Die Kirche muss mit einer Stimme sprechenKardinal Eijk über Mission, Säkularisierung und die Weltsynode

Einst galt die Kirche in den Niederlanden als besonders progressiv. Es folgten Ernüchterung und Zusammenbruch. Kardinal Willem Jacobus Eijk warnt im Interview: Wiederholt nicht unsere Fehler! In einer extrem säkularisierten Gesellschaft setzt der Erzbischof von Utrecht auf einen neuen missionarischen Aufbruch.

Kardinal Willem Jacobus Eijk, Erzbischof von Utrecht
© Fleur Wiersma

COMMUNIO: Die Niederlande gelten als eine der säkularsten Gesellschaften in Westeuropa. Wie christlich sind die Niederlande noch?

Kardinal Willem Jacobus Eijk: Im Jahr 2022 zeigte eine Umfrage unter den Niederländern, dass sich zum ersten Mal mehr als 50 Prozent der Bevölkerung als Atheisten oder Agnostiker bezeichneten. In meiner Kindheit, in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren, war das noch ganz anders. In unserem kleinen Dorf am Stadtrand von Amsterdam ging sonntags fast jeder in die Kirche. Es gab vier Messen: drei stille Messen und ein Hochamt mit Orgel und Chor. Die Kirche war voller Kinder und junger Leute. Damals gab es noch diese großen katholischen Familien; in unserer Straße lebte eine Familie mit siebzehn Kindern. Aber nach 1965 änderte sich das sehr schnell. Zwischen 1965 und 1975 halbierte sich die Zahl der Kirchenbesucher. In Amsterdam und Umgebung konnte man mit bloßem Auge sehen, dass jeden Sonntag weniger Menschen zur Kirche kamen. Zur gleichen Zeit brach auch das katholische Vereinsleben rapide ein.

COMMUNIO: Wie kam es dazu?

Eijk: Die Säkularisierung begann mit dem wachsenden Wohlstand. Er ermöglichte es den Menschen, individuell zu leben, losgelöst von der Gemeinschaft. Individuen stellen sich selbst in den Mittelpunkt und werden sozusagen ihr eigener Papst: Sie wählen ihre eigene religiöse Auslegung und ihre eigenen ethischen Werte. Infolgedessen verlieren sie die Verbindung zur Kirche. Wohlstand führt zu Individualisierung und Individualisierung zu Säkularisierung. Das ist die Reihenfolge. In den Niederlanden geschah dies schnell, vor allem in den 1960er Jahren, als der Wohlstand in einem noch nie dagewesenen Tempo anstieg. Plötzlich hatte zum Beispiel jeder eine Waschmaschine und einen Kühlschrank.

COMMUNIO: Wie ist die Situation heute?

Eijk: Im Jahr 2012 hatten wir noch 250.000 Kirchenbesucher. Nach der Corona-Periode sank diese Zahl auf unter 90.000, und jetzt liegt sie bei etwa 100.000. Das sind etwa 2,5 Prozent der registrierten Katholiken. 

COMMUNIO: Lässt Sie das als Erzbischof nicht verzagen?

Eijk: Nein, das tut es nicht. Wir sehen die Tatsache der Säkularisierung, aber wir tun auch etwas dagegen. Mehrere Diözesen sind dabei, missionarische Projekte in den Pfarreien einzurichten. Vor Ihnen sitzt kein verzweifelter Mann.

Missionarisch sein in einer säkularen Gesellschaft

COMMUNIO: Können Sie Beispiele dafür nennen?

Eijk: Ein Beispiel ist der Alpha-Kurs, der von einem anglikanischen Pfarrer in London entwickelt wurde. Er wollte mehr Menschen in seine Kirche bringen und stellte einen Kurs von etwa 10 Abenden zusammen. Er erklärt auf einfache Weise, wer Jesus ist, wie wir ihn kennenlernen können und was die Bibel ist. Jedes Treffen beginnt mit einer Einführung, gefolgt von einer Diskussion und einer gemeinsamen Mahlzeit. Diese Mahlzeit ist wichtig für die Gemeinschaftsbildung. Eine weitere Initiative ist der Familiensonntag, zu dem Erstkommunikanten, Firmlinge und ihre Eltern eingeladen werden. Für jede Altersgruppe gibt es eine eigene Katechese. An einem solchen Sonntag haben Sie vielleicht hundert Kirchenbesucher mehr. Und indem man die Eltern in die Katechese einbezieht, ermöglicht man es den Familien, auch zu Hause weiter über den Glauben zu sprechen. Das macht einen großen Unterschied. Wenn ich eine Firmung habe, nachdem eine solche Reihe von Familiensonntagen stattgefunden hat, sehe ich, dass die Kirche voller ist, dass mehr jüngere Menschen und Kinder anwesend sind.

COMMUNIO: Was kann man tun, damit diese Projekte weiterwirken und nachhaltig sind?

Eijk: In den kommenden Jahren wird die Erzdiözese Utrecht die Pfarreien dabei unterstützen, ihr missionarisches Engagement weiterzuentwickeln. Auf jeden Fall ist es wichtig, dass die Katechese nach der Firmung weitergeht. Außerdem ermutigen wir die Priester, in den Pfarreien Jugendgruppen zu bilden. Wir organisieren auch Ehevorbereitungskurse nach italienischem Vorbild, wenn auch noch in kleinem Rahmen. Diese Kurse dauern fünf Abende bei uns, und wir beten mit den Teilnehmern, was für viele neu ist. Während des Kurses besprechen wir auch die Theologie des Körpers und die Lehre der Kirche über Empfängnisverhütung und natürliche Geburtenkontrolle. Die meist jungen Teilnehmer reagieren positiv darauf, zumal man heute mehr über die Nachteile der Antibabypille weiß.

"In allen Pfarreien sehen wir immer mehr junge Menschen, die um die Taufe oder Firmung bitten, Menschen zwischen 20 und 50, die sozusagen aus dem Nichts auftauchen. Das sind keine riesigen Zahlen, aber es ist ein positives Zeichen."

COMMUNIO: Dennoch geht die Zahl der Kirchenbesucher weiter zurück. Sehen Sie auch Zeichen des Wachstums?

Eijk: In allen Pfarreien sehen wir immer mehr junge Menschen, die um die Taufe oder Firmung bitten, Menschen zwischen 20 und 50, die sozusagen aus dem Nichts auftauchen. Das sind keine riesigen Zahlen, aber es ist ein positives Zeichen. Es ist etwas am Werk. Diese Generation hat keine Kriterien, um zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Sie hat keinen festen Punkt im Leben und weiß nicht, was ihre Bestimmung ist. Aber diese Fragen tauchen von Natur aus auf. In jedem Menschen steckt eine Offenheit für das Mysterium. Auch bei den Berufungen zum Priestertum und zum Diakonat sehen wir positive Zeichen. In der Erzdiözese haben wir ein Jahr der Unterscheidung mit dem Titel "Komm und sieh" für Männer eingeführt, die ihre Berufung suchen. In diesem Herbst haben sich 12 Personen dafür angemeldet.

COMMUNIO: In Rom findet derzeit die letzte Sitzung der Weltsynode statt. Papst Franziskus sieht die Synodalität als ein Mittel zur Förderung der missionarischen Dynamik der Kirche. Wie ist der synodale Prozess der Weltkirche in den Niederlanden aufgegriffen worden?

Eijk: Wir haben die diözesane Phase des synodalen Prozesses vor zwei Jahren begonnen. Wir haben Glaubensgespräche mit so vielen Teilnehmern wie möglich organisiert: Gemeindemitglieder, aber auch Menschen zum Beispiel aus der Welt der Bildung und der Pfadfinder. Es war uns wichtig, dass es sich um betende Gespräche handelte, nicht um polemische Diskussionen. Die Menschen sollten sich frei äußern können, ohne dass andere direkt darauf reagieren. Viele Teilnehmer empfanden dies als eine bereichernde Erfahrung.

COMMUNIO: Welche Themen kamen bei diesen Gesprächen auf?

Eijk: Die Menschen, ob jung oder alt, betonten, dass wir gute liturgische Feiern und Katechese brauchen. Es wurde auch gesagt, dass wir mehr missionarisch aktiv sein müssen. In einigen Pfarreien hat man anschließend mit diesen Gesprächen weitergemacht. Die Leute haben gesagt: Wir reden immer über die Schließung einer Kirche oder die Fusion einer Pfarrei und eigentlich viel zu wenig über den Glauben.

Reform, Geschlecht, Sexualität

COMMUNIO: In der Weltkirche gibt es eine zunehmende Polarisierung bei bestimmten Themen. Denken Sie nur an die völlig entgegengesetzten Reaktionen auf die Entscheidung des Vatikans über die Segnung homosexueller Paare. Warum haben die innerkirchlichen Reformforderungen so oft mit Geschlecht, Sexualität und Ehe zu tun?

Eijk: Ich denke, das ist durchaus verständlich. Wenn Sie über die Auferstehung sprechen, mögen die Menschen daran glauben oder auch nicht, aber sie werden deswegen nicht emotional. Aber Sexualität berührt unser persönliches Leben, denn wir sind alle sexuelle Wesen. Wenn Sie also über Normen in Bezug auf Ehe und Sexualität sprechen, können die Menschen dabei sehr emotional werden. Menschen, die homosexuell sind, erleben das, was wir sagen, als Diskriminierung. Aber wir glauben, dass es unsere Aufgabe ist, die Wahrheit auszusprechen, auch wenn es schwierig ist. Und wenn man wirklich argumentiert, sind die Menschen offen dafür; sie können sehen, dass eine grundlegende Vision dahintersteckt. Innerhalb der katholischen Kirche in den Niederlanden ist das aber nicht mehr so ein heikles Thema. Als 2022 mein Buch über Sexualethik erschien, hat das in den Niederlanden kaum für Aufregung gesorgt. Das wäre vor 20 oder 30 Jahren noch anders gewesen. Aber die Atmosphäre hat sich in der Zwischenzeit sehr verändert. Die Polarisierung, von der Sie sprechen, gibt es bei uns nicht mehr.

"Manchmal denke ich: In anderen Ländern durchleben sie jetzt das, was wir vor Jahrzehnten hinter uns gelassen haben, einfach, weil die Entwicklung hier schneller verlaufen ist."

COMMUNIO: Papst Franziskus besuchte kürzlich Belgien und bekam dort starken Gegenwind zu spüren. Premierminister Alexander De Croo bezeichnete die Äußerungen des Papstes zur Abtreibung als "inakzeptabel" und berief sogar den apostolischen Nuntius ein. Wie erklären Sie sich diese scharfe Reaktion?

Eijk: Das liegt daran, dass in Belgien die Polarisierung noch sehr stark ausgeprägt ist. In den Niederlanden ist sie seit 2000 weitgehend verschwunden. Als Papst Johannes Paul II. 1985 die Niederlande besuchte, gab es viele Proteste. Das war der Höhepunkt der Polarisierung bei uns. Damals kritisierte Premierminister Ruud Lubbers den Papst in einer Rede. Das wäre heute völlig anders. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Premierminister Rutte oder der neue Premierminister Schoof das so gemacht hätten. Die Kirche in den Niederlanden ist sehr marginalisiert, eine kleine Minderheit. Was sie sagt oder was sie glaubt, löst bei den Menschen nicht mehr so viele Gefühle aus. Manchmal denke ich: In anderen Ländern durchleben sie jetzt das, was wir vor Jahrzehnten hinter uns gelassen haben, einfach, weil die Entwicklung hier schneller verlaufen ist.

Christus in den Mittelpunkt stellen

COMMUNIO: In Deutschland wird manchmal gesagt, dass die Kirche die Menschen erst zurückgewinnen kann, wenn der "Reformstau" überwunden ist. Was halten Sie davon?

Eijk: Von der Kirche in den Niederlanden können Sie lernen, dass dies ein Irrtum ist. Wer Verwirrung stiftet, entfremdet die Menschen von der Kirche. Auf diese Weise werden Sie niemanden zurückholen. Ich möchte den Bischöfen anderer Länder sagen: Machen Sie nicht diesen Fehler, machen Sie nicht unseren Fehler. In Pfarreien, in denen der Glaube gut verkündet und die Liturgie mit Würde gefeiert wird, sind die Kirchen voll. Es geht darum, Christus in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn die Menschen Christus entdeckt haben und die Heilige Schrift besser verstehen, werden sie auch die Lehren der Kirche besser verstehen.

COMMUNIO: Die Niederlande galten einst als die Avantgarde der katholischen Kirche. Von 1966 bis 1970 tagte das Pastoralkonzil der niederländischen Kirchenprovinz. Sehen Sie Ähnlichkeiten mit dem deutschen Synodalen Weg?

Eijk: Ja, die Ähnlichkeiten sind offensichtlich. Das Pastoralkonzil begann mit großem Enthusiasmus, aber schließlich versandeten die Diskussionen und die Teilnehmer wurden müde. Auch gab es damals überzogene Erwartungen, beispielsweise hinsichtlich der Abschaffung des Zölibats. Papst Paul VI. versuchte, hier zu intervenieren. Die Abstimmung über die Abschaffung des Zölibats sollte nicht stattfinden, verlangte der Papst, aber Kardinal Alfrink ignorierte das. Bei der Abstimmung gab es nur zwei Gegenstimmen. Und dennoch kam nichts dabei heraus.

"Wenn die Einheit in der Verkündigung verloren geht, verliert die Kirche ihre Glaubwürdigkeit."

COMMUNIO: Manche sagen, dass bestimmte Fragen, wie etwa die Zulassung von Frauen zum Weihesakrament, auf regionaler Ebene gelöst werden sollten. Was sagen Sie dazu?

Eijk: Das Wort "Synode" kommt vom griechischen "syn", zusammen, und "hodos", Weg. Wir müssen einen gemeinsamen Weg gehen und dürfen nicht von der Weltkirche abweichen. Der Papst hat dies 2019 in seinem "Brief an das pilgernde Gottesvolk in Deutschland" betont. Wenn die Einheit in der Verkündigung verloren geht, verliert die Kirche ihre Glaubwürdigkeit. In den Niederlanden haben wir in den letzten 50 Jahren sehr schlechte Erfahrungen mit dem Schaffen von Zweideutigkeit und Verwirrung gemacht. Die Menschen hatten den Eindruck, dass die Kirche es selbst nicht wirklich wusste.

"Die Abstimmungen bei der Versammlung im letzten Jahr haben bereits gezeigt, dass die Mehrheit der Teilnehmer von Themen wie Gender oder Frauenweihe nicht begeistert war."

COMMUNIO: Auf der Bischofssynode wurden kontroverse Themen an Arbeitsgruppen übertragen. Wie bewerten Sie das?

Eijk: Die Abstimmungen bei der Versammlung im letzten Jahr haben bereits gezeigt, dass die Mehrheit der Teilnehmer von Themen wie Gender oder Frauenweihe gar nicht so nicht begeistert war. Wir müssen bedenken, dass Europa nur ein kleiner – und schrumpfender – Teil der weltweiten Kirche ist. Außerdem denken auch in Europa und Nordamerika nicht alle Menschen in diesen Fragen gleich.

COMMUNIO: Was bei der Synode jedoch sehr wohl auf der Tagesordnung steht, sind Themen wie die Ausübung der bischöflichen Autorität, Transparenz und Rechenschaftspflicht oder die Beteiligung des Kirchenvolkes an kirchlichen Entscheidungen.

Eijk: An Transparenz mangelt es in der niederländischen Kirche nicht. Wir haben zum Beispiel das Thema sexueller Missbrauch auf äußerst transparente Weise gehandhabt, mit einer unabhängigen Beschwerdekommission und sehr transparenten Verfahren für die Zahlung von Entschädigungen. Auch die Finanzpolitik der Erzdiözese ist völlig transparent. Wir veröffentlichen eine gekürzte Ausgabe jedes Finanzberichts, der auch an die Pfarreien geht. Was die Beteiligung an der Entscheidungsfindung angeht, so sehe ich Möglichkeiten, aber auch Grenzen. In den Niederlanden wünschen sich nur noch sehr wenige Menschen, über Inhalte der kirchlichen Lehre mitbestimmen zu dürfen. Aber natürlich sind die Menschen an Entscheidungen beteiligt. Ein Beispiel: Wenn es um die Schließung von Kirchen geht – denn das müssen wir leider oft tun – überlassen wir es dem Gremium in der Pfarrei, einen Bauplan zu erstellen und dem Erzbischof einen Vorschlag zu unterbreiten, weil er die Situation vor Ort kennt. Aber ein solcher Ansatz funktioniert nicht immer. Als wir die Pfarreien in der Erzdiözese zusammengelegt haben, war das eine Entscheidung des Bischofs. Wenn Sie die Menschen darüber mitbestimmen lassen, werden Sie nie zum Ziel kommen.

"Das gesellschaftliche Experiment, eine ethische Ordnung ohne Gott zu etablieren, wird auf lange Sicht im Bankrott enden."

COMMUNIO: Wie erfolgreich ist das Experiment einer Gesellschaft ohne Gott in den Niederlanden bisher verlaufen?

Eijk: Für mich bedeutet Säkularisierung, dass die menschliche Person nicht mehr im Mittelpunkt steht und der Staat zunehmend die Entscheidungen über Grundrechte trifft. Wo früher die Vorstellung vorherrschte, dass der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen wurde und daher unveräußerliche Rechte hat, übernimmt jetzt der Staat diese Rolle. Ein Beispiel dafür ist die Legalisierung und breite Anwendung der Abtreibung. Das Leben scheint weniger wertvoll geworden zu sein. Die Zahl der Euthanasiefälle steigt rapide an, von 1.500 im Jahr 1991 auf möglicherweise 10.000 in diesem Jahr. Fast 40 Prozent der Ehen enden mit einer Scheidung, was für die Beteiligten und ihre Kinder oft eine große emotionale Belastung darstellt. Es gibt auch Versuche, die Forschung an Embryonen auszuweiten und die Gesetzgebung zu ändern, um Kindern im Alter von 16 Jahren zu erlauben, ihr Geschlecht im Pass selbst zu bestimmen. Diese Änderungen werden oft durch starken internationalen Druck vorangetrieben, zum Beispiel durch die UN und die Weltgesundheitsorganisation. So werden beispielsweise Programme zu Sexualerziehung und Geschlechterrollen bereits in der Grundschule eingeführt. Diese gesellschaftlichen Veränderungen haben tiefgreifende Folgen. Der zunehmende Individualismus führt zu Einsamkeit, insbesondere bei älteren Menschen. Auch viele junge Menschen fühlen sich orientierungslos und haben psychische Probleme, die oft auf einen Mangel an Werten zurückzuführen sind. Das gesellschaftliche Experiment, eine ethische Ordnung ohne Gott zu etablieren, wird auf lange Sicht im Bankrott enden.

Glaube als Entscheidung

COMMUNIO: Gibt es auch etwas Positives an der Säkularisierung?

Eijk: Als ich jung war, gingen viele Menschen in die Kirche, aber ich glaube, viele taten dies auch gedankenlos. Sie gehörten der Kirche aus soziologischen Gründen an. Sie gingen in den katholischen Kindergarten, die katholische Grundschule, das katholische Gymnasium, die katholischen Pfadfinder, die katholischen Studentenverbindungen. Sie blieben im katholischen Milieu. Dort fanden Sie Ihren Anschluss. Als in den 1960er Jahren die Individualisierung einsetzte und die Menschen nicht mehr zu einer Gemeinschaft gehören wollten, fehlte die inhaltliche Verbindung zur Kirche. Die Menschen hatten oft keine persönliche Beziehung zu Christus, wussten nichts vom persönlichen Gebet. Wenn die Menschen heute in die Kirche kommen, tun sie dies aus einer bewussten Entscheidung heraus. Auch diejenigen, die heute in der Kirche heiraten, tun dies meist aus Überzeugung. Es geht um Ihre eigene Entscheidung. Es ist nicht, wie vor vierzig Jahren, als Opa oder Oma sagten: Du musst in der Kirche heiraten. Nein, sie tun es aus eigenem Antrieb und in Übereinstimmung mit ihrer eigenen Überzeugung. Und dann ist es oft so, dass andere Menschen sie fragen: Warum machst du das überhaupt? Nicht in einer feindseligen oder polemischen Weise, sondern weil sie es wirklich wissen wollen.

Das Interview erscheint in niederländischer Sprache in Heft 4/2024 der niederländischen Edition von COMMUNIO.

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