Ein Dilemma für die SeelsorgerKirchliche Begräbnisfeier: Was tun, wenn niemand mitbetet?

Bei Begräbnisfeiern haben wir Seelsorger es oft mit einer Trauergemeinde zu tun, die sich in der katholischen Liturgie kaum noch zurechtfindet. Das sorgt für Hilflosigkeit auf beiden Seiten. Eine Replik auf Alina Oehler.

Friedhof
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"Schockiert" zeigt sich Alina Oehler angesichts der Knappheit und Kraftlosigkeit der Liturgie einer Beisetzung, die sie unlängst mitfeierte. Was Teilnehmer an kirchlichen Ritualen erleben, ist gewiss von unterschiedlicher Qualität. Die Verantwortlichen nehmen Kürzungen oder Änderungen vor. Sie tun das, weil sie – nicht zu Unrecht – annehmen, dass bestimmte Formulierungen und Riten nicht mehr verstanden werden.

Dahinter steht ein Dilemma, vor dem die Seelsorger stehen. Die Fähigkeit der Menschen, die katholischen Riten aktiv mitzufeiern, befindet sich im freien Fall. Das betrifft auch so elementare Bestandteile wie das Vaterunser. Jeder, der regelmäßig mit Beerdigung zu tun hat, kommt nicht umhin, das zu bemerken und muss damit umgehen. Ich erlebe hier bei Kollegen immer wieder eine Hilflosigkeit, die ich gut verstehen kann. Diesen Aspekt nimmt Alina Oehler zu wenig in den Blick.

Rituale brauchen Übung

Rituale setzen Übung voraus. Katholische Liturgie wird gerne als "mystisch" bezeichnet. Was damit gemeint ist, bleibt oft unklar. Unverständlichkeit ist bis zu einem gewissen Grad unvermeidbar, wenn uns beispielsweise biblische Texte bleibend wertvoll sind. Sie ist aber kein Wert an sich.

Es ist eine Stärke der Amtlichkeit von katholischer Liturgie, dass der Amtsträger auch in persona ecclesiae handelt und somit im wahrsten Sinne des Wortes ein Ritual "tragen" kann, weil er es im Namen einer größeren Gemeinschaft tut, auch wenn diese nicht gerade an diesem Ort versammelt ist. Ich erlebe das in der Praxis durchaus als entlastend und verwende darum gerne die vorgegebenen Bücher.

Wer kennt den Rosenkranz, sofern dieser gebetet werden soll? Wer hat den Mut, ihn laut zu sprechen? Wer weiß, wann man sitzt und kniet und was man auf elementare liturgische Formeln antwortet, wenn ein Requiem gewünscht wird? Wer trägt das Kreuz, wenn man diesem so große Bedeutung auf dem letzten Gang zumisst?

Ich sehe den hohen Wert der Eucharistie, den Oehler unterstreicht. In unseren Breitengraden ist das Requiem noch der Regelfall, das ist aber schon in meinem Heimatbistum nicht mehr flächendeckend der Fall. Es ist vielen Priestern wichtig, es zu ermöglichen.

All das kann dennoch nicht losgelöst von den tatsächlichen Möglichkeiten verstanden und durchgeführt werden. Wenn man die aufgezählten Rituale durchgeht, wird das deutlich. Wer kennt den Rosenkranz, sofern dieser gebetet werden soll? Wer hat den Mut, ihn laut zu sprechen? Wer weiß, wann man sitzt und kniet und was man auf elementare liturgische Formeln antwortet, wenn ein Requiem gewünscht wird? Wer trägt das Kreuz, wenn man diesem so große Bedeutung auf dem letzten Gang zumisst?

Was können wir also tun, wenn die "geübten" Mitfeiernden fehlen, ohne gleich den Totalausverkauf zu wählen? Wir dürfen uns jedenfalls nicht mit bloßer Erinnerung an die Biografie des Verstorbenen begnügen. Leben im Tod, Vergebung der Sünden, Vollendung des Abgebrochenen ... Wenn wir diesen inhaltlichen Anspruch aufgeben, sollten wir die Zeremonien besser den Bestattungsunternehmen überlassen.

Außerdem gibt es sehr wohl Menschen, die von der Kirche auch erwarten, dass sie Dinge sagt, vor denen die Welt verstummt oder für die sie keine Sprache hat. Bei der wachsenden Zahl von Beerdigungen durch weniger Personal sollten wir auch diejenigen nicht vergessen, die eine "vollständige" Liturgie wünschen und auch mittragen können.

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