Mein Bischof FranzErinnerungen an Franz Kamphaus

Anfangs hielt ich es auch für PR. Doch Bischof Franz Kamphaus verkörperte eine Demut, die nicht aufgesetzt war. Seine Haltung und sein Einsatz – vom schlichten Holzkreuz bis zur Aufnahme von Geflüchteten im Bischofshaus – waren Ausdruck echter Überzeugung.

Bischof Franz Kamphaus
© KNA-Bild

Ein Limburger Diakon, der das Gehorsamsgelübde, das er bei seiner Weihe gegenüber seinem Bischof abgelegt hatte, sehr ernst nahm, meldete sich bei diesem und bekannte, dass er in dem Streit um die Schwangerschaftskonfliktberatung so denke wie die Römer. "Folgen Sie Ihrem Gewissen" war die Antwort von Franz Kamphaus, der unbeirrbar anders dachte.

Dieser Streit hatte ihn landesweit bekannt gemacht. Auch mit Anderem war er schon aufgefallen. Nun wird man es wieder überall lesen können, wie der Bischof von Limburg seinerzeit Flüchtlinge im Bischofshaus einquartierte, selbst auf einen eigenen Haushalt verzichtend zu seinen Seminaristen ins Priesterseminar zog, wie er auf einen Fahrer verzichtend, selbst seinen einfachen Opel Kadett steuerte, wie er statt eines kostbaren Pektorale aus Gold ein einfaches Holzkreuz auf der Brust trug, gefertigt aus einem Balken der elterlichen Scheune.

Der versteht etwas von PR und Öffentlichkeitsarbeit, dachte ich damals. Auch hatte ich mich geärgert, dass im Bonner Sekretariat der Bischofskonferenz jener Konflikt zwischen Kamphaus und Rom sehr viel Energie absorbierte und andere, womöglich wichtigere Themen beiseite drängte.

Diese Ferndiagnose änderte sich komplett, als der Bischof mich nach Limburg geholt hatte, denn er hatte für Frankfurt eine große Idee, bei deren Verwirklichung ich ihm helfen sollte. Dort hatte direkt neben dem Kaiserdom das ehemalige Hauptzollamt, eine edle Bauhaus-Architektur den Krieg fast unzerstört überstanden und es ergab sich für das Bistum die einmalige Chance, dort ein Kultur- und Bildungszentrum zu entwickeln. Das "Haus am Dom" mit neuem Kopfbau und dem steilen Schieferdach, das den gotischen Dom zitiert, wird in der Architektenszene inzwischen als Maßstäbe setzendes Vorbild für ein "Bauen im Bestand" gehandelt. Das Bildungskonzept des Hauses mit der Rabanus-Maurus-Akademie im Zentrum hat inzwischen der Kirche im Herzen der Stadt eine starke Präsenz verschafft, in der sie nicht nur das eigene Profil konturiert, in der sich darüber hinaus auch die kulturelle Vielfalt der Stadt spiegeln kann.

Im Foyer hängt ein altes gotisches Kruzifix. Ihm fehlen die hölzernen Arme. Sie werden durch Buchstaben markiert, die die letzten Worte Jesu variieren. Wer sie entziffert, kann sie auf sich selbst beziehen: "In deine Hände lege ich meinen Geist".

Nach und nach steuerte man auf eine Entscheidung zu, die ein autoritärer Bischof auch ohne Gremien hätte fällen können. Diesem wäre aber ein oft durchaus eindrucksvoller Lernprozess entgangen. So könnte es doch gehen, musste ich bei den jüngsten Debatten um den Synodalen Weg denken.

Bevor es mit dem Haus so weit war, durfte ich die sehr spezielle Gruppendynamik der synodalen Gremien kennenlernen. In Limburg standen und stehen sie bekanntlich in voller Blüte. Die Begeisterung für das Frankfurter Projekt war dort sehr unterschiedlich verteilt. Der Bischof, der nicht wartete, bis ihm ein Votum vorgelegt wurde, setzte sich von Anfang an mitten zwischen die, die ihn am Ende doch nur beraten sollten. Hier hörte er sich das Für und Wider in aller Vielstimmigkeit nicht nur geduldig an, er ergriff auch gelegentlich selbst das Wort. Nach und nach steuerte man so auf eine Entscheidung zu, die ein autoritärer Bischof auch ohne Gremien hätte fällen können. Diesem wäre aber ein oft durchaus eindrucksvoller Lernprozess entgangen.

So könnte es doch gehen, musste ich bei den jüngsten Debatten um den Synodalen Weg denken. Best practice!

Bischof Kamphaus konnte predigen. Legendär und unvergessen sind seine Silvesterpredigten im überfüllten Frankfurter Dom. Bei der Jahrtausendwende reichte die Schlange der Menschen, die sich am Ende von ihm segnen lassen wollten, weit hinaus ins Freie. Seine Symbolpolitik hatte mit seiner kommunikativen Intelligenz, besser mit seinem Charisma zu tun.

Er war so, wie er sich darstellte

Natürlich konnte ihm nicht entgehen, wie er in den Medien ankam. Mit Heuchelei hatte das aber nicht im Mindesten zu tun. Er schmunzelte vergnügt, als ich ihm einmal beichtete, was ich anfangs von ihm gedacht hatte. Er war einfach so, wie er sich darstellte.

Auch als er sich als Emeritus in den hintersten Winkel des Rheingaus nach Aulhausen zurückgezogen hatte, gab er ein Beispiel. Man muss es erlebt haben, wie er mit den dortigen Behinderten umging. Die umarmten ihn, redeten mit ihm wie mit ihresgleichen. Offenbar liebte man sich und konnte das auch zeigen. Seine Lebenskunst zeigte sich immer mehr in der Kunst des Loslassens. Solange er noch bei Stimme war, ließ er sie auch erklingen. In dem Maße, in dem sie leiser wurde, gewann sie Bedeutung. Offen sprach er über den Tod, dessen Nahen er spürte, und über seine Zuversicht im Blick auf den, der ihn danach erwartete.

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