"Michael Schmaus verhinderte auch Ratzingers mögliche Berufung nach München

Der Professor setzte 1964 durch, dass Joseph Ratzingers Name nicht auf die Vorschlagsliste für den Dogmatik-Lehrstuhl an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München kam.

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Die Debatte geht weiter: Der Zweitgutachter von Joseph Ratzingers Habilitation warnte nicht nur im Jahr 1958 vor einer Berufung Ratzingers an die Universität Bonn, sondern nutzte noch 1964 seinen Einfluss, um eine Berufung des jüngeren Kollegen an die Münchner Universität zu verhindern. Das zeigen kürzlich veröffentlichte Sitzungsprotokolle:

"Herr Schmaus würdigt darauf Person und Werk der Herren Ratzinger (und drei anderer Theologen, M.S.) im Hinblick auf eine Berücksichtigung in der Berufungsliste. Bei voller Anerkennung der theologischen Potenz, des Ansehens und der Befähigung zu glänzenden Formulierungen sowie der Redegabe hält Herr Schmaus aus prinzipiellen Gründen eine Berücksichtigung von Herrn R. nicht für angebracht. Die Gründe liegen darin, dass Herr R. nicht Dogmatiker ist, sondern Fundamentaltheologe. Für den dogmatischen Lehrstuhl mit der Wichtigkeit der Münchener scheint es unerlässlich, dass ein erfahrener Dogmatiker von Fach, der die dogmatische Methode zu meistern versteht, die Stelle einnehme. An Hand von konkreten Beispielen begründet Herr Schmaus in verschiedener Hinsicht seine wissenschaftlichen Bedenken, die Herrn R. nicht als geeignet erscheinen lassen, den dogmatischen Lehrstuhl an der Münchener Fakultät einzunehmen (…)

Herr Fries als Mitglied der Kommission (…) äußert jedoch Bedenken, Herrn Ratzinger völlig unberücksichtigt zu lassen, da Herr R. doch einen dogmatischen Lehrstuhl innehabe und als starke wissenschaftliche Potenz von großer Ausstrahlungskraft sei. Herr Egenter als Vorsitzender der Kommission trägt ebenfalls Bedenken, Herrn Ratzinger unberücksichtigt zu lassen. Gerade im Hinblick auf die evang.-theol. Fakultät sei Herr R. als qualifizierter Gesprächspartner von glänzender Befähigung und Offenheit anzusehen, die es geboten erscheinen lasse, Herrn R. in die Wahl miteinzubeziehen…"

UAM, K-III-2, S.456-460 (26.11.1964), hier S.456-457

"Herr Schmaus stellt für den Fall, dass die in der Fakultätssitzung vom 4.XII.1964 beschlossene Liste zurückgenommen und eine neue Vorschlagsliste unter Berücksichtigung von Herrn R. beschlossen würde, ein Sondervotum in Aussicht."

Ebd., S.467-469 (12.12.1964), hier S.468

"Die von Herrn Schmaus vorgelegte Stellungnahme zum Sondervotum wird (…) bei einer Stimmenthaltung angenommen. Die Stellungnahme der Fakultät zur Vorschlagsliste vom 4.XII.1964 (auf der der Name Ratzingers nicht vorkommt, M.S.) wird in der Form der von Herrn Schmaus vorgelegten Gutachten einstimmig angenommen."

Ebd., S.470-472 (19.12.1964), hier S.471.

Zitiert nach: Frank Sobiech, Joseph Ratzinger und Karl Rahner SJ während des Zweiten Vatikanums. Zwei Professorenkollegen im Spiegel gegenseitiger Gutachten, in: Mitteilungen des Instituts Papst Benedikt XVI. 14 (2021), 79-103, hier 92-96.

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